Maidan 2.0
Berlin setzt Entwicklungskooperation mit Georgien aus und befeuert dort die einseitig auf die EU orientierenden Proteste. Die Regierung in Tiflis strebt Mittelstellung zwischen EU und Russland an – wie Kiew bis Anfang 2014.
TIFLIS/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung erhöht den Druck auf die Regierung Georgiens und setzt die Entwicklungskooperation mit dem Land aus. Anlass ist die Entscheidung der Regierung in Tiflis, die Bemühungen um Georgiens geplanten EU-Beitritt mit Blick auf die ausufernden Proteste einseitig auf die EU orientierender Kräfte bis 2028 auszusetzen. Die Regierungspartei Georgischer Traum zielt weiterhin auf eine engere Zusammenarbeit mit der EU und der NATO; dabei will sie jedoch nicht auf eine gewisse Kooperation mit ihrem mächtigen nördlichen Nachbarstaat Russland verzichten, ist deshalb bemüht, die Kontrolle über den Annäherungsprozess an die EU nicht zu verlieren, und lässt sich zwar auf gemeinsame Manöver mit der NATO ein, nicht aber auf solche, die lediglich den Aufmarsch für einen möglichen Krieg gegen Russland proben, so die Defender Europe-Serie. Deutschland und die EU befeuern auch anderweitig die Proteste in Georgien, die wie einst die Maidan-Proteste in der Ukraine die exklusive Einbindung des Landes in die westlichen Bündnisse ermöglichen sollen. Während Berlin die Wahlen in Georgien vom 26. Oktober scharf kritisiert, billigt es Irregularitäten bei der Wahl der Pro-EU-Präsidentin in Moldau. Weiterlesen
Mit Kriegsmandat
Deutsche Militärexperten urteilen, eine Streitmacht zur Überwachung eines Waffenstillstands in der Ukraine müsse mehr als 10.000 Soldaten und ein Kriegsmandat haben. Baerbock stellt Beteiligung der Bundeswehr in Aussicht.
KIEW/BERLIN (Eigener Bericht) – In Berlin dauert die Debatte über die Forderung von Außenministerin Annalena Baerbock, nach einem Waffenstillstand Einheiten der Bundeswehr in die Ukraine zu entsenden, an. Eine internationale Streitmacht, die einen Waffenstillstand sichern solle, müsse mehr als 10.000 Soldaten umfassen und nicht nur mit großen Mengen an Waffen, sondern auch mit einem Mandat ausgestattet sein, gegebenenfalls einen umfassenden Krieg mit Russland zu führen, wird ein Professor der Münchner Bundeswehr-Universität zitiert. Bereits Ende November hatte ein Experte einer französischen Denkfabrik erklärt, in einer Ukraine-Streitmacht müssten Frankreich sowie Großbritannien, „die zwei einzigen Atommächte Europas, eine Schlüsselrolle einnehmen“; Deutschland sei dazu wegen seiner inneren Zerstrittenheit gegenwärtig kaum in der Lage. Die Entsendung von Truppen an die russisch-ukrainische Frontlinie zur Überwachung eines Waffenstillstands wurde von US-Experten schon im April 2023 diskutiert; sie nimmt auch in dem Konzept von Keith Kellogg, dem designierten Ukraine-Sondergesandten des künftigen US-Präsidenten Donald Trump, eine zentrale Rolle ein. Trump will eine US-Beteiligung vermeiden. Weiterlesen
Deutschlands industrieller Hinterhof
Die Krise der deutschen Kfz-Industrie bedroht auch die Visegrád-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn), deren Wirtschaft stark auf die deutsche Autobranche ausgerichtet ist. Ungarn verzeichnet bereits Produktionsrückgänge.
