Mit der Waffen-SS gegen Russland
Skandal um Beifall für Waffen-SS‘ler in Kanadas Parlament führt zu ersten Konsequenzen. Waffen-SS’ler werden auch im Baltikum öffentlich geehrt. Berlin lehnt UN-Resolution gegen „Glorifizierung des Nazismus“ ab.
OTTAWA/KIEW/BERLIN (Eigener Bericht) – Der Skandal um den tosenden Beifall für einen ehemaligen Waffen-SS-Mann im kanadischen Parlament führt zu ersten Konsequenzen. Der Parlamentssprecher in Ottawa, der den Mann als „Held“ im Kampf „für die ukrainische Unabhängigkeit gegen die Russen“ gepriesen hatte, ist zurückgetreten. In Polen überprüft die Regierung, ob sie ein Auslieferungsverfahren gegen den NS-Kollaborateur einleiten kann – seine Einheit, die Waffen-SS-Division Galizien, hat unter anderem Massaker an Bürgern Polens begangen. In den vergangenen Jahren wurde die Division regelmäßig in der Ukraine geehrt. Mitglieder weiterer Einheiten der Waffen-SS werden unter anderem in den baltischen Staaten gewürdigt; noch im März dieses Jahres fand in Lettlands Hauptstadt Riga ein Gedenkmarsch zur ehrenden Erinnerung an lettische Mitglieder der Waffen-SS statt. Ursache für das Lob, mit dem die Waffen-SS’ler bedacht werden, ist die Tatsache, dass sie gegen die Sowjetunion bzw. „gegen Russland“ kämpften. Um den baltischen Staaten sowie der Ukraine nicht in den Rücken zu fallen, spricht sich die Bundesregierung mittlerweile gegen eine UN-Resolution aus, die die „Glorifizierung des Nazismus“ verurteilt. Weiterlesen
„Risiken im eigenen Hinterhof“
Selenskyj verlangt trotz Ausbleibens eines militärischen Durchbruchs weiter Unterstützung vom Westen, droht andernfalls mit autoritärer Transformation der Ukraine und mit Unruhen ukrainischer Flüchtlinge.
KIEW/BERLIN (Eigener Bericht) – Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, stellt implizit Unruhen ukrainischer Flüchtlinge in der EU in Aussicht, sollte Brüssel Kiew nicht weiterhin unterstützen. Es sei keine „gute Sache“ für Europa, wenn es „diese Leute in eine Ecke treibe“, warnt Selenskyj in einem am Sonntag veröffentlichten Interview. Hintergrund ist die interne Debatte, wie mit dem Ausbleiben des erhofften militärischen Durchbruchs der ukrainischen Streitkräfte zum Asow’schen Meer umgegangen werden soll. Auch ein von NATO-Generälen durchgesetzter Strategiewechsel hat Kiew keinen Erfolg verschafft. Stattdessen ist die Zahl der ukrainischen Kriegsopfer gewaltig; ukrainische Soldaten, die an der Front kämpfen, rechnen nach einem Bericht der Londoner Times mit dem Tod von 90 Prozent ihrer Mitkämpfer. Jede öffentliche Debatte über einen „Plan B“ wird unterdrückt; interne Diskussionen allerdings dauern an. Kiew geht nun – fürchtend, von den Verbündeten fallengelassen zu werden – zu Drohungen über: Es will Polen und die EU wegen eines Einfuhrverbots für ukrainisches Getreide vor ein Schiedsgericht der WTO stellen; Selenskyj zieht zudem dunkel eine autoritäre Transformation der Ukraine in Betracht. ex.klusiv
Vom Schlachtfeld zum Verhandlungstisch
EU beteiligt sich an Gesprächen über Verhandlungslösung für den Ukraine-Krieg in Saudi-Arabien. Hintergrund: Westen ist vor US-Wahlkampf um eine Reduzierung der Ausgaben für Kiew bemüht.
