„Nuklear unabhängig von den USA“
Frankreichs Präsident Macron treibt Debatte über französischen Nuklearschirm für Europa voran – auch für Deutschland. Berlin sucht Optionen zur Mitentscheidung über einen französischen Kernwaffeneinsatz. AfD will deutsche Bombe.
PARIS/WARSCHAU/BERLIN (Eigener Bericht) – Frankreichs Präsident Emmanuel Macron prescht mit dem Vorschlag voran, weitere Staaten Europas, darunter womöglich Deutschland, einem auf französischen Atombomben basierenden „Nuklearschirm“ nach dem Vorbild der USA zu unterstellen. „Ernsthafte Gespräche“ darüber mit Polen seien bereits im Gange, teilte am Freitag anlässlich der Unterzeichnung eines französisch-polnischen Kooperationsvertrags Polens Ministerpräsident Donald Tusk mit. Derlei Gespräche werde man auch mit anderen Staaten führen, kündigt Macron an. Bestrebungen, eine Alternative zur nuklearen Teilhabe an US-Kernwaffen aufzubauen, gibt es auch in Berlin – verstärkt, seit der jetzige Bundeskanzler Friedrich Merz am 21. Februar Gespräche darüber mit Paris und London in Aussicht stellte. Zwar ist in deutschen Leitmedien unlängst auch die Aufrüstung mit einer „deutschen Bombe“ im nationalen Alleingang erwogen worden – unter Bruch des Atomwaffensperrvertrags wie auch des Zwei-plus-Vier-Vertrags. AfD-Politiker befürworten dies. Die Regierungsparteien in Berlin setzen jedoch auf eine „europäische Lösung“. Unklar ist, wie eine Beteiligung Berlins an der Entscheidung über einen Atomwaffeneinsatz durchgesetzt werden kann. Weiterlesen
China und die Seltenen Erden
Beim Import industriell unverzichtbarer Seltener Erden aus China zeichnet sich Entspannung ab. Beijing hatte Exportkontrollen eingeführt und damit vor allem auf US-Rüstungskonzerne gezielt, die immense Mengen Seltener Erden verschlingen.
BERLIN/BEIJING/WASHINGTON (Eigener Bericht) – Bei der Einfuhr industriell nicht verzichtbarer Seltener Erden aus China zeichnen sich nach wochenlanger Furcht vor einem Exportstopp erste Ansätze einer Entspannung ab. Beijing hatte, um sich gegen die exzessiven US-Zölle zur Wehr zu setzen, am 4. April Exportkontrollen auf sieben Metalle der Seltenen Erden eingeführt. Davon ist auch die deutsche Industrie betroffen. Weil unklar war, wann und ob wieder Exportgenehmigungen erteilt würden, nahm die Unruhe in deutschen Konzernen zu; Anfang Mai hieß es, es sei allenfalls noch „eine Frage von Wochen“, bis es zu ersten Produktionsstillständen komme. Am Dienstag wurde nun bekannt, dass neue Lieferungen der betroffenen Seltenen Erden gebilligt wurden. Mit der Einführung der Exportkontrollen zielt Beijing besonders auf die US-Rüstungsindustrie, die große Volumina an Seltenen Erden benötigt. Die aktuelle Vereinbarung zwischen Washington und Beijing zur Senkung der Zölle sieht nun auch die Suspendierung nichttarifärer Maßnahmen Chinas vor; dies könnte die Exportschranken bei Seltenen Erden meinen. Appelle, die Seltenen Erden selbst abzubauen, scheitern bislang an den Kosten der Aufbereitung und an der Umweltbelastung. Weiterlesen
Das Fünf-Prozent-Ziel der NATO
NATO-Außenminister diskutieren Erhöhung der Militärausgaben auf fünf Prozent des BIP. NATO will ihr Pipelinesystem auf das Gebiet der früheren DDR ausdehnen, kollidiert damit zum wiederholten Mal mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag.
