• Im Sahel gegen Russland

    Berlin ist bemüht, sich Einfluss im Sahel zu sichern, um die Region „nicht Russland zu überlassen“. „Hebel, um Regimewechsel zu beschleunigen“, habe man nicht, urteilen Regierungsberater.

    BERLIN/NIAMEY (Eigener Bericht) – In Berlin gewinnt die Suche nach Optionen an Fahrt, im Sahel gegen das dort erstarkende Russland den deutschen Einfluss wieder auszuweiten. Vergangene Woche bestätigte Bundeskanzler Olaf Scholz, die Bundesregierung bemühe sich um „Möglichkeiten“, wie sie sich in Mali, Burkina Faso oder Niger „engagieren“, also ihre Stellung aufwerten könne. Schon im März hatte sich Verteidigungsminister Boris Pistorius optimistisch gezeigt, die deutsche Militärpräsenz in Niger aufrechterhalten zu können – etwa über die Ausbildung nigrischer Soldaten. Nach Lage der Dinge wäre dies aber nur parallel zu einer deutlich stärkeren russischen Militärpräsenz möglich: In Niger sind kürzlich erste russische Militärausbilder eingetroffen, die nigrische Soldaten in den Gebrauch russischer Waffensysteme einweisen sollen. Man habe im Sahel „sehr wenige anschlussfähige, politisch relevante Partner in Staat, Politik und Gesellschaft“, heißt es in einer aktuellen Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). „Hebel, um Regimewechsel zu beschleunigen“, hätten „die Europäer“ nicht; doch seien zum Beispiel „weitere Putsche“ vorstellbar – verbunden mit etwaigen außenpolitischen Kurswechseln. Weiterlesen

  • Der nächste Hinauswurf aus dem Sahel

    Nachdem Niger die Stationierungserlaubnis für die US-Drohnenbasis in Niger widerrufen hat, steht auch das deutsche Luftdrehkreuz am Flughafen von Niamey in Frage. Der Westen hat den Sahel komplett verloren.

    NIAMEY/BERLIN/WASHINGTON (Eigener Bericht) – Der letzte Einsatz der Bundeswehr im Sahel steht vor dem Aus, nachdem Niger seine Genehmigung für die Stationierung von US-Truppen auf seinem Territorium offiziell widerrufen hat. Der Schritt erfolgte am Samstag nach Auseinandersetzungen mit einer hochrangigen US-Delegation, die nach Niamey gereist war, um den Pachtvertrag für die US-Drohnenbasis bei Agadez zu verlängern. Die Drohnenbasis ist die größte in der Region und einer der wichtigsten US-Stützpunkte auf dem afrikanischen Kontinent. Die Regierung in Niamey kappt ihre Beziehungen zu den US-Streitkräften, nachdem sie zuvor die Streitkräfte Frankreichs und anschließend diejenigen der EU aus dem Land geworfen hat. Stattdessen nimmt sie eine militärische Kooperation mit Russland auf. Die Bundeswehr, die ihre Präsenz in Niger im EU-Rahmen aufgeben musste, unterhält am Flughafen in Niamey ein bilateral vereinbartes Luftdrehkreuz, das sie Berichten zufolge nach Möglichkeit aufrechterhalten will. Dass dies möglich ist, wenn die USA sich gänzlich aus Niger zurückziehen müssen, zugleich aber russische Truppen in dem Land eine neue Präsenz entwickeln, gilt als schwer vorstellbar. ex.klusiv

  • Auf dem Weg zur Eigenständigkeit (III)

    Berlin sucht mit allen Mitteln die Präsenz der Bundeswehr in Niger zu sichern. Niger hat wie Mali und Burkina Faso französische und EU-Truppen aus dem Land geworfen und leitet eine Militärkooperation mit Russland ein.

