Auf dem Weg zur Eigenständigkeit
Die Bundeswehr muss ihren gescheiterten Einsatz in Mali schneller beenden als geplant. In Mali und im angrenzenden Burkina Faso gewinnt der Kampf um Unabhängigkeit vom Westen an Fahrt.
BAMAKO/OUAGADOUGOU/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Bundeswehr muss früher als geplant ihren gescheiterten Einsatz in Mali einstellen und bis zum 31. Dezember aus dem westafrikanischen Land abgezogen sein. Dies ist die Konsequenz aus einem Beschluss des UN-Sicherheitsrats, der am Freitag das Mandat für die UN-Blauhelmtruppe MINUSMA nicht verlängert hat. Der beschleunigte Abzug ist auch eine Niederlage für das Auswärtige Amt; Ministerin Annalena Baerbock hatte ursprünglich den Verbleib der Bundeswehr bis Ende Mai 2024 in Mali durchgesetzt, um dort Russland länger entgegentreten zu können und während der für Februar 2024 vorgesehenen Wahl noch über eine deutsche Präsenz im Land zu verfügen. Den Abzug von MINUSMA hatten die in Bamako regierenden Militärs gefordert; sie machen nun mit ihrem Versuch ernst, die Aufstände im Land eigenständig zu besiegen – gestützt auf Waffenlieferungen vor allem aus Russland und China und mit Hilfe einer gewissen Anzahl russischer Söldner. Ähnlich geht das angrenzende Burkina Faso vor, dessen Regierung gleichfalls französische Truppen aus dem Land geworfen hat, in ihrem Bemühen um Eigenständigkeit aber ohne russische Söldner auskommen will. Das Streben nach Unabhängigkeit von den einstigen Kolonialmächten gewinnt an Fahrt. ex.klusiv
Streit um MINUSMA
Die Bundeswehr muss womöglich binnen kürzester Frist aus Mali abziehen: Die Regierung in Bamako verlangt den schnellstmöglichen Abzug von MINUSMA. Deren Mandat läuft in wenigen Tagen aus.
BAMAKO/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Bundeswehr muss womöglich binnen kürzester Frist vollständig aus Mali abziehen. Die in Bamako regierenden Militärs haben vergangene Woche vor dem UN-Sicherheitsrat in New York einen schnellstmöglichen Abzug der UN-Blauhelmtruppe MINUSMA gefordert, in deren Rahmen auch über 1.100 deutsche Soldaten in Mali stationiert sind. Hintergrund der Forderung ist zum einen, dass MINUSMA im Land selbst zunehmend als erfolglos und als Instrument der ehemaligen Kolonialmächte eingestuft wird; Proteste, die den Hinauswurf der Truppe fordern, nehmen zu. Zum anderen ist auch in UN-Kreisen unklar, welche Perspektiven MINUSMA nach dem Rückzug diverser westlicher Staaten noch hat; auch die Bundeswehr bereitet ihren Abzug inzwischen vor, freilich laut aktuellen Plänen erst bis Ende Mai kommenden Jahres. Bamako sucht mit dem Schritt seine Souveränität zurückzugewinnen und will mit Unterstützung russischer Militärs und mit Hilfe von Rüstungsgütern aus Russland und China im Kampf gegen die jihadistischen Aufstände bestehen. Nicht nur westliche Kritiker warnen, Mali drohe bei einem raschen Abzug von MINUSMA Chaos. Burkina Faso, das sich in ähnlicher Lage befindet, lobt Bamakos „mutige Entscheidung“. ex.klusiv
Früher Schwerpunkt der Afrikapolitik
Bereits Jahrzehnte vor dem jetzt zu Ende gehenden Bundeswehreinsatz in Mali konzentrierten sich die bundesdeutschen Streitkräfte auf Einflussarbeit in dem Land – auch, um die Stellung der DDR zu schwächen.
