„Kein Platz für Brandmauern“

AfD erhält zunehmend Unterstützung aus der Trump-Administration. Die umgibt sich mit Netzwerken, die sich laut aktuellen Recherchen als neue „Aristokratie“ mit Herrschaftsrecht begreifen. Neuer Rechtsruck droht auch im Europaparlament.

BRÜSSEL/BERLIN/WASHINGTON (Eigener Bericht) – Die AfD erhält rasch wachsende Unterstützung aus dem Weißen Haus. Zugleich steht im Europaparlament womöglich erneut ein – diesmal einschneidender – Bruch mit dem cordon sanitaire („Brandmauer“) gegenüber der äußersten Rechten bevor. Zu Letzterem könnte sich die konservative EVP-Fraktion entschließen; um eine krasse Abschwächung der Lieferkettenrichtlinie durch das Parlament zu bringen, zieht sie eine Zusammenarbeit mit ultrarechten Fraktionen wie der EKR und den Patriots for Europe in Betracht. Auf der Abschwächung der Richtlinie beharren unerbittlich die deutsche Wirtschaft und Bundeskanzler Friedrich Merz. Die AfD wiederum profitiert davon, dass mehrere ihrer Politiker zuletzt im Weißen Haus sowie im US-Außenministerium empfangen wurden. Washington beginnt Druck auf Berlin auszuüben, die Ausgrenzung der AfD zu beenden, und sendet einen Trump-Wahlkampfstrategen zur Beratung der Partei nach Berlin. Der Mann sieht Trump und die AfD im „spirituellen Krieg“ gegen „Marxisten“ und „Globalisten“. Die Trump-Administration, die die äußerste Rechte protegiert, umgibt sich zugleich mit Milliardärsnetzwerken, die sich als neue „Aristokratie“ mit legitimem Herrschaftsrecht begreifen.

Die Erwartung der Wirtschaft

Ausgangspunkt für die aktuellen Auseinandersetzungen im Europaparlament war, dass der Versuch, die Lieferkettenrichtlinie im Interesse der Wirtschaft aufzuweichen, am 22. Oktober gescheitert war. Einem Entwurf dafür, auf den sich vorab die Fraktionen der Konservativen (EVP), der Liberalen (Renew) und der Sozialdemokraten (S&D) geeinigt hatten, verweigerten mehrere Abgeordnete – angeblich Mitglieder der S&D – letzten Endes die Zustimmung. Daraufhin hatte es heftige Kritik vor allem von konservativen Politikern und aus der Industrie gegeben. Bundeskanzler Friedrich Merz warf dem – im Unterschied zu anderen Gremien der EU immerhin demokratisch gewählten – Europaparlament eine „fatale Fehlentscheidung“ vor, nannte sein Votum „inakzeptabel“ und erklärte: „Das kann so nicht bleiben“.[1] Auch aus der Wirtschaft kamen schroffe Reaktionen. Er sei „wütend und fassungslos“, hatte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, in einer ersten Stellungnahme geäußert.[2] Die „Erwartung der Wirtschaft“ an die europäische Politik sei „klar“, hieß es vergangene Woche in einem Offenen Brief, den diverse deutsche Wirtschaftsverbände unterzeichnet hatten: Ein kräftiger „Bürokratieabbau“ müsse umgehend „entschlossen umgesetzt werden“.[3]

Zwei Wege zum Gewinn

Um die Abschwächung der Lieferkettenrichtlinie doch noch realisieren zu können, hat zum einen die Parlamentsspitze um Parlamentspräsidentin Roberta Metsola für diesen Donnerstag eine erneute Abstimmung anberaumt. Zum anderen hat die EVP in der vergangenen Woche einen zweiten Entwurf präsentiert, der deutlich weiter reichende Einschränkungen umfasst; er gilt für die S&D als nicht zustimmungsfähig.[4] Verabschiedet werden könnte er lediglich mit der Zustimmung ultrarechter Fraktionen – nicht nur der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) um die Fratelli d’Italia (FdI) von Giorgia Meloni und der Patriots for Europe (PfE) um den Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen, sondern womöglich auch der Fraktion Europa der Souveränen Nationen (ESN) um die AfD. Käme es dazu, dann normalisierte sich die Zusammenarbeit der EVP mit den ultrarechten Fraktionen noch stärker. Die S&D und auch die Fraktion der Grünen sehen sich damit unter gesteigertem Druck, eine von ihnen prinzipiell abgelehnte Maßnahme zu billigen, um eine erneute ultrarechte Mehrheit zu verhindern.[5] Als Gewinner zeichnet sich die Wirtschaft ab: Sie wird die Abschwächung der Lieferkettenrichtlinie entweder mit Hilfe von EKR, PfE und ESN oder mit Hilfe einer erpressten S&D-Fraktion erhalten.