    BERLIN/NIAMEY/OUAGADOUGOU (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung sucht den Abzug der Bundeswehr aus Niger abzuwenden und stellt der Übergangsregierung in Niamey neue Unterstützungsmaßnahmen in Aussicht. Berlin sei bereit, ein Militärkrankenhaus in dem Land zu errichten, wenn man die militärische Zusammenarbeit weiterführen dürfe, teilte Verteidigungsminister Boris Pistorius unlängst bei einem Besuch in der nigrischen Hauptstadt mit. Hintergrund ist, dass die Übergangsregierung in Niamey, die nach dem Putsch vom 26. Juli 2023 an die Macht gekommen ist, die französischen Truppen aus dem Land geworfen und die Militärkooperation mit der EU aufgekündigt hat; stattdessen leitet sie nun eine engere Militärkooperation mit Russland ein. Das tut sie gemeinsam mit Mali und Burkina Faso, die beide ebenfalls europäische Truppen zum Abzug gezwungen haben. Mali, Burkina Faso und Niger haben zudem ein Bündnis gegründet, die Alliance des États du Sahel (AES), die sie auf lange Sicht zur Föderation ausbauen wollen. Um auch ökonomisch eigenständig zu werden, arbeiten sie darüber hinaus auf eine umfassendere finanzielle Zusammenarbeit und womöglich sogar auf eine gemeinsame Währung hin. ex.klusiv

  • Die ignorierte Hungerblockade

    Nigers Übergangspräsident hebt Gesetz auf, das auf Druck der EU verabschiedet worden war und Migration in Richtung Europa verboten hatte. EU-Parlament „begrüßt“ Hungerblockade gegen Niger.

    NIAMEY/BERLIN (Eigener Bericht) – Das Europaparlament lobt die Hungerblockade der westafrikanischen Staatenorganisation ECOWAS gegen Niger. Dies geht aus einer Erklärung hervor, die das Parlament in der vergangenen Woche beschlossen hat und die außerdem noch Sanktionen gegen führende nigrische Politiker und Militärs fordert. Die ECOWAS hatte die Blockade auch auf Druck der Mächte Europas kurz nach dem Putsch in Niamey vom 26. Juli verhängt, um die Bevölkerung zum Sturz der – bislang populären – Putschregierung zu veranlassen. Längst werden Nahrungsmittel und Medikamente knapp, der Mangel an Strom ist eklatant. Der gestürzte nigrische Präsident Mohamed Bazoum hatte vor allem in der Abwehr von Flüchtlingen bereitwillig mit der EU kooperiert und Flüchtlinge, die durch die Sahara in Richtung Mittelmeer reisen wollten, auf abgelegene, gefährlichere Wege durch die Wüste abgedrängt, was die Anzahl der Todesopfer rasch in die Höhe hatte schnellen lassen. Grundlage war ein Gesetz zur Illegalisierung der Migration, das Niamey 2015 auf Druck der EU verabschiedet hatte. Übergangspräsident Abdourahamane Tiani hat das Gesetz in der vergangenen Woche aufgehoben; Migration ist in Niger jetzt wieder legal. ex.klusiv

  • Abzug aus dem Sahel

    Frankreich und Deutschland stehen vor dem Ende ihrer Militärpräsenz und ihres Einflusses im zentralen Sahel (Mali, Burkina Faso, Niger). Stärkeren Einfluss gewinnen Russland und die USA.

    BERLIN/PARIS/NIAMEY (Eigener Bericht) – Nach der Ankündigung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die französischen Streitkräfte aus Niger abzuziehen, zeichnet sich auch der Rückzug der Bundeswehr aus dem Land ab. Macron teilte am gestrigen Sonntag mit, die etwa 1.500 in Niger stationierten französischen Soldaten würden bis Ende des Jahres nach Frankreich heimkehren. Der Ankündigung waren nach einem Ultimatum der Junta in Niamey kontinuierliche Proteste der nigrischen Bevölkerung gegen die französische Militärpräsenz vorausgegangen. Bereits in der vergangenen Woche hatte der Berliner Verteidigungsminister Boris Pistorius geurteilt, die Bundeswehr müsse ihre Präsenz in Niger „überprüfen“; dies gelte „umso mehr“, falls Frankreich seine Truppen abziehe. Dies ist nun der Fall. Damit verlieren die Mächte Westeuropas innerhalb weniger Jahre ihre gesamte Militärpräsenz und ihren einst starken politischen Einfluss im zentralen Sahel; dieser erhält die Chance auf eine eigenständigere Entwicklung. Stärkeren Einfluss gewinnt Russland. Die USA sind bestrebt, sich über ihre Drohnenbasis bei Agadez im Sahel halten zu können. Gelingt ihnen dies, hängen sie Frankreich einmal mehr machtpolitisch ab. ex.klusiv

  • Tödliche Sanktionen

    Von Berlin und der EU befürwortete Sanktionen drohen Niger in eine Hungerkatastrophe zu treiben. EU-Außenminister beraten über die Lage in Westafrika: Man dürfe die Region „nicht Drittstaaten überlassen“.