BERLIN/BAMAKO (Eigener Bericht) – Mit dem am 1. Juni beginnenden Abzug der Bundeswehr aus Mali geht die jüngste Phase der deutschen Bemühungen um Einfluss in dem westafrikanischen Land dem Ende entgegen. Seit mehr als zehn Jahren sind deutsche Soldaten dort stationiert; die Bundesregierung hat dafür nach offiziellen Angaben rund 3,5 Milliarden Euro ausgegeben. Berlin steht in Bamako heute schwächer da als vor dem Einsatzbeginn. Mali war in den 1960er Jahren ein frühes Schwerpunktland bundesdeutscher Einflussaktivitäten auf dem afrikanischen Kontinent. Dabei ging es darum, das Land, welches eine wichtige Rolle in der Blockfreienbewegung spielte, an den Westen zu binden und zugleich den Einfluss der DDR zurückzudrängen. In diesem Zusammenhang leistete die Bundeswehr in den 1960er Jahren zunächst humanitäre Hilfe in Mali; ab 1972 war sie mit einer Beratergruppe in Bamako vertreten. Ab 1976 trainierte sie darüber hinaus malische Soldaten und Offiziere in der Bundesrepublik; bis in die 1990er Jahre hielten sich mehr als hundert malische Militärs zur Aus- und Fortbildung in der BRD auf. Dann verlagerte sich der Schwerpunkt der deutschen Afrikapolitik vorläufig in andere Gebiete des Kontinents. ex.klusiv
In Westafrika gegen Russland (II)
Streit um Flüge von Aufklärungsdrohnen belastet Bundeswehreinsatz in Mali: Bamako wird der Zugriff auf die Aufnahmen verweigert. Auch Burkina Faso wirft Frankreichs Truppen aus dem Land.
BAMAKO/BERLIN/OUAGADOUGOU (Eigener Bericht) – Vor dem für heute angekündigten Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow in Mali entbrennt die Debatte um den Bundeswehreinsatz in dem westafrikanischen Land erneut. Auslöser ist, dass die malische Militärregierung der Bundeswehr seit Monaten kaum noch gestattet, Flüge mit Drohnen durchzuführen, die als unverzichtbar gelten. Ursache ist, dass Bamako – seit Monaten versuchend, die Kontrolle über das Geschehen im eigenen Land zurückzuerlangen – Aufnahmen und Daten erhalten will, die mit den Drohnen aufgezeichnet werden. Dies aber wird der malischen Regierung offenbar verweigert. Hintergrund ist, dass Bamako immer enger mit Moskau kooperiert, was die westlichen Mächte zu sabotieren suchen. Während der Konflikt um den Bundeswehreinsatz in Mali anhält, vollzieht sich im östlich angrenzenden Burkina Faso eine ganz ähnliche Entwicklung: Auch dort hat die Militärregierung die französischen Streitkräfte zum Verlassen des Landes aufgefordert und bereitet jetzt nach fester Überzeugung von Beobachtern eine Kooperation mit russischen Militärs vor. Beobachter schließen eine solche Entwicklung in noch mehr Staaten Westafrikas nicht aus. ex.klusiv
Der nächste verlorene Krieg
Außenministerin Baerbock setzt Verlängerung des Militäreinsatzes in Mali durch – aus bloß strategischen Gründen. Der Mali-Einsatz ist ebenso gescheitert wie derjenige in Afghanistan.
BAMAKO/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung verschiebt den geplanten Abzug der Bundeswehr aus Mali auf Mai 2024, um ein Jahr länger Deutschlands strategische Interessen im Sahel durchzusetzen. Darauf haben sich Außenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht geeinigt. Während Lambrecht dafür plädiert hatte, den Einsatz mit dem Ende des aktuell laufenden Bundeswehrmandats im Mai 2023 abzuschließen, hatte Baerbock eine Verlängerung gefordert – dies aus Gründen, die mit malischen Interessen nichts zu tun haben: Russlands Einfluss im Sahel müsse abgedrängt werden, erklärte die Außenministerin; außerdem hieß es, eine deutsche Beteiligung am UN-Einsatz in Mali sei vorteilhaft, um für einen erneuten deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu werben. Dass beim Einsatz in Mali rein strategische Interessen dominieren, teilt er mit der Entsendung der Bundeswehr nach Afghanistan Ende 2001. Der dortige Einsatz scheiterte im vergangenen Jahr nach fast zwei Jahrzehnten, die von Kriegsverbrechen, einem Mangel an Aufbauleistungen und westlicher Ignoranz geprägt waren. Er weist viele Parallelen zum gleichfalls gescheiterten Einsatz in Mali auf. ex.klusiv
Kampf um Mali (II)
In Berlin spitzt sich die Debatte über die Zukunft des Mali-Einsatzes zu. Der Einsatz gilt als gescheitert; dennoch soll Moskaus wachsender Einfluss in Bamako geschwächt werden.