Einladung ins Weiße Haus

Zerkrümelt die einstige strikte Abgrenzung gegenüber der äußersten Rechten, der cordon sanitaire, im Europaparlament immer mehr, so gelingt es der AfD, ihre Position auch national kontinuierlich zu stärken. Weiterhin sehen mehrere Umfragen sie mit 26 Prozent als stärkste Kraft vor den Unionsparteien. Darüber hinaus erhält sie schnell wachsende Unterstützung aus der Trump-Administration. Mitte September wurden die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch, sowie der Ex-Kandidat zur Bürgermeisterwahl in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz), Joachim Paul, im Weißen Haus empfangen, insbesondere von Mitarbeitern von Vizepräsident JD Vance und von Angestellten des Außenministeriums. Ein Folgetreffen im Außenministerium sei geplant, hieß es.[6] Ende September brachen zudem die AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier und Jan Wenzel Schmidt in die US-Hauptstadt auf. Dort trafen sie unter anderem auf Darren Beattie, einen hochrangigen Mitarbeiter des US-Außenministeriums, der bereits in der ersten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump als dessen Redenschreiber tätig war und heute als einflussreicher Berater gilt.[7] Unlängst wurde bekannt, dass auch die AfD-Vorsitzende Alice Weidel eine Einladung für einen Besuch in der US-Hauptstadt erhalten hat.[8]

„Im spirituellen Krieg gegen Marxisten“

Konkret beginnt Washington der AfD auf zweierlei Weise unter die Arme zu greifen. Zum einen wächst der Druck, den cordon sanitaire („Brandmauer“) ihr gegenüber einzureißen. So wurde der AfD-Politiker Paul im September im Weißen Haus empfangen, weil der zuständige Wahlausschuss in Ludwigshafen seine Kandidatur nicht zugelassen hatte – unter Verweis auf seine Beziehungen in der extremen Rechten und seine Forderung nach Massenabschiebungen („Remigration“). US-Vizepräsident Vance hatte bereits am 14. Februar auf der Münchener Sicherheitskonferenz erklärt, „die Massenmigration“ sei derzeit das drängendste Problem der westlichen Welt; zudem dürfe es „keinen Platz für Brandmauern“ geben.[9] Zeichnet sich nun ab, die Trump-Administration werde nach ihrem Empfang für Paul in der Sache Druck auf Berlin ausüben, so hat zusätzlich eine ultrarechte deutsche Influencerin einen Antrag auf Asyl in den USA gestellt – mit der Begründung, sie werde wegen ihrer Meinung in Deutschland „verfolgt“.[10] Das Verfahren könnte den Druck weiter erhöhen. Zum anderen beginnt Washington die AfD auch praktisch zu unterstützen. So hielt sich vergangene Woche mit Alex Bruesewitz einer von Trumps Social-Media-Wahlkampfstrategen in Berlin auf, um der AfD Wahlkampftechniken zu vermitteln. Man stehe gemeinsam im „spirituellen Krieg“ gegen „Marxisten“ und „Globalisten“, erklärte Bruesewitz unter Beifall aus der AfD.[11]

Die „Aristokratie“

Unterdessen bestätigen neue Recherchen zentrale Eigenschaften der Trump-Administration, die den Aufstieg ultrarechter Parteien in Europa, darunter auch die AfD, nach Kräften fördert. Wie die Washington Post in einem Bericht über ein Milliardärs- und Investorennetzwerk festhält, zu dessen Gründern Vizepräsident JD Vance zählt – das Rockbridge Network –, wird mittlerweile sogar in konservativen Elitenzirkeln kritisiert, die Regierung begünstige einseitig „den Wohlstand vermögender Privatpersonen, Gründer und Führungskräfte“; die Netzwerke und Finanzunternehmen, in deren Mittelpunkt der Trump-Clan und mehrere Minister stünden, erweckten allzu sehr den Eindruck, man könne sich direkten Zugang zu den Machtzirkeln in Washington kaufen.[12] Über Chris Buskirk, einen Investor, der gemeinsam mit Vance Rockbridge Network gegründet hat und bis heute in engstem Kontakt mit dem Vizepräsienten steht, heißt es, er vertrete die Auffassung, eine ausgewählte Elitengruppe müsse ein Land lenken; Buskirk spricht ausdrücklich von einer „Aristokratie“, will den Begriff freilich positiv verstanden wissen. Demnach bedient sich die „Aristokratie“ zur Sicherung ihrer Herrschaft ultrarechter Parteien, die autoritäre Hierarchien bevorzugen und zur Ablenkung von Aggressionen Mehrheiten gegen Minderheiten aller Art hetzen.

 

[1] S. dazu Die ultrarechte Renaissance des Westens.

[2] Wütend und fassungslos. vci.de 22.10.2025.

[3] „Bürokratieabbau muss entschlossen umgesetzt werden“. tagesschau.de 04.11.2025.

[4] Sven Christian Schulz: CDU und CSU wollen mit Rechtsextremen EU-Lieferketten-Richtlinie aufweichen. rnd.de 06.11.2025.

[5] Max Griera, Marianne Gros: EU Parliament’s centrists scramble to cut far right out of green rules plan. politico.eu 10.11.2025.

[6] Chris Lunday, Pauline von Pezold, Ferdinand Knapp: Top AfD politician makes surprise visit to White House. politico.eu 15.09.2025.

[7] Friederike Haupt: Von MAGA siegen lernen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 08.11.2025.

[8] AfD-Spitze zu Treffen von Rechtspopulisten in USA eingeladen. zdfheute.de 30.10.2025.

[9] S. dazu Die transatlantische extreme Rechte (III).

[10], [11] James Angelos, Sascha Roslyakov: Trump adviser to Germany’s far-right AfD: “We are in this together”. politico.eu 06.11.2025.

[12] Elizabeth Dwoskin: The secretive donor circle that lifted JD Vance is now rewriting MAGA’s future. washingtonpost.com 04.11.2025.


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