Die Weltordnung und ihre Profiteure
Kanzler Scholz hat in Argentinien den Bezug von Frackinggas angebahnt. Fracking löst in der Förderregion viele Erdbeben aus. Argentinien sucht westliche Dominanz abzuschütteln.
BUENOS AIRES/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung bemüht sich um den Bezug größerer Mengen an Frackinggas aus Argentinien. Das ist ein Ergebnis der dreitägigen Südamerikareise, von der Bundeskanzler Olaf Scholz am heutigen Dienstag zurückkehrt. Das Gas soll in verflüssigter Form importiert werden und dazu beitragen, russisches Erdgas vollständig zu ersetzen. Es wird aus der Schieferformation Vaca Muerta („Tote Kuh“) im Westen Argentiniens gefördert, wo auch das deutsche Unternehmen Wintershall Dea tätig ist. Einwohner der Region klagen seit Jahren über gravierende Umweltschäden und darüber, dass seit Beginn des Frackings hunderte Erdbeben verzeichnet wurden. Während Berlin sich dort mit Gas eindecken will, unternimmt Buenos Aires neue Schritte, um die überkommene westliche Dominanz abzuschütteln. So hat es etwa die Mitgliedschaft im BRICS-Bündnis beantragt und dies damit begründet, die gegenwärtige „Weltordnung“ sei „erwiesenermaßen von und zum Nutzen einiger weniger geschaffen“ worden. Jüngste westliche Forderungen, Waffen aus russischer Produktion in seinen Beständen an die Ukraine zu liefern, weist Argentinien kategorisch zurück. ex.klusiv
BERLIN/CIUDAD DE MÉXICO/BUENOS AIRES (Eigener Bericht) - Auf einer Reise nach Argentinien und Mexiko hat Bundeskanzlerin Angela Merkel vergangene Woche die Spannungen zwischen US-Präsident Donald Trump und Lateinamerika zum Ausbau der deutschen Stellung auf dem Subkontinent zu nutzen gesucht. In beiden Ländern ging es um einen Ausbau der Geschäfte; während Berlin Argentinien über ein Freihandelsbündnis mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur enger anbinden will, ist in Mexiko eine Ausweitung von Ex- und Import auf Grundlage des bestehenden Freihandelsvertrags geplant. Um den Ausbau des Lateinamerikageschäfts hat sich die Bundesregierung bereits lange vor Trumps Wahlsieg bemüht; dessen Drohungen mit dem Bau einer Grenzmauer und der Aufkündigung des Freihandelsvertrags NAFTA treiben die Länder der Region nun aber Berlin geradezu in die Arme. Merkel hat dies mit einer öffentlichen Kritik an den Mauerbauplänen in Mexiko verstärkt. Der Coup ist gelungen, obwohl auch die EU sich auf Druck der Bundesregierung mit mauerähnlichen Abschottungsanlagen umgibt. Das deutsche Bemühen, den eigenen Einfluss in Lateinamerika auszuweiten, richtet sich zugleich gegen China. ex.klusiv
BERLIN/BUENOS AIRES (Eigener Bericht) - Begleitet von Protesten verhandelt der argentinische Staatspräsident Mauricio Macri am heutigen Dienstag in Berlin über den Ausbau der bilateralen Kooperation. Macri, der im Dezember 2015 sein Amt angetreten hat, ist dabei, Argentinien nach neoliberalen Modellen zu transformieren. Deutsche Unternehmen nutzen dies, um in dem Land zu investieren; von neuen Investitionsvorhaben im Wert von rund drei Milliarden Euro ist die Rede. Außerdem treibt Macri die Anbindung Argentiniens an die Pazifik-Allianz voran. Bei dieser handelt es sich um einen Zusammenschluss neoliberal geprägter Pazifik-Anrainer in Lateinamerika, die ihre Kooperation mit den prowestlichen Staaten im Süden und im Westen des Pazifischen Ozeans in enger Bindung an die USA stärken wollen; Ziel ist der Aufbau eines Bündnissystems, das auf die Eindämmung der Volksrepublik China orientiert. Die Bundesregierung hat schon Anfang des Jahres begonnen, Macri zu unterstützen. Greifbarstes Ergebnis seiner Amtsführung ist neben umfassender Deregulierung der Wirtschaft die massive Zunahme von Armut: Binnen nur weniger Monate sind in Argentinien rund 1,4 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze gestürzt. ex.klusiv