BERLIN/BUDAPEST (Eigener Bericht) – Die Krise der deutschen Kfz-Industrie trifft neben den Automobilfabriken in der Bundesrepublik auch die bedeutenden Produktionsstandorte der deutschen Branche in den sogenannten Visegrád-Ländern, darunter Ungarn. Die aktuellen Absatzeinbrüche muss insbesondere die E-Auto-Sparte hinnehmen; dies gilt sowohl für die Autohersteller selbst, nicht zuletzt Volkswagen, als auch für die Zulieferer. Der Kfz-Zulieferer ZF etwa kündigte an, bis Ende 2028 in Deutschland bis zu 14.000 Stellen zu streichen. Continental plant, sein Zulieferergeschäft womöglich komplett abzuspalten und an die Börse zu bringen.[1] Dem Kraftfahrt-Bundesamt zufolge wurden im August dieses Jahres knapp 69 Prozent weniger Elektroautos neu zugelassen als im August des Vorjahres. Bei Dieselmotoren lag das Minus bei 24,4 Prozent, bei Benzinern bei 7,4 Prozent.[2] Diese Einbrüche, aber auch die Transformation des Automobilsektors als solche stellen nicht zuletzt die Visegrád-Länder vor immense Herausforderungen, da ihre Wirtschaft sehr stark auf die deutsche Industrie ausgerichtet ist und ihr Wachstum in großen Teilen aus ihrem Deutschlandgeschäft resultiert. In Ungarn etwa bricht aktuell die Industrieproduktion bereits ein. Weiterlesen
Die Welt der Kriege
Neue SIPRI-Rangliste: Die größten deutschen Waffenschmieden wuchsen 2023 deutlich schneller als der globale Durchschnitt. Ein hohes Rüstungswachstum verzeichneten auch die asiatischen Verbündeten des Westens gegen China.
BERLIN (Eigener Bericht) – Die größten deutschen Waffenschmieden haben im Jahr 2023 ein im globalen Vergleich deutlich überdurchschnittliches Wachstum erzielt. Das geht aus der aktuellen Rangliste der 100 weltgrößten Rüstungsunternehmen hervor, die das Stockholmer Forschungsinstitut SIPRI am gestrigen Montag veröffentlicht hat. Zwar finden sich auf dieser Rangliste aufgrund der stark mittelständischen Prägung der deutschen Rüstungsbranche nur vier deutsche Konzerne – Rheinmetall, ThyssenKrupp, Hensoldt, Diehl. Diese konnten allerdings ihren Umsatz im vergangenen Jahr um 7,5 Prozent steigern, während das globale Wachstum der Top 100-Rüstungsfirmen nur bei 4,2 Prozent lag. Vor allem Rheinmetall und Diehl verdankten ihr sattes Wachstum dabei in hohem Maße dem Ukraine-Krieg. Wie die SIPRI-Rangliste zeigt, liegen die größten Waffenschmieden der Vereinigten Staaten nach wie vor weit vorn und haben 2023 rund die Hälfte des Umsatzes der globalen Top 100 erzielt. Daneben zeichnen sich der Aufstieg der türkischen Rüstungsbranche und besonders auch das Rüstungswachstum der asiatischen Verbündeten des Westens ab – Südkorea, Japan –, deren Waffenschmieden neue Umsatzrekorde erzielten. Weiterlesen
Syrien am Abgrund
CDU/CSU-Fraktionssprecher dringt mit Blick auf das Wiederaufflammen des Krieges in Syrien auf Flüchtlingsabwehr. In Syrien drohen ein Zerfall der 2016 etablierten prekären Ordnung und das Erstarken von Jihadisten.
DAMASKUS/BERLIN (Eigener Bericht) – Mit Blick auf das Wiederaufflammen des Krieges in Syrien sorgen sich deutsche Politiker in ersten Stellungnahmen zu dem Geschehen vor allem um die Abwehr von Flüchtlingen. „Sollten sich Fluchtbewegungen ... ergeben“, erklärt der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm, „so haben diese innerhalb sicherer Bereiche des Landes oder in Nachbarstaaten zu erfolgen“. Das Stichwort „Nachbarstaat“ bezieht sich auf die Türkei. Die Jihadistenmiliz Hayat Tahrir al Sham (HTS) hat mittlerweile gemeinsam mit von Ankara finanzierten Kämpfern nicht nur die zweitgrößte Stadt Syriens, Aleppo, eingenommen; sie kontrolliert auch die Straße von dort nach Damaskus und marschierte gestern in Richtung auf Hama, Syriens drittgrößte Stadt. Die prekäre Ordnung, die seit Ende 2016 in dem nahöstlichen Land errichtet und von Russland und der Türkei gemeinsam garantiert wurde – und zwar unter Ausschluss des Westens –, steht damit in Frage. Möglich wurde die Offensive, weil israelische Angriffe – laut Berichten „ein, zwei Dutzend“ pro Tag – Einheiten der Hizbollah und proiranische Milizen in Syrien, die beim Kampf gegen die Jihadisten halfen, stark dezimiert haben. Weiterlesen
Bis zum allerletzten Ukrainer
USA wollen Mindestalter für Kriegspflicht auf 18 Jahre senken; deutsche Politiker fordern weiter Taurus-Lieferung, obwohl dies unter Militärs als Kriegseintritt gilt. Mehrheit in der Ukraine wünscht schnelles Kriegsende.
