Patriots für Polen
Berlin wird deutsche Patriot-Flugabwehrsysteme in Polen stationieren und bindet das Land damit faktisch in die europäische Luftverteidigungsinitiative ein, die Warschau bisher meidet.
WARSCHAU/BERLIN (Eigener Bericht) – Berlin hat sich gegen Widerstände in Warschau durchgesetzt und wird nun doch deutsche Patriot-Flugabwehrsysteme in Polen stationieren. Dies bestätigen die Verteidigungsministerien beider Länder. Wie es heißt, müssen nur noch die Einsatzdetails abgestimmt werden. Deutsche Flugabwehreinheiten wären dann – neben der Slowakei – in einem zweiten EU-Staat im Einsatz. Dies passt zu den Bestrebungen Berlins, unter deutscher Führung eine europäische Luftverteidigung aufzubauen (European Sky Shield Initiative, ESSI). Polen nimmt nicht an ihr teil: Es organisiert seine Flugabwehr bislang in enger Kooperation mit den Vereinigten Staaten, auf die es militärisch ohnehin orientiert. Dabei will es an der Seite der USA laut Auskunft seines Verteidigungsministers Mariusz Błaszczak „die mächtigsten Landstreitkräfte in Europa“ aufbauen. Ein hochrangiger US-Militär bestätigt: „Polen ist unser wichtigster Partner in Kontinentaleuropa geworden“. Mit der Stationierung der Patriot-Systeme bindet Berlin Polen nicht förmlich, aber doch faktisch in die ESSI ein. Zwei von deren drei Systemen werden in Deutschland produziert – in Zukunft auch das US-amerikanische Patriot-System. ex.klusiv
Das Recht des Täters
Kanzler Scholz bestätigt in Athen Berlins Weigerung, Reparationen und Entschädigungen für NS-Massenverbrechen zu zahlen. Italien entschädigt Italiener jetzt aus eigenen Mitteln.
BERLIN/ATHEN/WARSCHAU/ROM (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung bekräftigt zum wiederholten Mal ihre kategorische Weigerung, Reparationen oder Entschädigungen für NS-Massenverbrechen zu zahlen. Die „Reparationsfrage“ sei „abgeschlossen“, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gestern bei einem Besuch in Athen. Griechenland besteht darauf, die Schäden erstattet zu bekommen, die bei seiner Verwüstung im Zweiten Weltkrieg durch die deutschen Besatzer entstanden. Die Schadenssumme wird auf über 288 Milliarden Euro beziffert; rechnet man Entschädigungen für Angehörige von NS-Opfern hinzu, dann könnte der Gesamtbetrag 420 Milliarden Euro übersteigen. Polen fordert gleichfalls Reparationen und beziffert sie auf einen Gesamtbetrag von über 1,3 Billionen Euro. Polens Forderung hat Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) eine Absage erteilt. Auf Entschädigung können mittlerweile Angehörige von NS-Opfern in Italien hoffen – freilich nicht, weil Berlin sich zur Zahlung bereit erklärt hätte, sondern weil Rom einen Entschädigungsfonds aufgelegt hat, den es selbst finanziert. Italien zahlt demnach für deutsche Massenverbrechen an seinen eigenen Bürgern. ex.klusiv
Machtkämpfe hinter der Front
Der transatlantische Machtkampf um die Dominanz in Ost- und Südosteuropa spitzt sich zu – mit Blick auf die Aufrüstung, die Energieversorgung und den Wiederaufbau der Ukraine.