BUENOS AIRES/BERLIN (Eigener Bericht) - Die Bundesregierung will ihre Zusammenarbeit mit dem rechtsliberal gewendeten Argentinien intensivieren und zielt auf die systematische Stärkung transatlantischer Positionen in Lateinamerika. Wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier am gestrigen Donnerstag bei seinem Besuch in Buenos Aires erklärte, wolle er dazu das "neue Momentum" nach dem Amtsantritt des umstrittenen Staatspräsidenten Mauricio Macri nutzen. Macri, der - wie die neue Regierung Brasiliens - der reichen Elite seines Landes entstammt, ist mit Massenprotesten konfrontiert, die sich unter anderem gegen Massenentlassungen und exzessive Strom-, Wasser- und Gaspreiserhöhungen richten. Zugleich nähert er Argentinien, das unter seiner Amtsvorgängerin auf eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber den transatlantischen Mächten bedacht war, an die USA und die EU an. So unterstützt er etwa die Bemühungen um den Abschluss eines EU-Freihandelsabkommens mit dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur, an dem vor allem die deutsche Exportindustrie ein starkes Interesse hat. Die politische Entwicklung in Südamerika verheißt Berlin neue Chancen - nicht zuletzt im gemeinsam mit Washington geführten Einflusskampf gegen China. ex.klusiv
- (Wolfgang Kaleck)
FRANKFURT Über die bundesdeutsche Zusammenarbeit mit der argentinischen Militärdiktatur und den heutigen Umgang damit sprach german-foreign-policy.com mit Wolfgang Kaleck. Kaleck arbeitet seit zwölf Jahren als Rechtsanwalt der Koalition gegen Straflosigkeit, die Strafverfahren in Deutschland wegen der rund 100 Fälle von den argentinischen Militärs verschleppter und ermordeter Deutscher betreibt. Er leitet die juristische Menschenrechtsorganisation ECCHR und ist Autor des kürzlich erschienenen Buches "Kampf gegen die Straflosigkeit. Argentiniens Militärs vor Gericht" (Verlag Klaus Wagenbach), in dem er die Zeit der Militärdiktatur und den Kampf der Menschenrechtsbewegung um die Aufarbeitung der damaligen Verbrechen beschreibt. ex.klusiv
Bundesrepublik Deutschland-Argentinien 1976-1983 Aktualisierte Neuauflage mit Ergänzungen des Autors und Beiträgen von Kuno Hauck, Osvaldo Bayer, Wolfgang Kaleck, Roland Beckert, Esteban Cuya Bad Honnef 2006 (Horlemann) 288 Seiten 14,90 Euro ISBN 9783895022203 ex.klusiv
BUENOS AIRES/FRANKFURT AM MAIN (Eigener Bericht) - Deutschland will seine Beziehungen zu dem diesjährigen Gastland der Frankfurter Buchmesse, Argentinien, weiter ausbauen. Das bestätigt der deutsche Außenminister. Wie Guido Westerwelle anlässlich der Eröffnung der Buchmesse erklärt, sei Argentinien wegen seiner europäischen Prägung "ein natürlicher Partner" für Deutschland. Vor allem das Wachstum der argentinischen Wirtschaft mache das Land "interessant". Argentinien hat seine heutige Bedeutung als Produktionsstandort sowie als Absatzmarkt für die deutsche Industrie in den Zeiten der Militärdiktatur erlangt. Die Militärs in Buenos Aires ermöglichten es damals der Bundesrepublik, zu ihrem drittgrößten Handelspartner und zu einem der bedeutendsten Investoren aufzusteigen. Preis war die Duldung schwerster Menschenrechtsverbrechen durch Bonn, das nicht ernsthaft gegen die Massenmorde im Auftrag der argentinischen Diktatoren intervenierte. Obwohl Berlin sich inzwischen um die Angehörigen der ermordeten Opfer bemühe, lehne das Auswärtige Amt nach wie vor eine Untersuchung seiner damaligen Politik ab, berichtet der Rechtsanwalt und Leiter der juristischen Menschenrechtsorganisation ECCHR, Wolfgang Kaleck, im Gespräch mit dieser Redaktion. Kaleck erinnert daran, dass in der Berliner Außenpolitik gegenüber Staaten wie Kolumbien Wirtschaftsinteressen weiterhin Vorrang gegenüber Menschenrechten genießen. ex.klusiv