WASHINGTON/BERLIN/KIEW (Eigener Bericht) – Die westlichen Staaten brechen bei ihren Schritten zur Aufrüstung der Ukraine immer neue Tabus und gehen zur Forderung über, das Kriegsdienstalter auf 18 Jahre zu senken und Deserteure deutlich härter zu bestrafen. Bereits vor zehn Tagen hatte die US-Regierung die Lieferung von Antipersonenminen genehmigt, die weltweit geächtet sind. Zudem hatten die USA, Großbritannien und wohl auch Frankreich den Beschuss russischen Territoriums mit weitreichenden westlichen Waffen gestattet; dies ist nicht ohne Beteiligung westlicher Soldaten möglich, die von deutschen Offizieren klar als Kriegseintritt eingestuft wird. Das Gleiche gälte bei für den Taurus, dessen Lieferung nun auch vom Europaparlament gefordert wird. Aus der Biden-Administration sind Überlegungen zu hören, man könne Kiew, um ihm Sicherheitsgarantien gegen Moskau zu verschaffen, mit Atomwaffen aufrüsten. Die US-Regierung dringt zudem auf die Senkung der Altersuntergrenze für die Kriegspflicht auf 18 Jahre. Dabei stellt sich der Westen mit seiner Kriegspolitik erstmals gegen den Mehrheitswillen der ukrainischen Bevölkerung: 52 Prozent wünschen inzwischen Verhandlungen und einen schnellen Waffenstillstand. Weiterlesen
Von der Kuba- zur Philippinenkrise
Die Philippinen, militärischer Kooperationspartner Deutschlands, verschärfen den Konflikt mit China und beanspruchen Territorium Malaysias. USA wollen dort Raketen stationieren. Berlin kündigt Ausweitung der Zusammenarbeit an.
MANILA/WASHINGTON/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Philippinen, ein enger, auch militärischer Kooperationspartner Deutschlands, verschärfen den Konflikt mit China sowohl um Taiwan wie um Inseln im Südchinesischen Meer. Bereits am 8. November hat Manila zwei neue Gesetze in Kraft gesetzt, die die philippinischen Ansprüche im Südchinesischen Meer festschreiben; sie überlappen sich mit denjenigen Chinas. Allerdings reklamiert Manila auch Inseln und Seegebiete, auf die Malaysia Anspruch erhebt; aus dessen Sicht könnten die Philippinen als „Hauptstörenfried“ im Südchinesischen Meer gelten, urteilt ein Experte, auch mit Blick darauf, dass Manila zudem die Hoheit über Teile des malaysischen Bundesstaats Sabah beansprucht. Die USA haben mit Manila ein Abkommen über den Austausch geheimer Militärinformationen geschlossen und entwickeln Pläne, auf den Philippinen und in Japan im Fall einer krisenhaften Entwicklung im Konflikt um Taiwan hochmoderne Raketen zu stationieren; diese bedrohten die Volksrepublik China so unmittelbar wie einst sowjetische Raketen auf Kuba die USA. Deutschland beteiligt sich an der Entwicklung, indem es die Militär- und Rüstungskooperation mit den Philippinen intensiviert. Weiterlesen
„Wir entscheiden selbst“
Die EU gerät durch eigenmächtige Aktivitäten ihres Botschafters in Niger mit der Regierung dort in Konflikt. Niger setzt seinen Kampf um Eigenständigkeit auf ökonomischer Ebene fort und wird weiterhin von Europa aus attackiert.
