• „Willkommen in Guantanamo!“ (II)

    Amnesty International wirft Lettland bei der Flüchtlingsabwehr an der EU-Außengrenze Folter, Verschwindenlassen und Rassismus vor. Die EU deckt das lettische Vorgehen.

    RIGA (Eigener Bericht) – Amnesty International erhebt zum wiederholten Mal schwere Vorwürfe wegen der brutalen Abwehr von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen – diesmal gegenüber Lettland. Wie die Menschenrechtsorganisation in einer soeben veröffentlichten Untersuchung berichtet, werden dort Flüchtlinge nicht nur völkerrechtswidrig pauschal zurückgeschoben – oft von vermummten, nicht gekennzeichneten „Kommandos“ unter Anwendung von brutaler Gewalt. Viele werden zudem in Zelten ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt interniert und dort mit Schlägen, Tritten und Elektroschockern malträtiert, die etwa auch gegen Genitalien eingesetzt werden – klare Folter, konstatiert Amnesty. Das lettische Vorgehen ähnelt damit demjenigen der litauischen und der polnischen Behörden stark, die Flüchtlinge mit nahezu identischen Methoden behandeln. Dabei gilt das alles lediglich für Flüchtlinge von außerhalb Europas, nicht jedoch für weiße Europäer aus der Ukraine, die in Lettland – wie auch in Litauen oder in Polen – angemessen empfangen werden. Mit Blick darauf stuft Amnesty die Repression der lettischen Grenzbehörden gegen nichtweiße Flüchtlinge aus außereuropäischen Staaten explizit als rassistisch ein. ex.klusiv

  • Das Gedenken der Wehrhaften

    Außenministerin Baerbock treibt im Baltikum die Formierung des Westens gegen Russland voran und gedenkt dabei der „Opfer des Kommunismus“, nicht aber der baltischen NS-Opfer.

    BERLIN/RIGA/TALLINN/VILNIUS (Eigener Bericht) – Im Schatten der militärischen Formierung des Westens gegen Russland zeichnet sich eine Verschiebung in der offiziellen Berliner Gedenkpolitik ab. Dies ergibt sich aus den Terminplänen für die Reise von Außenministerin Annalena Baerbock in die drei baltischen Staaten, die gestern in Lettland begonnen hat. Neben ihren Gesprächen bei militärischen Stellen will Baerbock heute in Estland ein Denkmal für die Opfer des Kommunismus besuchen; ein Gedenken aber an die Opfer der NS-Besatzer und baltischer Kollaborateure, durch deren Terror fast die ganze jüdische Bevölkerung zu Tode kam, ist nicht eingeplant. Aus Rücksicht auf die baltischen Staaten hat die Bundesregierung bereits in der Vergangenheit einer Resolution der UN-Generalversammlung wiederholt nicht zugestimmt, die sich gegen die Verherrlichung des Nationalsozialismus und seiner Kollaborateure richtet. Einheimische NS-Kollaborateure werden in allen drei baltischen Staaten öffentlich geehrt. Baerbock erklärte vor ihrer Reise, aktuell gehe es vor allem um „Wehrhaftigkeit“ gegenüber Russland; dazu lasse sich im Baltikum viel lernen. ex.klusiv

  • Von Tätern, Opfern und Kollaborateuren (III)

    Vor 80 Jahren starteten NS-Verbrecher und NS-Kollaborateure erste Pogrome und Morde an Juden im Baltikum. Baltische Kollaborateure werden heute als "Freiheitskämpfer" geehrt.

    BERLIN (Eigener Bericht) - Im Schatten der einmarschierenden Wehrmacht starteten deutsche NS-Verbrecher vor genau 80 Jahren gemeinsam mit mittel- und osteuropäischen Kollaborateuren die ersten Pogrome und Massenmorde an der jüdischen Bevölkerung der Sowjetunion. Gestern vor 80 Jahren begannen etwa in der litauischen Stadt Kaunas unter den Augen von Wehrmachtssoldaten Pogrome, bei denen deutschen und litauischen Tätern bereits bis zum 29. Juni 3.800 Jüdinnen und Juden zum Opfer fielen. Nur fünf Prozent der ungefähr 200.000 litauischen Juden überlebten die Shoah in Litauen, bei der die deutschen Menschheitsverbrecher über kontinuierliche Unterstützung litauischer Helfershelfer verfügten. Estland stellte - bei einer Vorkriegsbevölkerung von rund 1,2 Millionen Menschen - rund 60.000 Freiwillige für den NS-Kampf gegen die Sowjetunion, Lettland - mit 1,8 Millionen Einwohnern - gut 100.000. Einheimische Waffen-SS'ler werden heute im Baltikum mit Denkmälern und mit Gedenkmärschen geehrt: als "Freiheitskämpfer" gegen Moskau. Dies entspricht - wie in der Ukraine - der aktuellen Frontstellung des Westens gegen Russland. ex.klusiv