BERLIN/BUENOS AIRES/SANTIAGO DE CHILE (Eigener Bericht) - Mit einem Ausbau der Militärkooperation bemüht sich die Bundesregierung um die stärkere Einbindung südamerikanischer Armeen in die deutsch-europäischen Kriegsprogramme. Im Zentrum der Pläne stehen Argentinien und Chile - zwei Länder, die seit langem zu den engsten militärischen Verbündeten Berlins in Südamerika zählen. Deutsche Rüstungsfirmen beliefern deren Armeen mit Waffensystemen, die Ausbildung übernehmen Bundeswehrsoldaten auf Stützpunkten vor Ort. Dabei kommen Deutschland Bestrebungen auf dem Subkontinent zugute, die eigenen Militäraktivitäten weltweit zu intensivieren. Buenos Aires und Santiago unterhalten seit kurzer Zeit ein binationales Truppenkontingent ("Cruz del Sur", "Kreuz des Südens"), das sich am Modell des deutsch-französischen Bataillons orientiert und zu einem südamerikanischen Militärbündnis ausgebaut werden soll. Bereits jetzt beteiligt sich "Cruz del Sur" an der Seite der Bundeswehr an Interventionen auf mehreren Kriegsschauplätzen der Welt. Erst vor wenigen Tagen ist Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan von einer Sondierungsreise nach Argentinien und Chile zurückgekehrt - zwecks weiterer Intensivierung der Kooperation. ex.klusiv
WIEN/BUENOS AIRES/BERLIN (Eigener Bericht) - Mit einem milliardenschweren Finanzierungsprogramm wollen Berlin und Brüssel die Expansionschancen europäischer Unternehmen in Lateinamerika vergrößern. Dazu soll bei dem heute in Wien beginnenden Gipfeltreffen mit 33 Staaten Lateinamerikas und der Karibik ein so genannter Infrastrukturfonds aufgelegt werden. Das Volumen beträgt vier Milliarden Euro und hat zum Ziel, Investitionen europäischer Unternehmen zu erleichtern sowie Rückschläge auszugleichen, die Brüssel in der jüngeren Vergangenheit auf dem lateinamerikanischen Subkontinent erlitten hat. Ein schweren Einbruch bei der Wirtschaftsexpansion stellt das bisherige Scheitern von Freihandelsabkommen dar, wie sie die deutsche Industrie seit Jahren fordert. Berlin befürchtet, Marktanteile an die Vereinigten Staaten zu verlieren und dem wachsenden Einfluss der Volksrepublik China nicht entschieden genug entgegentreten zu können. Auf dem Spiel stehe der deutsche Einfluss in der "einzige(n) Region" außerhalb Europas, "in der die deutsche Industrie eine strategische Stellung in verschiedenen Sektoren besitzt", heißt es beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). ex.klusiv
SANTIAGO DE CHILE/HAMBURG (Eigener Bericht) - Mit einem kontinental angelegten Einflussprojekt forciert die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung die länderübergreifende Zusammenarbeit der südamerikanischen Sicherheitsapparate und schwächt damit US-Positionen in den beteiligten Staaten. Während Washington traditionell über starken Einfluss bei den lateinamerikanischen Militärs verfügt und den Kampf gegen Drogenhandel zum Anlass für repressive Einmischungsversuche nimmt, zielt die deutsche Stiftung nun selbst auf diese Bereiche. Südamerikanische Überlegungen, die einen eigenen militärpolitischen Zusammenschluss in Betracht ziehen und ebenfalls eine Schwächung US-amerikanischer Positionen zur Folge hätten, sind Gegenstand detaillierter Forschungen des staatsfinanzierten Hamburger Instituts für Iberoamerika-Kunde. Das Institut bedient Expansionsinteressenten in Wirtschaft und Politik. ex.klusiv