NIAMEY/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Niger setzt sich gegen eigenmächtige Aktivitäten der EU auf seinem Hoheitsgebiet zur Wehr und verlangt die Ablösung des EU-Botschafters in Niamey. Gegenstand des Konflikts ist, dass der EU-Botschafter ohne Abstimmung mit der nigrischen Regierung und sogar gegen deren erklärten Willen eigenmächtig EU-Hilfen für die Opfer verheerender Überschwemmungen in Niger verteilt hatte. Nach Protesten aus Niamey hatte die EU den Botschafter zu Konsultationen zurückgerufen – wohl in der Hoffnung, Niger könne sich auf die Hilfen angewiesen sehen und in dem Streit einknicken. Das ist nicht der Fall. Niger hat sich seit dem Putsch vom 26. Juli vergangenen Jahres systematisch aus der Abhängigkeit besonders von Frankreich, aber auch von anderen Staaten des Westens zu lösen begonnen, kämpft nach dem Hinauswurf westlicher Streitkräfte – auch der Bundeswehr – um ökonomische Unabhängigkeit und setzt sich gegen Machenschaften des französischen Auslandsgeheimdiensts zur Wehr. Auf einer Solidaritätskonferenz hieß es vergangene Woche, man erhalte endlich „keine Anweisungen aus Paris“ mehr und entscheide nun selbst über die politische und ökonomische Entwicklung im eigenen Land. Weiterlesen
Die Konzentration der europäischen Rüstungsindustrie
Manager großer Rüstungskonzerne planten vergangene Woche auf einem Geheimtreffen in Hamburg eine Konzentration der europäischen Rüstungsbranche. Europas Wehretats könnten um 280 Milliarden US-Dollar wachsen.
BERLIN/LONDON (Eigener Bericht) – Führende Repräsentanten der Rüstungsindustrie der europäischen NATO-Staaten arbeiten an einer Konzentration der Branche und einer massiven Ausweitung der Rüstungsproduktion über europäische Grenzen hinweg. Dies geht aus einem Bericht über ein Treffen namentlich nicht genannter europäischer Rüstungsmanager hervor, das in der vergangenen Woche auf dem britischen Flugzeugträger HMS Queen Elizabeth abgehalten wurde, während dieser – bewacht von einer sogenannten Heimatschutzkompanie – im Hamburger Hafen ankerte. Das Geheimtreffen knüpfte an das Trinity House Agreement an, ein deutsch-britisches Militär- und Rüstungsabkommen, das im Oktober in London unterzeichnet wurde und unter anderem gemeinsame deutsch-britische Rüstungsprojekte vorsieht. In dem Bericht über das Hamburger Treffen heißt es, man gehe davon aus, dass die für 2024 in den europäischen Militärhaushalten eingeplanten Ausgaben von 436 Milliarden US-Dollar schon bald gesteigert würden; komme es zu der anvisierten Einigung auf eine Aufstockung der Wehretats auf 3 Prozent der Wirtschaftsleistung, dann stünden in Kürze gut 280 Milliarden US-Dollar zusätzlich zur Verfügung. Ansätze zur Verschmelzung der EU-Rüstungsindustrie sind bereits vorhanden. Weiterlesen
„Eine Beleidigung“
COP29: Globaler Süden übt wütende Kritik an Weigerung der Industriestaaten, nötige klimapolitische Maßnahmen in Entwicklungsländern zu finanzieren. Berlin konterkariert mit der Weigerung sein Streben nach mehr Einfluss im Süden.
BAKU/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Länder des Globalen Südens üben heftige Kritik an der Weigerung der westlichen Staaten, darunter Deutschlands und der EU, die nötigen Mittel zum Kampf gegen Klimawandel und Klimaschäden bereitzustellen. Auf Druck der westlichen Industriestaaten hat die UN-Klimakonferenz in Baku (COP29) Ende vergangener Woche beschlossen, die Mittel, die aus dem wohlhabenden Norden in die Entwicklungsländer fließen sollen, um dort klimapolitische Maßnahmen zu finanzieren, auf 300 Milliarden US-Dollar im Jahr zu begrenzen. Der Globale Süden fordert die Mittel ein, da der Wohlstand der Industriestaaten auf einem jahrhundertelangen gewaltigen CO2-Ausstoß gründet, während die Entwicklungsländer unter dessen Folgen am stärksten leiden. Experten halten eine Steigerung auf 1,3 Billionen Euro im Jahr für erforderlich. Unterhändler etwa Indiens oder Nigerias nannten die Beschränkung auf 300 Milliarden Euro wütend „dürftig“ bzw. einen „Witz“. Um die Wut abzulenken, griff Außenministerin Annalena Baerbock die Erdöl- und Erdgasförderer an, darunter COP29-Gastgeber Aserbaidschan. Aserbaidschan steigert die Erdgasförderung, weil die EU ihre Importe von dort ausweiten will, um Russland zu boykottieren. Weiterlesen