WASHINGTON/WARSCHAU/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Machtkämpfe zwischen Washington und Berlin um die dominante Stellung in Ost- und Südosteuropa spitzen sich zu und erreichen die Auseinandersetzungen um den Wiederaufbau der Ukraine. Hatte zunächst die EU-Kommission die Führung beim Wiederaufbau des Landes reklamiert, so heißt es nun in Washington, Brüssel fehle dazu das „politische und finanzielle Gewicht“; die Führung müsse vielmehr bei den Vereinigten Staaten liegen. Parallel dazu verdrängen die USA in Polen eine von Berlin forcierte Initiative zur Schaffung einer europäischen Flugabwehr und sind dabei, Polen als Drehscheibe für die Verbreitung von US-Nukleartechnologie in Ost- und Südosteuropa zu etablieren – auf Kosten der französischen Atomindustrie. Nicht zuletzt beginnen sie Ost- und Südosteuropa in einen weiteren Absatzmarkt für verflüssigtes US-Frackinggas zu transformieren; dabei nutzen sie die Drei-Meere-Initiative, ein regionales Projekt, das zwölf Staaten zwischen Ostsee, Adria und Schwarzem Meer umfasst und 2015 auf Vorschlag Washingtons initiiert wurde, unter anderem von Polen. Die Initiative läuft deutschen Interessen in der Region zuwider. ex.klusiv
„Willkommen in Guantanamo!”
Amnesty International prangert Misshandlung von Flüchtlingen in Litauen sowie rassistische Diskriminierung nichtweißer gegenüber ukrainischen Flüchtlingen an, spricht von „Folter“.
VILNIUS/WARSCHAU/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Litauische Grenzbeamte und Lagerwächter misshandeln regelmäßig nichtweiße Flüchtlinge und brechen dabei mit ihrem Vorgehen das Völkerrecht. Das belegt eine neue Untersuchung, die Amnesty International heute veröffentlicht. Demnach wurden Flüchtlinge bei der illegalen Zurückweisung an Litauens Grenze zu Belarus etwa in einen Fluss mit brusthohem Wasser getrieben. Andere wurden mit Stöcken und mit Elektroschockern malträtiert. Die Lebensbedingungen in Litauens Internierungszentren kommen laut Amnesty „Folter gleich“. Explizit prangert die Organisation die Diskriminierung nichtweißer gegenüber ukrainischen Flüchtlingen an, die mit offenen Armen empfangen werden. Nichtweiße Flüchtlinge hingegen sind an den Grenzen wie auch in den Lagern zusätzlich einem krassen Rassismus ausgesetzt. Ähnliche Verhältnisse hatte Amnesty bereits im April in Polen festgestellt. Amnesty schreibt der EU und insbesondere der EU-Kommission unter ihrer deutschen Präsidentin Ursula von der Leyen Mitverantwortung zu: Brüssel unterstützt die Grenzabschottung, nimmt aber Misshandlungen und Völkerrechtsbrüche an den Grenzen faktisch hin. ex.klusiv
Flüchtlingssterben im Niemandsland (III)
Wieder Todesopfer an der EU-Außengrenze. Brüssel schafft mit neuen Sanktionen ein neues Mittel zur Flüchtlingsabwehr. Polen und baltische Staaten verstärken Militäraktivitäten an der Ostgrenze.
BRÜSSEL/WARSCHAU/MINSK (Eigener Bericht) - Trotz erneuter Todesopfer im Niemandsland an der polnisch-belarussischen Grenze blockiert die Bundesregierung Hilfsangebote und räumt Sanktionen gegen Belarus Priorität vor Maßnahmen gegen die humanitäre Krise ein. Während sie ein Angebot der Stadt München weiterhin ignoriert, Flüchtlinge aufzunehmen und ihnen ein reguläres Asylverfahren zu ermöglichen, lobt Außenminister Heiko Maas den gestern von ihm und seinen EU-Amtskollegen gefassten Beschluss, ein neues Sanktionsinstrument zu schaffen, das die Unterstützung nicht erwünschter Migration mit Strafe belegt. Geplant ist unter anderem, die Fluggesellschaft Belavia zu sanktionieren, weil sie Flüchtlinge nach Minsk gebracht hat. Damit steht der EU künftig ein weiteres Mittel für die Flüchtlingsabwehr zur Verfügung. Maas stellt noch mehr Sanktionen gegen Belarus in Aussicht und kündigt an: "Wir werden diesen Weg der Härte jetzt weitergehen". Gleichzeitig dauern militärische Aktivitäten der östlichen EU- bzw. NATO-Staaten an der Grenze zu Belarus an. Litauens Außenminister verlangt, der Minsker Flughafen solle zu einer "Flugverbotszone" werden. ex.klusiv
Flüchtlingssterben im Niemandsland (II)
EU debattiert im Kampf gegen Flüchtlinge über die Zulassung völkerrechtswidriger Pushbacks und zieht Sanktionen gegen Fluggesellschaften in Betracht, deren Dienstleistungen Flüchtlinge nutzen.