BRÜSSEL/BERLIN (Eigener Bericht) – Die NATO-Außenminister befassen sich auf ihrem heute beginnenden Treffen im türkischen Antalya erstmals mit neuen Plänen zur Aufstockung der Militärausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Dabei sollen 3,5 Prozent des BIP unmittelbar für die Streitkräfte ausgegeben werden; 1,5 Prozent des BIP sind für infrastrukturelle Kriegsvorbereitungen vorgesehen. Verbindlich beschlossen werden könnte die Aufstockung in sechs Wochen auf dem NATO-Gipfel in Den Haag. Fünf Prozent des BIP wären für Deutschland heute 215 Milliarden Euro – 44 Prozent des derzeitigen Haushaltsvolumens von fast 489 Milliarden Euro. Zugleich treibt die NATO, die jeweiligen nationalen Aufrüstungsschritte ergänzend, den Ausbau ihrer eigenen Infrastruktur voran. Laut Berichten soll das NATO-Pipelinesystem, das insbesondere Militärflugplätze mit Treibstoff versorgt, auf das Gebiet der ehemaligen DDR ausgeweitet werden – „so weit wie möglich im Osten in der Nähe des potenziellen Einsatzgebiets“ in einem Krieg gegen Russland. Damit kollidiert die NATO mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag, der jede ausländische Militärpräsenz in Ostdeutschland untersagt. Er wird schon jetzt gebrochen. Weiterlesen
Streit um den Waffenstillstand
Deutschland und weitere westeuropäische Staaten verlangen Waffenstillstand vor Beginn russisch-ukrainischer Gespräche. Merz will Waffen, auch den Taurus, geheim liefern. Kiew erklärt Berlin zur „führenden Kraft des Guten“.
BERLIN/KIEW/LONDON (Eigener Bericht) – Außenminister Johann Wadephul und seine Amtskollegen aus sechs weiteren europäischen Staaten fordern Russland zu einem sofortigen Waffenstillstand vor den für Donnerstag angekündigten russisch-ukrainischen Gesprächen in Istanbul auf. Verweigere Moskau dies, dann werde die EU neue Sanktionen verhängen und „sehr viel Druck“ ausüben, erklärte Wadephul nach einem Außenministertreffen am gestrigen Montag in London. Die westeuropäischen Regierungen wollen verhindern, dass Kiew, das sich militärisch in der Defensive befindet, während der Verhandlungen durch Niederlagen an der Front zusätzlich unter Druck gerät. Wie Moskau nach 16 EU-Sanktionspaketen in drei Jahren nun plötzlich so stark bedrängt werden soll, dass es seinen Kurs ändert, ist unklar. Die neue Bundesregierung kündigt unabhängig davon an, Waffenlieferungen an die Ukraine nicht mehr bekanntzugeben. Damit würde auch eine mögliche Lieferung des Marschflugkörpers Taurus geheimgehalten, obwohl sein Einsatz eine aktive deutsche Kriegsbeteiligung erfordert – mit weitreichenden Konsequenzen. Kiew stellt Berlin unterdessen lukrative Geschäfte in Aussicht und lobt Deutschland als „eine führende Kraft des Guten“. Weiterlesen
Grenzabschottung im Alleingang
Berlin verstößt mit der neuen Abschottung der Grenzen für Asylsuchende mutmaßlich gegen internationales Recht und provoziert neue Konflikte mit mehreren Nachbarstaaten von Polen über die Schweiz bis Luxemburg.
BERLIN/WARSCHAU/LUXEMBURG (Eigener Bericht) – Die neuen Maßnahmen der Bundesregierung zur Abschottung der deutschen Grenzen gegen Asylsuchende sind Kritikern zufolge rechtswidrig und rufen zudem Konflikte mit den Nachbarstaaten hervor. Dass es legal sei, Asylsuchende ganz pauschal an einer Einreise zu hindern, wie Berlin es beschlossen hat, das werde sogar in der EU-Kommission infrage gestellt, wird berichtet. Beobachter gehen von Klagen gegen das deutsche Vorgehen vor und halten eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen Berlin für nicht unwahrscheinlich. Die verschärften Grenzkontrollen, die vergangene Woche eingeführt wurden, um potenzielle Asylsuchende aufzuspüren, stoßen im In- und im Ausland auf Protest. So protestiert etwa der Oberbürgermeister von Kehl, die Kontrollen sabotierten die mühevoll aufgebaute Kooperation mit dem französischen Strasbourg. Dass sie ausgerechnet am 8. Mai beschlossen worden seien, zeuge von bedauerlichem Mangel an politischer Sensibilität. Große Verärgerung äußern die Regierungen mehrerer Nachbarstaaten. Er akzeptiere es nicht, wenn „irgendjemand Migrantengruppen nach Polen“ schicken wolle, warnt Ministerpräsident Donald Tusk. Kanzler Friedrich Merz gibt sich kompromisslos. Weiterlesen
Befreiung ohne Befreier (II)
Die EU, mehrere EU-Staaten und die Ukraine suchen die Gedenkfeiern in Moskau zum Sieg über NS-Deutschland zu sabotieren – mit allerlei Drohungen, der Sperrung des Luftraums für die Anreise und der Debatte über ein Sondertribunal gegen Russland.
