Atomwaffen für Europa
Berlin: Forderung nach atomarer Bewaffnung der EU im Wettrüsten mit Moskau wird lauter. Ex-Außenminister Josef Fischer verlangt Aufbau einer „atomaren Abschreckung“. Paris erklärt nuklearen Erstschlag für möglich.
BERLIN (Eigener Bericht) – In Deutschland erstarkt die Forderung nach einer atomaren Bewaffnung der EU. Einem Plädoyer des in Berlin recht einflussreichen Publizisten Herfried Münkler, „Europa“ müsse „atomare Fähigkeiten aufbauen“, hat sich jetzt auch der ehemalige deutsche Außenminister Josef Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) angeschlossen: „Die EU braucht eine eigene atomare Abschreckung“, behauptet Fischer. Begründet wird die Forderung, die von auflagenstarken deutschen Medien verbreitet wird, mit der Einschätzung, im Falle eines Sieges von Donald Trump bei der US-Präsidentenwahl im November sei der „nukleare Schutzschirm“ der Vereinigten Staaten über Europa nicht mehr gesichert; die EU müsse über eine Alternative verfügen. Kontext ist die Aufrüstung gegen Russland, die von der Bundesregierung energisch vorangetrieben wird; zur konventionellen Aufrüstung und zur Propagierung von „Kriegstüchtigkeit“ kommt nun auch das Streben nach einer nuklearen Bewaffnung hinzu. Frankreichs Force de frappe reiche nicht aus, weil man nicht sicher sein könne, ob Paris im Kriegsfalle wirklich dazu bereit sei, „Litauen oder Polen zu schützen“, erklärt Münkler. Weiterlesen
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Krieg gegen China
Es gibt in Europa einen Reflex, der China beschädigt. Er ist die Kehrseite respektvollen Staunens über die Weite, die Größe Chinas, über seine Kultur und Gesamtstaatlichkeit. Europa wirkt winzig im Größenvergleich. Der Vergleich dämpft den Irrtum, unvergleichlich zu sein. China ist größer.
„In China für China”
Deutsche Unternehmen – Volkswagen, aber auch Mittelständler – machen ihre Werke in China unabhängig von Standorten in Europa, um gegen neue westliche Sanktionen gefeit zu sein. Deutsche China-Investitionen auf Rekordniveau.
WOLFSBURG/BEIJING (Eigener Bericht) – Vor dem heute beginnenden EU-China-Gipfel gewinnt die Verlagerung deutscher Konzernaktivitäten in die Volksrepublik an Fahrt. Volkswagen hat vor wenigen Tagen mitgeteilt, eine neue Plattform für Elektroautos, die nach bisheriger Praxis in Deutschland entwickelt worden wäre, an einem neuen Zentrum im ostchinesischen Hefei zu entwickeln und sie dort auch zu produzieren. Zugleich will der Konzern bei der Herstellung von Elektroautos in China beinahe komplett auf Zulieferer aus der Volksrepublik zurückgreifen. Damit könne schneller, billiger und besser produziert werden, heißt es. Allerdings gehen Konzerntätigkeiten in Deutschland verloren. Außerdem wäre VW China dann in der Lage, im Fall einer Eskalation des westlichen Wirtschaftskriegs gegen die Volksrepublik sich von der deutschen Konzernzentrale abzuspalten – zu deren Schaden. Ähnliche Vorbereitungen treffen mittlerweile auch mittelgroße Unternehmen. Dies führt dazu, dass die deutschen Investitionen in China zuletzt stark zugenommen haben und den deutschen Investitionsbestand dort auf Rekordniveau heben. Ökonomen räumen ein, diese Folge des westlichen Wirtschaftskriegs sei „paradox und so eigentlich nicht gewollt“. Weiterlesen
Stützpunkt an der Ostflanke
Ein „Leuchtturmprojekt der Zeitenwende“: Berlin treibt feste Stationierung einer deutschen Brigade von 4.000 Soldaten in Litauen voran. Pistorius reklamiert damit „Führung in Europa und in der NATO“.