    NIAMEY/PARIS/BERLIN (Eigener Bericht) – Hilfsorganisationen protestieren scharf gegen die von Berlin und der EU ausdrücklich unterstützten ECOWAS-Sanktionen gegen Niger. Die westafrikanische Regionalorganisation ECOWAS hat unter deutsch-europäischem Beifall scharfe Sanktionen verhängt, um die Putschisten in Niamey zur Aufgabe zu zwingen. Seither stecken Dutzende Container des UN-Kinderhilfswerks UNICEF mit dringend benötigten Medikamenten an der Grenze zu Niger fest; das UN-Welternährungsprogramm WFP klagt, es könne rund 6.000 Tonnen Lebensmittel nicht ins Land bringen. In Niger leiden schon heute fast 20 Prozent der Bevölkerung an Unterernährung. Die EU-Außenminister werden sich am morgigen Donnerstag auf einem informellen Treffen in Turin mit der Entwicklung in Niger befassen. Man wolle besprechen, wie die EU ihre „Interessen und Ziele in der Subregion“ am besten schützen könne, heißt es vorab. Die ECOWAS, die weiterhin mit einem Krieg gegen Niger zur Wiedereinsetzung des gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum droht, hat laut einem Bericht in Brüssel um die Lieferung von Waffen gebeten. Die EU-Staaten zögen allerdings, so heißt es, die Finanzierung „nicht-tödlicher“ Ausrüstung vor. ex.klusiv

  • Gewalt und Sanktionen

    ECOWAS bedroht Niger weiter mit Invasion; ihre Sanktionen halten lebensnotwendige Güter aus Niger fern. Widerstand gegen ECOWAS-Einmarsch wächst. Berlin will mit Gesprächen Einfluss nehmen.

    NIAMEY/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung sucht mit der Entsendung von Entwicklungsministerin Svenja Schulze nach Westafrika Einfluss auf den Konflikt um Niger zu nehmen. Der Druck auf die Junta in Niamey hält an; am gestrigen Donnerstag beschloss die westafrikanische Staatengruppe ECOWAS die sofortige Aufstellung einer Eingreiftruppe, die sich bereithalten soll, nach Niger einzumarschieren, falls die Putschisten den gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum nicht wieder in sein Amt zurückbringen. Die Drohung mit einer – völkerrechtswidrigen – Invasion zur Wiedereinsetzung einer Regierung, die „extrem unbeliebt“ war, wie Beobachter konstatieren, treibt wachsende Teile von Nigers Bevölkerung zur Unterstützung der Putschisten. Auch in Nigeria, das einen Großteil der Truppen stellen wird, nimmt der Widerstand zu. Die schon jetzt geltenden ECOWAS-Sanktionen verhindern sogar die Lieferung lebensnotwendiger Güter und drohen in Niger, einem der ärmsten Länder der Welt, den ohnehin gravierenden Hunger zu verstärken. Berlin, Paris und die EU billigen die ECOWAS-Maßnahmen bislang; Bazoum kooperierte eng mit ihnen. Schulze wird ab Montag in Nigeria und in Mauretanien erwartet. ex.klusiv

  • Ab in die Wüste (II)

    Dutzende Flüchtlinge sind nach ihrer Deportation durch tunesische Behörden in die Wüste verdurstet. Während die ersten starben, schloss „Team Europe“ (von der Leyen) mit Tunis einen Flüchtlingsabwehrdeal.