BERLIN/KIEW/MOSKAU (Eigener Bericht) – Sabotageversuche der EU, mehrerer EU-Mitgliedstaaten und der Ukraine begleiten die heutigen Moskauer Gedenkfeierlichkeiten zum 80. Jahrestag des Sieges über NS-Deutschland. Mehrere Dutzend Staaten nehmen an den Veranstaltungen in der russischen Hauptstadt teil, darunter BRICS-Staaten wie China, Brasilien, Südafrika und Indonesien, aber auch das EU-Mitglied Slowakei sowie der EU-Beitrittskandidat Serbien. Die Teilnahme der beiden letzteren hatte die EU zu unterbinden versucht, nicht zuletzt mit der Drohung, ein Staat, der Repräsentanten nach Moskau entsende, dürfe der EU nicht beitreten. Darüber hinaus hatten die baltischen Staaten ihren Luftraum für Durchflüge nach Russland kurzfristig gesperrt; das betraf etwa den Ministerpräsidenten der Slowakei und den Präsidenten Brasiliens. Die Ukraine hatte zuletzt mit Drohnenangriffen den Flugverkehr in Moskau lahmzulegen versucht, um damit eine Anreise der Gedenkgäste zu verhindern. Nahmen in der Roten Armee auch ukrainische Soldaten an der Befreiung Europas teil, so stellt sich der heutige ukrainische Staat explizit nicht in ihre Tradition, sondern in diejenige des NS-Kollaborateurs Stepan Bandera, der am 9. Mai 1945 eine Niederlage erlitt. Weiterlesen
Befreiung ohne Befreier
Bundestag schließt Repräsentanten Russlands und Belarus‘ von Weltkriegsgedenken aus. Führende Tageszeitung behauptet Kontinuität eines „großrussischen Imperialismus“ – „vor Hitler“, in den 1940er Jahren, im Ukrainekrieg.
BERLIN/MOSKAU (Eigener Bericht) – Der Deutsche Bundestag sperrt von der heutigen Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Kriegsendes alle Repräsentanten Russlands und Belarus‘, deren Vorgängerstaat weite Teile Deutschlands befreit hatte – auch Berlin –, aus. Bereits am Sonntag hatte der russische Botschafter in der Bundesrepublik an den Gedenkveranstaltungen in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Ravensbrück nicht teilnehmen dürfen. Beide Konzentrationslager waren Ende April 1945 von der Roten Armee befreit worden. Durch deutschen Terror kamen 27 Millionen Bürger der Sowjetunion und rund ein Viertel der Bevölkerung der belarussischen Sowjetrepublik zu Tode. Vertreter ihrer Nachfolgestaaten sind beim deutschen Gedenken nicht mehr erwünscht. Zur Begründung heißt es, Russland führe einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Botschafter gleich mehrerer Staaten, die in den vergangenen Jahren fremde Staaten überfallen haben, werden heute im Bundestag erwartet, der seinerseits im Jahr 1999 einen Angriffskrieg beschlossen hat. Grund für die klare Ungleichbehandlung ist, dass Berlin Moskau im Ukrainekrieg niederzuringen sucht. Außenminister Johann Wadephul erklärt, Russland sei „für immer ein Feind“. Weiterlesen
Verbündete Rivalen
Bundeskanzler Merz wird zu Gesprächen in Paris erwartet. Berlin hat zuletzt mehrfach Interessen der deutschen Industrie zum Schaden der französischen Konkurrenz durchgesetzt. Die deutsch-französische Rivalität dauert an.