BERLIN/VILNIUS (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung treibt die feste Stationierung einer deutschen Brigade in Litauen energisch voran. Vor wenigen Tagen beteiligte sich das Deutsche Heer an einer Militärparade in Litauen – mit zwei Schützenpanzern des Typs Puma, die als „Vorboten“ der im Aufbau befindlichen Brigade bezeichnet wurden. Kurz zuvor hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius erste Details über die Brigade bekanntgegeben. Laut Angaben seines Ministeriums ist es das erste Mal in der Geschichte der Bundeswehr, dass ein „Großverband des Heeres dauerhaft im Ausland stationiert“ wird. Deutsche Soldaten werden künftig dauerhaft in Litauen leben – ähnlich wie etwa US-Militärs in Deutschland. Die notwendige Infrastruktur für die Soldaten und ihre Familien lässt Berlin von Vilnius errichten. Die Brigade soll auf eine Stärke von gut 4.000 Militärs aufwachsen und die bereits bestehende deutsche Militärpräsenz in Litauen einbeziehen. In den kürzlich verabschiedeten Verteidigungspolitischen Richtlinien heißt es, das Vorhaben sei ein „Leuchtturmprojekt der Zeitenwende“. Laut dem Verteidigungsminister „marschiert“ Deutschland damit in NATO und Europa „voran“. Weiterlesen
Vor dem Rüstungssturm
SIPRI-Bericht: Die 100 größten Rüstungkonzerne weltweit stehen nach schwachem Jahr 2022 wegen globaler Hochrüstung vor gewaltigem Aufschwung. Rheinmetall will Umsatz von 2023 bis 2026 verdoppeln.
DÜSSELDORF/BERLIN (Eigener Bericht) – Der globalen Rüstungsindustrie, darunter deutsche Konzerne, steht nach einem vergleichsweise schwachen Jahr 2022 ein gewaltiger Boom bevor. Dies geht aus dem jüngsten Bericht des Stockholmer Forschungsinstituts SIPRI zu den 100 größten Rüstungsunternehmen weltweit hervor. Laut dem gestern publizierten Bericht ging der Umsatz der 100 Rüstungsgiganten im vergangenen Jahr trotz des Ukraine-Krieges um 3,5 Prozent zurück. Ursache waren einerseits Spätfolgen der Covid-19-Pandemie, andererseits die Tatsache, dass Aufträge, die seit Kriegsbeginn eingingen, weitgehend erst seit diesem Jahr abgearbeitet werden und sich erst in den nächsten Jahren in massiv steigenden Umsätzen niederschlagen. Ein Beispiel bietet der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern, der den Umsatz in diesem Jahr um 15 Prozent oder mehr steigern und 2026 einen Umsatz von 13 bis 14 Milliarden Euro erreichen will – fast doppelt so viel wie 2023. Dabei zeigt der SIPRI-Bericht auch, dass neue Konkurrenz für die alte westeuropäische Rüstungsindustrie erwächst. So steigt der polnische Konzern PGZ auf, der davon profitiert, dass Polen Europas größte Landstreitkräfte aufbauen will. Vor allem türkische Rüstungskonzerne boomen. Weiterlesen
Rohstoffe und Fachkräfte
Lula in Berlin: Deutsche Wirtschaft verlangt besseren Zugriff auf lateinamerikanische Bodenschätze, will hochqualifiziertes Personal abwerben. Debatte um Freihandelsabkommen mit dem Mercosur dauert an.
BERLIN/BRASÍLIA (Eigener Bericht) – Die deutsche Wirtschaft dringt vor den deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen am heutigen Montag in Berlin auf einen schnellen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern und insbesondere auf eine Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit dem südamerikanischen Bündnis Mercosur. In den vergangenen zehn Jahren sei die deutsche Industrie in Lateinamerika insgesamt stark ins Hintertreffen geraten, warnt der Lateinamerika-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (LADW) in einem aktuellen Papier; demnach legte der deutsche Lateinamerikaexport von 2012 bis 2022 lediglich um drei Prozent zu, der US-amerikanische um 38 Prozent, der chinesische gar um 87 Prozent. Dies soll sich nach dem Willen deutscher Unternehmen ändern – nicht nur, um Brasilien als Absatzmarkt nutzen zu können, sondern auch, um Zugriff auf Rohstoffe und Fachkräfte Lateinamerikas für den Einsatz in deutschen Firmen zu erhalten. Dazu soll nach dem Willen der deutschen Industrie nun auch endlich das Freihandelsabkommen mit dem Mercosur ratifiziert werden. Brasilien wiederum kämpft als Repräsentant des Globalen Südens zunehmend gegen die globale westliche Dominanz. Weiterlesen
„Bis an die Zähne bewaffnet“
Berlin und Brüssel diskutieren Finanzierung steigender Militäretats: per Aufrüstungsfonds à la Corona-Wiederaufbaufonds oder per Streichung von Feiertagen. Bekannter Publizist fordert nukleare Bewafffnung der EU.