  • RIGA/BERLIN (Eigener Bericht) - Öffentliche Gedenkveranstaltungen für Einheiten der Waffen-SS in dieser Woche in Riga stoßen international auf Protest. Am morgigen Donnerstag wird in der lettischen Hauptstadt die alljährliche Gedenkprozession zur Ehrung der lettischen Waffen-SS-Divisionen stattfinden. Als Teilnehmer werden neben den letzten noch lebenden Veteranen auch Aktivisten heutiger ultrarechter Organisationen erwartet. Vor mehreren lettischen Botschaften und Konsulaten unter anderem in Deutschland, Italien und Griechenland sind für den heutigen Mittwoch Protestkundgebungen angekündigt worden. Die lettische Waffen-SS war ein Produkt lettischer NS-Kollaborateure, die umfassend am Holocaust beteiligt waren. Von den rund 70.000 lettischen Juden, die sich beim Einmarsch der Wehrmacht noch in Lettland aufhielten, überlebten weniger als 1.500 das Terrorregime der Deutschen und ihrer Kollaborateure. Das morgige Gedenken geht auf eine Organisation namens "Daugavas Vanagi" ("Habichte der Düna") zurück, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geflohene Waffen-SS-Veteranen versammelte und den westlichen Mächten für Zwecke des Kalten Kriegs zur Verfügung stand. ex.klusiv

  • BERLIN/NEW YORK (Eigener Bericht) - Die Bundesrepublik verweigert einer UN-Resolution gegen die Verherrlichung von Nationalsozialismus und NS-Kollaboration ihre Zustimmung. In der vergangenen Woche hat das Dritte Komitee der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution verabschiedet, in der etwa die Errichtung von Denkmälern für NS-Funktionäre und die Stilisierung von NS-Kollaborateuren zu "Freiheitskämpfern" massiv kritisiert werden. Deutschland und die übrigen EU-Staaten enthielten sich; die USA, Kanada und die Ukraine stimmten sogar gegen das Dokument, dessen Inhalt von 115 Ländern unterstützt wurde. In Berlin und Brüssel heißt es, man habe nur deshalb nicht zustimmen wollen, weil Russland die Resolution initiiert habe. Tatsächlich müsste eine Unterzeichnung des Dokuments zu heftigen Auseinandersetzungen sowohl innerhalb der EU als auch im Verhältnis zu wichtigen internationalen Verbündeten führen: In EU-Staaten wie Ungarn oder den baltischen Ländern, aber auch in der Ukraine werden berüchtigte NS-Kollaborateure in zunehmendem Maße öffentlich verehrt - teils von Kräften, die an der jeweiligen nationalen Regierung beteiligt sind. ex.klusiv

  • RIGA (Eigener Bericht) - An diesem Sonntag führen Organisationen der äußersten Rechten in Lettland einen Marsch zum Gedenken an lettische NS-Kollaborateure durch. Der "Tag der Legionäre" erinnert an lettische Waffen-SS-Verbände, die als Kämpfer gegen die Sowjetunion geehrt werden. Viele von ihnen hatten sich gemeinsam mit den NS-Besatzern am Massenmord an den rund 75.000 lettischen Juden beteiligt, die nicht vor den Nazis hatten fliehen können. Eine extrem rechte Partei, die den Gedenkmarsch gewöhnlich mitveranstaltet, ist an der gegenwärtigen Regierung beteiligt und stellt Minister. Einer ihrer Anführer verleiht den antirussischen Ressentiments ihrer Klientel Ausdruck, indem er in Lettland lebende Menschen mit russischen Vorfahren "Okkupanten" oder "illegale Kolonialisten" nennt. Seine Partei hat sich für ihre Deportation ("Repatriierung") nach Russland ausgesprochen. Die Organisation "Lettland ohne Nazismus" ("Latvija bez Nacisma") kündigt Proteste gegen den Gedenkmarsch an, an dem letztes Jahr auch ukrainische Nationalisten teilgenommen hatten. ex.klusiv

  • RIGA/VILNIUS/BERLIN (Eigener Bericht) - Unter zufriedenem Beifall deutscher Unternehmen hat Lettland seine Aufnahme in die Eurozone beantragt. Wie die lettische Regierung bestätigt, will sie bereits Anfang nächsten Jahres die EU-Währung einführen. Zwar stimmt nur ein Drittel der Bevölkerung dem Vorhaben zu, doch befürwortet die deutsche Wirtschaft den Schritt: Man erhoffe sich sinkende Kosten und neue Standortvorteile, heißt es bei der Deutsch-Baltischen Handelskammer. Man habe beste Erfahrungen mit der Einführung des Euro in Estland gemacht. In Litauen will die Regierung ebenfalls bald den Euro übernehmen - Anfang 2015. Zwar spricht sich auch dort die Bevölkerung mehrheitlich dagegen aus, doch gelobt das Establishment in Vilnius der deutschen Kanzlerin die ökonomische Gefolgschaft. Auf die wachsende Kritik an den deutschen Spardiktaten angesprochen, sagt der litauische Ministerpräsident: "Ich stimme der Politik von Kanzlerin Angela Merkel wirklich zu." Sowohl Lettland als auch Litauen haben in jüngster Zeit Sparprogramme durchgeführt, die an die Austeritätspolitik der Länder Südeuropas erinnern - die gesellschaftlichen Folgen inklusive: Beide finden sich auf der Rangliste der EU-Länder mit dem größten Anteil an Menschen, "die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind", unter den ersten vier. ex.klusiv