JIDDAH/KIEW/BERLIN (Eigener Bericht) – Unter Beteiligung der EU sollen an diesem Wochenende im saudischen Jiddah die Gespräche über eine mögliche Verhandlungslösung für den Ukraine-Krieg fortgesetzt werden. Hintergrund sind Erwägungen im Westen, den Krieg nach dem Ende der aktuellen ukrainischen Militäroffensive zu stoppen. Dies sei erforderlich, heißt es, um US-Präsident Joe Biden im bevorstehenden Wahlkampf nicht zu belasten und um die exzessiven Ausgaben für die ukrainische Kriegführung zumindest zu reduzieren. Zudem drohe die Ukraine, wenn sie den Krieg immer weiter fortsetzen wolle, „sich selbst zu zerstören“, hieß es bereits im April in der US-Zeitschrift Foreign Affairs mit Blick auf die zahllosen Kriegstoten und die Verwüstung des Landes. Hatten US-Experten bereits im Frühjahr erste Gespräche mit Moskauer Stellen geführt, etwa mit Außenminister Sergej Lawrow, so wurde die Ukraine am 24. Juni in Kopenhagen in Verhandlungen mit anderen Staaten eingebunden, darunter fünf Staaten des Globalen Südens, die ihrerseits zu vermitteln suchen. Kiew wollte in Kopenhagen einen Abzug der russischen Truppen zur Vorbedingung erklären – und scheiterte. Daran knüpfen die Gespräche in Jiddah an. ex.klusiv
„Ein irreversibler demographischer Schock”
Experten warnen vor dauerhaftem massivem Bevölkerungsschwund in der Ukraine durch Kriegstote und Flucht. Vor allem die jüngere Generation und Hochqualifizierte drohen beim Wiederaufbau zu fehlen.
KIEW/BERLIN (Eigener Bericht) – Experten sagen der Ukraine einen „irreversiblen demographischen Schock“ und massive Probleme beim Anwerben der nötigen Arbeitskräfte für den Wiederaufbau nach Kriegsende voraus. Die Bevölkerung des Landes sei schon von 1990 bis 2021 um rund 20 Prozent geschrumpft, heißt es in einer aktuellen Analyse aus dem Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). Kriegstote und Flüchtlinge reduzierten die Zahl der Einwohner weiter. Weil vor allem jüngere und gut ausgebildete Menschen geflohen seien und ein beträchtlicher Teil der ukrainischen Flüchtlinge auf Dauer in der EU bleiben wolle, drohten für den Wiederaufbau besonders wichtige Teile der Bevölkerung zu fehlen. Laut dem WIIW wird die arbeitsfähige Bevölkerung in der Ukraine bis 2040 im Vergleich zum Vorkriegsjahr 2021 um 22,6 bis 25 Prozent schrumpfen – mit gravierenden Folgen für das ganze Land. Je länger der Krieg dauere, desto schwerer wögen die Folgen. Kiew müsse unbedingt Rückkehrprogramme für Flüchtlinge starten. Allerdings konkurriert es dabei unter anderem mit der Bundesrepublik: Deutsche Firmen setzen auf kostengünstige Fachkräfte unter den ukrainischen Flüchtlingen. ex.klusiv
„Voraussetzungen für den Sieg“
Rheinmetall eröffnet innerhalb der nächsten zwölf Wochen Panzerwerk in der Westukraine. Grünen-Abgeordneter fordert Lieferung von Marschflugkörpern, CDU-Politiker spekuliert über Kaliningrad-Blockade.
BERLIN/KIEW (Eigener Bericht) – Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall wird schon in Kürze eine Fabrik für Panzerfahrzeuge in der Ukraine in Betrieb nehmen. Dies kündigt Konzernchef Armin Papperger gegenüber dem US-Sender CNN an. Demnach soll bereits in den kommenden zwölf Wochen in der Westukraine ein Werk eröffnen, in dem Rheinmetall gemeinsam mit dem ukrainischen Konglomerat UkrOboronProm Transportpanzer Fuchs fertigen will. Gleichzeitig heißt es in Berliner Regierungskreisen, Kanzler Olaf Scholz werde auf dem heute beginnenden NATO-Gipfel in Vilnius neue Waffenlieferungen an die Ukraine bekanntgeben, die „sehr substanziell“ seien. Lediglich Marschflugkörper des Typs Taurus, wie sie Kiew bereits seit einiger Zeit fordert, wird die Bundesregierung den Quellen zufolge noch nicht liefern. Mit ihrer Reichweite von mehr als 500 Kilometern könnten sie bis weit nach Russland hinein eingesetzt werden. Die US-Mitteilung, der Ukraine auch Streumunition zu liefern, wird von der Bundesregierung verständnisvoll akzeptiert. Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter schlägt unter bestimmten Umständen vor, „Kaliningrad von den russischen Versorgungslinien abzuschneiden“. ex.klusiv
Die Debatte um Sicherheitsgarantien
Deutsche Denkfabriken dringen auf NATO-Beitritt der Ukraine und Sicherheitsgarantien durch eine europäische Koalition der Willigen. Die Ukraine könne sich nuklear bewaffnen wollen.