BAMAKO/BERLIN (Eigener Bericht) – In Berlin spitzt sich die Debatte über einen etwaigen Abzug der Bundeswehr aus Mali zu. Hintergrund ist neben dem Streit um die deutschen Truppentransporte und um ein offenbar ohne genügende Genehmigung genutztes Militärlager eines privaten, von der Bundeswehr beauftragten Dienstleisters vor allem der Konflikt um die immer engere Militärkooperation zwischen Mali und Russland. Zur wachsenden Präsenz von Soldaten und privaten Militärfirmen aus Russland kommen zunehmende Rüstungslieferungen aus Moskau an Bamako hinzu. Die westlichen Bemühungen, den russischen Einfluss in Mali zurückzudrängen, erfassen längst auch die UN-Operation MINUSMA, die nach dem Willen der westlichen Mächte mutmaßliche Massaker an Zivilisten aufklären soll. Solche Massaker gibt es seit Jahren; sie blieben folgenlos, solange die EU für die Ausbildung malischer Soldaten zuständig war. Die Versuche des Westens, Menschenrechte zu instrumentalisieren, um den russischen Einfluss in Mali zu bekämpfen, führen zu Streit um das neue MINUSMA-Mandat. In Berlin nehmen die Abzugsforderungen ebenso zu wie umgekehrt das Verlangen, Mali „nicht Russland zu überlassen“. ex.klusiv
Kampf um Mali (I)
Konflikt um den Bundeswehreinsatz in Mali dauert an. Bamako kritisiert Eigenmächtigkeiten des Westens, vor allem Frankreichs, darunter Maßnahmen der Spionage und der Subversion.
BAMAKO/BERLIN (Eigener Bericht) – Der Konflikt zwischen Mali und Deutschland um den Einsatz der Bundeswehr in dem westafrikanischen Land dauert an. Zwar konnten vergangene Woche Differenzen um die Ein- und Ausreise deutscher Soldaten geklärt werden: Nachdem sich Berlin bequemt hatte, neue Formalitäten für den Truppentransport einzuhalten, fand am Donnerstag der seit geraumer Zeit geplante Kontingentwechsel der Bundeswehr in Mali statt. Allerdings halten die Auseinandersetzungen um Malis neue Militärkooperation mit Russland an. Zudem schreitet Bamako gegen eigenmächtige Operationen fremder Mächte auf seinem Territorium ein. So wirft es Frankreich vor, allein in diesem Jahr Dutzende nicht genehmigte Luftoperationen in Mali durchgeführt zu haben, teils zum Zweck der Spionage und der Subversion. Die malische Regierung fordert deshalb eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats. Zudem geht Bamako gegen einen privaten Auftragnehmer der Bundeswehr vor, der angeblich ohne ausreichende Genehmigung ein Militärcamp am Flughafen von Malis Hauptstadt betrieben hat. Hintergrund sind nicht zuletzt Befürchtungen über einen westlich inspirierten Umsturz in Bamako. ex.klusiv
„Nicht Russland überlassen”
Bundesregierung bereitet Umgruppierung des gescheiterten Bundeswehreinsatzes in Mali vor, wo jetzt russische Militärs tätig sind. Moskau weitet Militärkooperation in Afrika aus.