BERLIN/BRÜSSEL/WARSCHAU (Eigener Bericht) - In ihrem erbitterten Kampf gegen Flüchtlinge zieht die EU die Zulassung offener Völkerrechtsbrüche an den EU-Außengrenzen in Betracht und droht mit einer Sanktionsschlacht gegen Fluggesellschaften. Anlass sind die Flüchtlinge, die über die Grenze zwischen Belarus und Polen in die Union zu gelangen suchen. Warschau schottet die Grenze immer härter ab; mindestens acht Flüchtlinge sind mittlerweile im Niemandsland zu Tode gekommen. UN-Organisationen laufen Sturm. Obwohl zahlreiche Flüchtlinge aus Ländern stammen, die von europäischen Staaten per Krieg zerstört (Afghanistan, Irak) oder durch die Förderung bewaffneter Aufstände und durch Sanktionen ruiniert wurden (Syrien), ist die EU nicht bereit, sie aufzunehmen; stattdessen wird in Brüssel nun die Zulassung von Pushbacks diskutiert, die laut Genfer Flüchtlingskonvention illegal sind. Zudem stellt die Union Sanktionen gegen Fluggesellschaften in Aussicht, mit deren Flugzeugen Flüchtlinge nach Belarus gelangen; erwogen wird der Entzug von Landerechten. Betroffen sind Airlines aus der Türkei, aus Russland, den Vereinigten Arabischen Emiraten und weiteren Ländern. ex.klusiv
Flüchtlingssterben im Niemandsland
Flüchtlingsabwehr beschäftigt den heute beginnenden EU-Gipfel. 14 Mitgliedstaaten fordern EU-Gelder zum Bau meterhoher Stacheldrahtzäune an den EU-Außengrenzen.
BERLIN/BRÜSSEL (Eigener Bericht) - Die weitere Ausdehnung völkerrechtswidriger Pushbacks an den EU-Außengrenzen und der Bau meterhoher Grenzanlagen aus Stacheldraht beschäftigen den heute beginnenden EU-Gipfel. Zum einen haben Recherchen kürzlich per Videodokumentation bewiesen, dass die seit vielen Jahren dokumentierten und kritisierten Pushbacks an den EU-Außengrenzen von regulären Polizeieinheiten mit Mitteln aus Brüssel durchgeführt werden. Zum anderen fordern 14 EU-Mitglieder, darunter Polen und die baltischen Staaten, EU-Zuschüsse für die physische Abschottung ihrer Grenzen. Weil Polen Flüchtlingen illegal die Einreise verweigert und zudem das Grenzgebiet per Verhängung des Ausnahmezustands für Hilfsorganisationen gesperrt hat, sind bisher mindestens sieben Flüchtlinge im Niemandsland zwischen Polen und Belarus ums Leben gekommen. Bundesinnenminister Horst Seehofer lobt die polnische Flüchtlingsabwehr an der Ostgrenze des Landes und schlägt gemeinsame deutsch-polnische Grenzpatrouillen zur Verhinderung der Einreise von Flüchtlingen nach Deutschland vor. ex.klusiv
Wer das Recht spricht (II)
Der Konflikt zwischen der EU und Polen um die Rechtsstaatlichkeit spitzt sich zu. Warschau beruft sich dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
KARLSRUHE/BRÜSSEL/WARSCHAU (Eigener Bericht) - Vor wichtigen Entscheidungen im Konflikt zwischen der EU und Polen um die Rechtsstaatlichkeit warnt EU-Justizkommissar Didier Reynders vor gravierenden Folgen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Das oberste deutsche Gericht hatte vergangenes Jahr den prinzipiellen Vorrang des EU-Rechts vor nationalem Recht abgestritten und den Anspruch erhoben, in manchen Fällen Beschlüsse des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ignorieren zu dürfen. Denselben Anspruch vertritt die Regierung Polens. Für die kommende Woche werden diesbezüglich