  • RIGA/BERLIN (Eigener Bericht) - Für den morgigen Freitag kündigen Veteranen der Waffen-SS eine Parade in der lettischen Hauptstadt Riga an. Der Marsch erinnert an die "Lettische Legion", in der viele Letten im Zweiten Weltkrieg an der Seite Nazideutschlands in den Krieg zogen. Die Zahl der bewaffneten lettischen NS-Kollaborateure wird mit 140.000 angegeben - bei einer Vorkriegs-Bevölkerungsgröße von etwas über 1,8 Millionen Menschen. Der jüdische Bevölkerungsteil wurde bis auf diejenigen, die fliehen konnten, beinahe vollständig ermordet - rund 75.000 Menschen. Die Mörder waren Deutsche, aber auch zahlreiche lettische NS-Kollaborateure. Kritik an der morgigen Gedenkveranstaltung, mit der die SS-Veteranen als angeblich tapfere "Freiheitskämpfer" gegen die Sowjetunion gewürdigt werden, sei "unfair", äußert der Staatspräsident in Riga. An der Parade, die seit den 1990er Jahren regelmäßig stattfindet, nehmen zahlreiche Aktivisten der extremen Rechten teil, darunter Mitglieder einer Partei, die der lettischen Regierungskoalition angehört. Obwohl seit Jahren gegen den Aufmarsch protestiert wird, findet er immer wieder statt - in einem Europa, das deutscher Hegemonie untersteht. ex.klusiv

  • BERLIN/WARSZAWA/VILNIUS/RIGA (Eigener Bericht) - Berlin sabotiert den Bau eines polnischen Flüssiggasterminals in Świnoujście. Wie US-Medien urteilen, schütze die Bundesregierung umweltpolitische Bedenken vor, um den Bau des Hafens hinauszuzögern oder ganz zu verhindern. Ziel sei es demnach, Warschau von der Diversifizierung seiner Erdgasbezüge abzuhalten und damit die Abhängigkeit Polens von deutsch-russischen Lieferungen zu festigen. Mit ähnlichen Vorwürfen ist Berlin in Litauen konfrontiert. Dort zögert der auffällig schleppende Rückbau eines stillgelegten Kernkraftwerks durch eine deutsch-russische Firma die Errichtung eines neuen Atommeilers hinaus und erleichtert Berlin den Zugriff auf die Energiebranche des Landes. Lettland werde ebenfalls bald für deutsche Energiekonzerne geöffnet - durch einen Anschluss an das europäische Stromnetz, heißt es nach der Baltikumreise der deutschen Kanzlerin Anfang letzter Woche. Während die baltischen Staaten ihre Energiebranche fast bedingungslos deutschen Firmen auszuliefern bereit sind, leistet sich Polen noch Widerständigkeiten - durch Kooperationen mit westeuropäischen und US-amerikanischen Konzernen. ex.klusiv

  • Heldengedenken

    BERLIN/RIGA/MITTENWALD (Eigener Bericht) - Zur Motivation deutscher Soldaten für Gewaltoperationen im Ausland knüpft die Bundeswehr-Führung an Wehrmachts-Traditionen an. Anlässlich der Einweihung eines Friedhofs für die deutschen Invasoren des Zweiten Weltkriegs im lettischen Riga erklärte der Generalinspekteur der deutschen Streitkräfte, Wolfgang Schneiderhan, die dort beerdigten Toten seien "in Kameradschaftlichkeit treu" gewesen und "ohne Ausführung offenbar böser Befehle in unschuldigem Glauben" gefallen. Auch heute, sagte der ranghöchste deutsche Offizier weiter, wollten junge Menschen "ihrem Land dienen", etwa in Südosteuropa oder in Afghanistan. Die nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion in Lettland eingesetzten Einheiten der Wehrmacht und der Waffen-SS waren an schweren Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit beteiligt, insbesondere an der Ermordung und Deportation tausender jüdischer Menschen. Dasselbe gilt für lettische NS-Kollaborateure ("Lettische Legion"), die bis heute in Lettland öffentlich geehrt werden - unter Mitwirkung der deutschen Kriegsgräberfürsorge. ex.klusiv