BERLIN/KIEW (Eigener Bericht) – Die zwei größten deutschen Denkfabriken auf dem Gebiet der Außenpolitik dringen vor dem NATO-Gipfel in Vilnius auf die Aufnahme der Ukraine in das westliche Militärbündnis. Zwar habe US-Präsident Joe Biden dem Schritt zumindest für die nähere Zukunft eine Absage erteilt, heißt es in aktuellen Stellungnahmen aus der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und aus der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Alternative Sicherheitsgarantien für Kiew seien jedoch entweder nicht ausreichend oder nicht wünschenswert bzw. nicht realistisch. Letzteres gelte für eine „Demilitarisierung Russlands“. Nicht wünschenswert sei die Option einer nuklearen Aufrüstung der Ukraine. Unzulänglich seien die aktuellen Pläne, Kiew umfassend konventionell zu bewaffnen, etwa mit dem geplanten Bau einer Panzerfabrik und weiterer Waffenschmieden in der Ukraine durch den Rheinmetall-Konzern. Die DGAP bringt die Bildung einer Koalition der Willigen aus europäischen Staaten ins Gespräch, die sich zu aktivem militärischen Beistand für die Ukraine verpflichten. Dies dürfe aber nur als Übergangslösung bis zu einem formalen ukrainischen NATO-Beitritt gelten. ex.klusiv
Der Übergang zur Diplomatie (II)
Multilaterale Verhandlungen mit Kiew zur Beendigung des Ukraine-Krieges haben begonnen – erstmals unter Beteiligung des Westens. Globaler Süden setzt Suche nach Friedenslösung fort.
BERLIN/KIEW/KOPENHAGEN (Eigener Bericht) – Mit deutscher Beteiligung haben am Wochenende erste multilaterale Verhandlungen mit Kiew über eine Beendigung des Ukraine-Krieges begonnen. Am Samstag fanden in Kopenhagen Gespräche der G7-Staaten, der Ukraine sowie von fünf Ländern des Globalen Südens statt, die an Vermittlungsbemühungen zwischen Russland und der Ukraine beteiligt waren oder sind. Ziel des Treffens war es explizit, Friedensverhandlungen in Gang zu bringen; weitere Zusammenkünfte sollen folgen. In Kopenhagen ging es unter anderem um Sicherheitsgarantien, darunter nicht nur solche für die Ukraine, sondern auch Garantien für Russland. Öffentlich werden diese freilich noch zurückgewiesen. Außenministerin Annalena Baerbock etwa verlangte am gestrigen Dienstag bei einem Besuch in Südafrika, Russland müsse umgehend „seine Soldaten abziehen“. Unterdessen setzen Staaten des Globalen Südens ihre Suche nach einer Verhandlungslösung fort. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa ist erst kürzlich von einer „afrikanischen Friedensmission“ zurückgekehrt. Brasiliens Präsident Lula klagt, es sei offenkundig „Mode unter den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates“ geworden, „in andere Länder einzufallen“. Das müsse enden. ex.klusiv
Der Übergang zur Diplomatie (I)
Ex-US-Regierungsmitarbeiter sagt baldigen Übergang zu Verhandlungen im Ukraine-Krieg voraus – rechtzeitig vor dem US-Präsidentschaftswahlkampf. Erste Vorgespräche haben bereits stattgefunden.