wichtige Entscheidungen beim EuGH sowie beim polnischen Verfassungsgericht erwartet. Zur Schadensbegrenzung hat die EU-Kommission vergangenen Monat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, nachdem das Bundesverfassungsgericht nicht bereit war, mit geringfügigen Zugeständnissen den Weg für eine Lösung des Konflikts freizumachen. EU-Kommissar Reynders warnt vor einer Kettenreaktion und vor weitreichenden Konsequenzen für den inneren Zusammenhalt der Europäischen Union. ex.klusiv
Achthundert Milliarden
Eine große Koalition deutscher Parlamentsparteien bietet Polen Wohlfahrt an. Kommentar von Hans-Rüdiger Minow
Mehrere hundert Abgeordnete des Deutschen Bundestags haben in Warschau größere Baumaßnahmen vor. Die überparteiliche Formation reicht von rechts bis links und diskutiert deutsche Pläne zur Umgestaltung der polnischen Hauptstadt. In den 1940er Jahren - überall tobte Krieg - war sie zerstört worden. Endlich könne Warschau wieder verschönert werden: mit historischem Fingerspitzengefühl und deutschem Geld aus einem "Polen-Fonds". Erörtert wird in Berlin die Wiedererrichtung eines riesigen Barockschlosses, des "Pałac Saski" aus dem Warschau des 18. Jahrhunderts. Es würde an das Königreich Polen erinnern: als Polen unter sächsischer Herrschaft stöhnte ("Sachsen-Polen") - eine ernst gemeinte Idee aus dem Fundus deutscher Polen-Institute. In Warschau haben sich demnach auch Museen und Bibliotheken auf umfangreiche Baumaßnahmen einzustellen. Mit Mitteln des "Polen-Fonds" würden sie erweitert werden, um Platz für Kulturgüter aus der Bundesrepublik zu schaffen. In größeren Mengen und teilweise schon seit mehreren Jahrhunderten lagern sie in Deutschland, da leider in Polen abhanden gekommen, als auf "Sachsen-Polen" noch ganz andere Regime deutscher Herrschaft folgten. Sie überführten das polnische Kulturerbe bei Nacht und Nebel nach Berlin, quasi um es vor Raub und Zerstörung zu bewahren. Allerdings würden die polnischen Artefakte deutsches Eigentum bleiben und den Warschauer Museen nur leihweise zur Verfügung gestellt werden können, heißt es einfühlsam in der deutschen Hauptstadt. ex.klusiv
BERLIN/WARSCHAU (Eigener Bericht) - Die polnische Regierung weist die Forderung Berlins nach entschädigungsloser "Vergebung" für die deutschen Menschheitsverbrechen in Polen zurück und besteht auf der Zahlung von Reparationen. Es genüge nicht, einfach nur um Verzeihung zu bitten, sagte der Warschauer Beauftragte für Reparationsforderungen am gestrigen Dienstag: "Für die Schäden muss man Polen bezahlen." Der Bericht einer polnischen Parlamentskommission, der den notwendigen Betrag auf 850 Milliarden Euro beziffert, soll in Kürze veröffentlicht werden. Seine Publikation zum 1. September, dem Jahrestag des deutschen Einmarschs in Polen, war mit Rücksicht auf zwei Auftritte des Bundespräsidenten in Warschau und Wieluń verschoben worden. Frank-Walter Steinmeier hatte dort erklärt, er "verneige" sich "vor den polnischen Opfern der deutschen Gewaltherrschaft" und "bitte um Vergebung". Bereitschaft, der demonstrativ zur Schau gestellten Zerknirschung materiellen Ausdruck in Form von Entschädigungen zu verleihen, zeigte der Bundespräsident nicht. Berlin begründet die Reparationsverweigerung mit juristischen Tricks. ex.klusiv