BERLIN/PARIS (Eigener Bericht) – Nach seiner erst im zweiten Anlauf geglückten Wahl zum neuen Bundeskanzler wird Friedrich Merz am heutigen Mittwoch zu ersten Gesprächen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Paris erwartet. Merz hat angekündigt, die Beziehungen zwischen den beiden stärksten Mächten der EU, die immer wieder von bitterer Rivalität zwischen Berlin und Paris überschattet werden, verbessern zu wollen. Zuletzt war es der Bundesregierung mehrmals gelungen, deutsche Interessen in der EU auf französische Kosten durchzusetzen. So hatte der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz im Oktober 2022 den Aufbau eines europaweiten Flugabwehrsystems unter Einbeziehung deutscher, aber unter Ausschluss französischer Rüstungskonzerne eingeleitet. EU-Planungen zur Schaffung einer Satellitenkonstellation, die an dem Starlink-Satellitensystem von Elon Musk orientiert ist, wurden von Berlin immer wieder torpediert, weil französische Unternehmen in ihr eine starke Stellung innehatten. Schon in Kürze könnten sie endgültig zum Scheitern gebracht werden. Paris hingegen ist es zuletzt gelungen, gegen den Willen Berlins außenpolitisch eine führende Rolle in der EU einzunehmen – und zwar mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Weiterlesen
Die Rüstungsregierung im Amt
Bundeswehr und Rüstungs-Startups dringen auf rasche Aufrüstung der Bundeswehr mit Satellitenkonstellationen, Kamikazedrohnen – darunter KI-gesteuerte – und Kampfrobotern. Hochburg deutscher Rüstungs-Startups ist München.
BERLIN (Eigener Bericht) – Die neue Bundesregierung soll so rasch wie möglich neue Rüstungsvorhaben beschließen und dabei insbesondere High-Tech-Projekte berücksichtigen. Darauf dringen Bundeswehr und Teile der Rüstungsbranche, insbesondere junge Startups mit militärischem Schwerpunkt. So fordert die Bundeswehr die Beschaffung einer kompletten Satellitenkonstellation, die hunderte einzelne Satelliten umfassen und bis zu zehn Milliarden Euro kosten könne. Zudem hat die Truppe die Beschaffung von Kampfdrohnen eingeleitet, darunter Kamikazedrohnen, die mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuert werden; feindliche Störsender sollen ihnen nichts mehr anhaben können. Eines der Startups, das auf einen Bundeswehr-Auftrag hoffen kann, will zudem einen „Drohnenwall“ an der NATO-Ostgrenze errichten. Einer der Gründer des Unternehmens arbeitete zuvor bei McKinsey und war in dessen Auftrag im Bundesverteidigungsministerium unter der heutigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen tätig. Mit den McKinsey-Aktivitäten in dem Ministerium war ein Untersuchungsausschuss des Bundestags befasst. Deutsche Rüstungs-Startups arbeiten inzwischen sogar daran, Insekten zur Kriegsführung zu nutzen – etwa Kakerlaken. Weiterlesen
„Zutaten für einen gescheiterten Staat“
Der Südsudan, dessen Abspaltung vom Sudan ein Vorzeigeprojekt der Berliner Afrikapolitik war, droht in einem zweiten Bürgerkrieg zu versinken. Deutschland hatte die Abspaltung aus geostrategischen Gründen forciert.
BERLIN/JUBA (Eigener Bericht) – Ein einstiges Vorzeigeprojekt der Berliner Afrikapolitik, der mit deutscher Hilfe vom Sudan abgespaltene Südsudan, droht zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre in einem Bürgerkrieg zu versinken. Nach einer blutigen Eskalation zwischen den Sprachgruppen der Dinka und der Nuer im März kam es am Wochenende zu einem Angriff mit Kampfhubschraubern auf eine Nuer-Stadt; mindestens sieben Menschen kamen dabei zu Tode. Die Täter seien womöglich Dinka-Soldaten gewesen, heißt es; eine Eskalation der Kämpfe zwischen den beiden Sprachgruppen wird befürchtet. Berlin und Washington hatten die Abspaltung des Südsudan vom Sudan, die im Jahr 2011 erfolgte, schon seit Mitte der 1990er Jahre vorangetrieben. Hintergrund war der Versuch, den arabisch dominierten Sudan zu schwächen – in einer Zeit, in der die transatlantischen Mächte sich bemühten, die arabische Welt so weit wie möglich auf prowestlichen Kurs zu trimmen und dem Westen gegenüber nicht loyale Regierungen zu stürzen. Berlin stützte die Abspaltung des Südsudans, obwohl Insider und Experten vor einer erneuten Eskalation der Spannungen zwischen Dinka, Nuer und anderen Sprachgruppen warnten. Die Warnungen haben sich bewahrheitet. Weiterlesen