BAMAKO/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung bereitet eine Umgruppierung des Bundeswehreinsatzes in Mali vor. Wie Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bekräftigt, sollen die zuletzt 300 deutschen Soldaten, die im Rahmen des Trainingseinsatzes EUTM Mali als Militärausbilder aktiv waren, ihre Tätigkeit einstellen; EUTM Mali wird allenfalls noch auf Beraterebene in kleinem Maßstab fortgeführt. Aufgestockt werden soll aber das deutsche Kontingent beim UN-Einsatz MINUSMA: auf bis zu 1.400 Soldaten. Die Umgruppierung erfolgt zum einen, weil der seit neun Jahren andauernde Einsatz erfolglos geblieben ist; die Jihadisten, die im Jahr 2013 in Nordmali operierten, sind inzwischen auch im Zentrum des Landes sowie in mehreren Nachbarstaaten präsent. Hinzu kommt, dass Militärberater sowie private Militärfirmen aus Russland begonnen haben, die Streitkräfte in Mali zu unterstützen; Aktivitäten an ihrer Seite kommen für Berlin und Brüssel nicht in Betracht. Moskau weitet trotz des Ukraine-Krieges seine Militärkooperation mit Staaten des afrikanischen Kontinents aus – zuletzt in Kamerun und Sudan. ex.klusiv
Koloniale Reflexe (III)
Bundeswehr gerät in Mali durch Frankreichs Truppenabzug unter Druck. Widerstand gegen die ehemaligen Kolonialmächte wächst im gesamten Sahel. Protest nimmt auch in Niger zu.
BAMAKO/BERLIN/PARIS (Eigener Bericht) – Die Bundeswehr gerät in Mali durch den französischen Truppenabzug und durch harte Reaktionen der malischen Militärregierung auf Frankreichs eigenmächtiges Vorgehen in zunehmendem Maß unter Druck. Die in Mali stationierten französischen Truppen werden, wie Präsident Emmanuel Macron vergangene Woche bekanntgab, aus Mali abgezogen, sollen sich dafür allerdings bis zu einem halben Jahr Zeit lassen. Die malische Regierung, empört, dass Paris es einmal mehr nicht für nötig gehalten hat, die Maßnahme angemessen mit ihr abzustimmen, fordert den sofortigen Abzug. Ohne die französischen Militärs fehlen den deutschen MINUSMA-Blauhelmsoldaten Unterstützung und unter Umständen auch medizinische Versorgung. In Berlin ist umstritten, ob die Bundeswehr in Mali bleiben soll: Einem möglichen Abzug an der Seite Frankreichs steht ein weiterer Einflussverlust im Sahel entgegen. Als grundsätzlich denkbar gilt eine Verlegung von Truppen in Malis Nachbarstaat Niger, dessen Regierung zur Kooperation mit den Staaten Europas bereit ist. Allerdings nimmt auch in der nigrischen Bevölkerung der Unmut über die ehemaligen Kolonialherren zu. ex.klusiv
Koloniale Reflexe (II)
Die Entscheidung über ein mögliches Ende des Bundeswehreinsatzes in Mali steht bevor. Malis Ministerpräsident warnt, man könne das Land nicht mehr zum „Sklaven“ machen.
BAMAKO/PARIS/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Debatte um ein Ende des Einsatzes der Bundeswehr in Mali gewinnt an Fahrt. Frankreich will bis Mitte des Monats entscheiden, wie bzw. ob es seine Militärintervention in dem westafrikanischen Land fortsetzen will. Ursache ist, dass die Militärregierung in Bamako sich die Bevormundung und das eigenmächtige Vorgehen der ehemaligen Kolonialmacht und anderer Staaten Europas nicht mehr bieten lässt und offen dagegen opponiert. Zuletzt hat sie in Reaktion auf schwere Beschuldigungen des französischen Außenministers den französischen Botschafter aus dem Land geworfen und die Pariser Sahelpolitik heftig kritisiert; man könne Mali nicht „in einen Sklaven transformieren“, erklärte Ministerpräsident Choguel Maïga zu Wochenbeginn: „Das ist vorbei.“ Eine für diese Woche geplante Reise von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht nach Mali wurde kurzfristig abgesagt. In Berlin wird erwogen, den EU-Ausbildungseinsatz abzubrechen, aber sich weiter am UN-Einsatz MINUSMA zu beteiligen. Wie ein Korrespondent aus Bamako berichtet, sind „viele Menschen“ über die Aussicht, die EU-Truppen könnten abziehen, „hocherfreut“. ex.klusiv