BERLIN/KIEW/WASHINGTON (Eigener Bericht) – Die westlichen Mächte steigen in Verhandlungen mit Kiew über eine Beendigung des Ukraine-Kriegs ein. Am Samstag sind in Kopenhagen Repräsentanten der G7-Staaten, der Ukraine und mehrerer Länder des Globalen Südens zusammengetroffen, um erstmals gemeinsam Friedensgespräche in Aussicht zu nehmen. Konkrete Ergebnisse wurden dabei noch nicht erzielt; die Verhandlungen sollen aber fortgesetzt werden. Dass im Anschluss an die aktuelle ukrainische Gegenoffensive Gespräche zumindest über einen Waffenstillstand geführt werden sollen, ist als Ziel der Biden-Administration seit geraumer Zeit erkennbar. Ursachen sind die abnehmende Zustimmung in der US-Bevölkerung für die Unterstützung der Ukraine und der Präsidentschaftswahlkampf, der für Biden eine Fortsetzung der milliardenschweren Hilfsleistungen nicht angeraten sein lässt. Auch in Europa schrumpft der Anteil derjenigen, die Waffenlieferungen an die Ukraine und Sanktionen gegen Russland befürworten. Ein ehemaliger US-Regierungsmitarbeiter spricht sich dafür aus, spätestens im Herbst konkret auf einen Waffenstillstand zu orientieren. „Am schwierigsten“, urteilt er, dürften dabei „die Gespräche mit den Ukrainern“ sein. ex.klusiv
Risse in der NATO
Polen und die baltischen Staaten dringen auf NATO-Beitrittszusage an Kiew auf dem Gipfel im Juli in Vilnius und ziehen die Entsendung von Truppen in die Ukraine in Betracht. Berlin will Sicherheitsgarantien zusagen.
BERLIN/WASHINGTON/KIEW (Eigener Bericht) – Vor dem NATO-Gipfel am 11./12. Juli in Vilnius spitzt sich der Streit um einen Beitritt der Ukraine zum westlichen Bündnis und um mögliche Sicherheitsgarantien für Kiew zu. Während Polen und die baltischen Staaten nach wie vor auf einer ukrainischen NATO-Mitgliedschaft beharren, die in Vilnius konkret in Aussicht genommen werden soll, hat US-Präsident Joe Biden Berichten zufolge im Februar seinem polnischen Amtskollegen Andrzej Duda mitgeteilt, Washington lasse einen Beitritt der Ukraine nicht zu; dies sei eine „rote Linie“. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dringt darauf, auf dem NATO-Gipfel ersatzweise „greifbare und glaubwürdige Sicherheitsgarantien“ zu beschließen. Bundeskanzler Olaf Scholz stimmt dem im Kern zu. Bleibe in Vilnius ein entsprechender Schritt aus, dann könnten einige „Hardcore“-Verbündete zu einem Alleingang übergehen, warnt der ehemalige NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der als Berater des ukrainischen Präsidenten zur künftigen europäischen Sicherheitsarchitektur tätig ist. Ein solcher Alleingang könne auch – in nationalem Rahmen – eine Stationierung von Truppen von NATO-Mitgliedern in der Ukraine umfassen. ex.klusiv
Der Korea-Krieg als Modell
NATO will der Ukraine Sicherheitsgarantien sowie Aufrüstung und Ausbildung nach NATO-Standards anbieten. Washington zieht Einfrieren des Konflikts wie in Korea in Betracht.
BERLIN/WASHINGTON/KIEW (Eigener Bericht) – Die NATO will der Ukraine auf ihrem Gipfel im Juli in Vilnius Sicherheitsgarantien anbieten und die Aufrüstung und Ausbildung ihrer Streitkräfte nach NATO-Standards ermöglichen. Dies kündigte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gestern nach dem informellen Treffen der NATO-Außenminister in Oslo an. Konkrete Schritte in Richtung auf eine Mitgliedschaft der Ukraine in dem Militärbündnis, wie etwa Polen und die baltischen Staaten sie fordern, erwähnte Stoltenberg nicht. Hintergrund sind Überlegungen besonders in den USA, den Ukraine-Krieg noch eine Weile zu forcieren, dann aber – nicht zuletzt mit Blick auf die schwindende Zustimmung in der US-Bevölkerung zur kostspieligen Bewaffnung der Ukraine – auf eine Einstellung der Kämpfe und Verhandlungen zu setzen. In Washington wird Berichten zufolge über ein Einfrieren des Konflikts nach dem Modell des Korea-Kriegs diskutiert, der formell immer noch nicht beendet ist. Mit diesem Modell wäre eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine nicht vereinbar; Washington favorisiert daher Alternativen. Ein Einfrieren des Konflikts machte Osteuropa womöglich auf Jahrzehnte zum potenziellen Brandherd. ex.klusiv