BERLIN (Eigener Bericht) – Trotz rasant steigender Militärausgaben dringen Berlin und Brüssel auf weitere Schritte zur Erhöhung der nationalen Wehretats in der EU. Der deutschen Regierung ist es gelungen, mit buchhalterischen Tricks das Streitkräftebudget mit einem Schlag auf rund zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. Dazu sollen im nächsten Jahr dem regulär wachsenden Wehretat noch 19,2 Milliarden Euro aus den Sonderschulden hinzugefügt werden, die in Berlin trotz einer Rüge des Bundesrechnungshofs immer noch verschleiernd „Sondervermögen“ genannt werden. Sobald dieses in wenigen Jahren wegfällt, will Verteidigungsminister Boris Pistorius den Wehretat um 23 Milliarden Euro erhöhen. Um die Mittel aufzubringen, könne man einfach zwei Feiertage streichen, regt der Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Guntram Wolff, an. In der EU wird auf Vorschlag der estnischen Ministerpräsidentin Kaja Kallas über einen Aufrüstungsfonds nach dem Vorbild des Covid-19-Wiederaufbaufonds diskutiert – mit einem Volumen in dreistelliger Milliarden-Euro-Höhe. In Berlin wird gleichzeitig die Forderung nach nuklearer Aufrüstung der EU laut. Weiterlesen
Die Strategie der Eindämmung (II)
Baerbock will „alles“ dafür tun, dass die Ukraine im Jahr 2024 eine neue Militäroffensive starten kann. US-Experten dringen auf ein Einfrieren des Konflikts und auf nur schwache Sicherheitsgarantien für Kiew.
BERLIN/KIEW/WASHINGTON (Eigener Bericht) – Außenministerin Annalena Baerbock hat auf dem gestern zu Ende gegangenen Treffen mit ihren NATO-Amtskollegen eine erneute ukrainische Militäroffensive in Aussicht gestellt. Man tue „alles dafür“, dass die Ukraine „auch im nächsten Jahr ... Dörfer und Städte befreien kann“, bekräftigte Baerbock in Brüssel. Während die Ministerin mit Durchhalteparolen vorpreschte, bezweifeln Militärs im NATO-Hauptquartier, dass die ukrainischen Streitkräfte noch Erfolge gegen die russischen Truppen erzielen könnten: „Von einer Gegenoffensive im nächsten Frühjahr mag niemand sprechen“, bestätigt ein Insider. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg behauptete, die Ukraine habe mit der Rückgewinnung von „50 Prozent des Territoriums, das Russland besetzt hatte“, einen „großen Erfolg“ erzielt – eine für Kiew gesichtswahrende Umschreibung der gescheiterten Gegenoffensive, die geeignet ist, eine Überleitung zum Einfrieren der Front zu begleiten. Für den Übergang vom Versuch, Russland militärisch zurückzuschlagen, zu einer Strategie der Eindämmung sprechen sich erneut US-Experten aus. Kiew könne Sicherheitsgarantien bekommen, heißt es – allerdings nur unverbindliche wie die Philippinen. Weiterlesen
Deutschland auf der COP28
Beobachter rechnen auf der COP28 in Dubai mit scharfer Kritik an klimapolitischen Maßnahmen der EU und warnen, Berlin habe seine Glaubwürdigkeit in der Klimapolitik längst verspielt.
BERLIN/DUBAI (Eigener Bericht) – Beobachter rechnen auf der morgen beginnenden UN-Klimakonferenz (COP28) in Dubai mit scharfer Kritik an klimapolitischen Maßnahmen der EU und warnen, Deutschland sei in puncto Klimapolitik international längst unglaubwürdig. Die Kritik richtet sich unter anderem gegen den neuen CO2-Grenzausgleich der EU – Sonderabgaben, mit denen Brüssel energieintensive Industrien vor auswärtiger Konkurrenz schützen will. Der neue Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) droht etwa den Staaten Afrikas fast ein Prozent ihrer Wirtschaftsleistung zu nehmen und darüber hinaus die Ansätze zur Industrialisierung afrikanischer Rohstoffländer zu zerstören. Zur Kritik an der EU kommt hinzu, dass das demonstrative Werben der Bundesregierung für entschlossene klimapolitische Maßnahmen zunehmend als unglaubwürdig gilt. So wird etwa auf dem afrikanischen Kontinent sorgfältig festgestellt, dass Berlin nach dem Beschluss, russisches Erdgas künftig nicht mehr zu beziehen, sich aus afrikanischen Lagerstätten versorgen will, von deren Ausbeutung es zuvor dringend abriet. International wahrgenommen wird auch, dass Deutschland seine Klimaziele für 2030 und 2045 voraussichtlich weit verfehlt. Weiterlesen