    TUNIS/NIAMEY/BRÜSSEL/BERLIN (Eigener Bericht) – Menschenrechtsorganisationen erheben schwere Vorwürfe gegen die EU-Kooperation mit Tunesien zur Flüchtlingsabwehr. Auslöser ist ein Deal, den ein Politikertrio um Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen („Team Europe“) am 16. Juli mit Tunis schloss, um die Flucht aus Nordafrika nach Europa noch stärker zu erschweren. Kurz zuvor hatten die tunesischen Behörden 1.200 Menschen aus Ländern Afrikas südlich der Sahara in ein Wüstengebiet an der tunesisch-libyschen Grenze deportiert und sie dort schutzlos ausgesetzt; während „Team Europe“ mit Tunesiens Präsident Kaïs Saïed zusammenkam, um weitere Schritte zur Flüchtlingsabwehr in die Wege zu leiten, verdursteten die ersten von ihnen. Bisher wurden 27 Leichen gefunden. Die EU habe sich mit dem Deal zur „Komplizin“ tunesischer Verbrechen an Flüchtlingen gemacht, konstatiert das Forum Tunisien pour les Droits Économiques et Sociaux (FTDES). Bereits vor Jahren hat Brüssel mit dem damaligen nigrischen Innenminister Mohamed Bazoum Schritte vereinbart, die Flüchtlinge auf dem Weg durch die Sahara nach Norden auf abgelegene, gefährlichere Routen abdrängten. Dies kostete zahllose Flüchtlinge das Leben. ex.klusiv

  • Nach uns der Flächenbrand (II)

    Vor dem Ablauf des ECOWAS-Ultimatums gegen Niger nehmen in Afrika Warnungen vor dem angedrohten Einmarsch in das Land zu. Paris und Berlin unterstützen die ECOWAS dennoch.

    NIAMEY/PARIS/BERLIN (Eigener Bericht) – Aufrufe aus der EU zum Einschreiten gegen die Junta in Niger haben am gestrigen Sonntag abend den Ablauf des ECOWAS-Ultimatums zur Wiedereinsetzung des gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum begleitet. Die westafrikanische Staatengruppierung ECOWAS hatte mit einem Einmarsch nach Niger für den Fall gedroht, dass die Junta an Bazoums Entmachtung festhält. Die Putschisten tun dies; zudem haben sie Nigers Stationierungsabkommen mit Frankreichs Streitkräften gekündigt. Eine Reaktion der ECOWAS liegt bislang noch nicht vor. Paris hatte der Staatengruppe feste Unterstützung zugesagt; aus Berlin hieß es nur, man befürworte vor Gewaltmaßnahmen weitere Verhandlungen. Das Interesse der EU-Staaten an einer prowestlichen Regierung in Niamey ist vor allem geostrategisch bedingt. Niger ist darüber hinaus zwar auch ein wichtiger Lieferant von Uran, verliert dabei aber spürbar an Bedeutung. Gegen einen Einmarsch sprachen sich am Wochenende nicht nur Zehntausende in Niamey, sondern auch der Präsident Algeriens sowie der Senat Nigerias aus, auf dessen Zustimmung Nigerias Präsident Bola Tinubu angewiesen ist. Ein Krieg drohe, hieß es, den gesamten Sahel zu verwüsten. ex.klusiv

  • Nach uns der Flächenbrand

    Berlin, Paris und die EU unterstützen im Kampf gegen die Putschisten in Niger die ECOWAS, die mit einer militärischen Invasion droht. Niger ist letzter Stationierungsort der Bundeswehr im Sahel.

    NIAMEY/PARIS/BERLIN (Eigener Bericht) – Die westlichen Staaten, auch Deutschland, stärken im Kampf gegen die Putschisten in Niger dem westafrikanischen Zusammenschluss ECOWAS den Rücken, der mit einem militärischen Einmarsch in das Land droht. Die ECOWAS hat am Sonntag umfassende Sanktionen gegen Niger verhängt und eine bewaffnete Intervention für den Fall in Aussicht gestellt, dass sich die Putschisten nicht bis zum kommenden Wochenende zurückziehen. Die Gewaltdrohung erfolgt, obwohl Niger schon seit Jahren von jihadistischem Terror erschüttert wird und endgültig in blutigem Chaos zu versinken droht, sollten auch noch ECOWAS-Truppen gegen die nigrischen Streitkräfte in den Krieg ziehen. Beobachter mutmaßen, Paris könne der ECOWAS seine Luftwaffenbasis in Niamey zur Verfügung stellen. In Niger selbst protestiert die Bevölkerung mit den größten Demonstrationen seit langer Zeit gegen eine mögliche Militärintervention der ECOWAS. Die Bundesregierung sieht durch den Putsch den letzten Stationierungsort der Bundeswehr im Sahel bedroht und nimmt mit der Unterstützung für die ECOWAS in Kauf, dass deren Militärintervention den Sahel in einen beispiellosen Flächenbrand stürzt. ex.klusiv