• Flüchtlingsabwehr vor Recht

    Höchstes EU-Gericht erklärt EU-Abkommen mit Marokko für rechtswidrig und dringt auf Anerkennung der von Marokko besetzten Westsahara. Berlin und Brüssel weigern sich – vor allem wegen Marokkos Beitrag zur Flüchtlingsabwehr.

    LAAYOUNE/RABAT/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Die EU bricht mit mehreren Abkommen mit Marokko internationales Recht und stützt mit ihnen Rabats Fremdherrschaft über die letzte Kolonie auf dem afrikanischen Kontinent – die Westsahara. Dies bestätigt der Europäische Gerichtshof (EuGH), das oberste Gericht der EU, in einem Urteil, das Anfang Oktober die Handels- und Fischereiabkommen der Union mit dem nordafrikanischen Land für rechtswidrig erklärt hat. Ursache ist, dass die Abkommen mit Marokko geschlossen wurden, sich aber auch auf die Westsahara beziehen, die Marokko, wie der EuGH bekräftigt, rechtswidrig besetzt hat; dem Gericht zufolge muss die EU Abkommen, die das Gebiet betreffen, mit der legitimen Repräsentanz der sahrauischen Bevölkerung schließen – mit der Frente Polisario. Damit entspricht das EuGH-Urteil der Position der Vereinten Nationen, die der Westsahara aktuell einen Kolonialstatus zuschreiben. Brüssel und Berlin nehmen das Urteil „zur Kenntnis“, leiten aber keinerlei Schritte ein, ihm Rechnung zu tragen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigt an, sie wolle die „tiefe Freundschaft“ mit Marokko „auf die nächste Ebene heben“. Es geht um Flüchtlingsabwehr und um erneuerbare Energien. ex.klusiv

  • Drahtzieher gegen China

    Das Europaparlament attackiert eine UN-Resolution, die Chinas UN-Mitgliedschaft regelt. Ziel ist die Aufnahme Taiwans in UN-Organisationen. Damit attackiert das Europaparlament zugleich eine rote Linie Beijings.

    BERLIN/BRÜSSEL/TAIPEI (Eigener Bericht) – Auf Initiative deutscher Politiker setzt sich das Europaparlament für die Aufnahme Taiwans in UN-Organisationen ein und heizt mit der aktuellen Reise einer Parlamentarierdelegation nach Taipei die Spannungen um die Insel an. Taiwan müsse in UN-Sonderorganisationen wie die WHO aufgenommen werden, heißt es in einer Resolution, die das Europaparlament in der vergangenen Woche beschlossen hat. Die Resolution richtet sich faktisch auch gegen die UN-Resolution 2758 aus dem Jahr 1971, die Repräsentanten Taiwans von den Vereinten Nationen und ihren Organisationen ausschließt. Damit attackiert sie zugleich frontal das Ein-China-Prinzip, das in Beijing als rote Linie gilt, deren Missachtung harte Reaktionen zur Folge hätte – bis hin zum Krieg. Die Resolution wurde von Mitgliedern der Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC) initiiert – einer in drei Dutzend Staaten aktiven Lobbyorganisation, die das erklärte Ziel verfolgt, dem Aufstieg der Volksrepublik China entgegenzutreten. Die IPAC hat ähnliche Resolutionen schon in anderen Parlamenten angestoßen. Ein deutsches IPAC-Mitglied führt zur Zeit die Reise einer Delegation des Europaparlaments nach Taiwan an. ex.klusiv

  • Wasserstoff für Deutschland (I)

    Berlin setzt zur Versorgung Deutschlands mit grünem Wasserstoff stark auf Importe. Experten stufen Nordafrika und Mittelost als Schlüsselregion ein. Qatar, dessen Emir vergangene Woche Berlin besuchte, gilt als möglicher Lieferant.

    BERLIN/BRÜSSEL/DOHA (Eigener Bericht) – Das Emirat Qatar zieht einen Einstieg in die Lieferung grünen Wasserstoffs in die Bundesrepublik in Betracht. Das berichten Quellen aus Doha anlässlich des Besuchs des Emirs von Qatar in Berlin am vergangenen Dienstag. Während in der allgemeinen Wahrnehmung vor allem der Export von Flüssiggas aus Qatar nach Deutschland registriert wird, plant das Emirat den Einstieg in die Produktion von grünem Wasserstoff, den es, wie es heißt, auch in die Bundesrepublik verkaufen könne. Die Bundesregierung setzt, wie aus ihrer offiziellen, im Jahr 2023 aktualisierten Wasserstoffstrategie hervorgeht, darauf, langfristig 50 bis 70 Prozent des in Deutschland benötigten grünen Wasserstoffs zu importieren. Die für das eigene Land geplanten Elektrolysekapazitäten von zehn Gigawatt (GW) im Jahr 2030 reichen nicht aus, um den prognostizierten Bedarf auch nur ansatzweise zu decken, heißt es. Die deutsche Initiative Dii Desert Energy, die Optionen zum Import grünen Wasserstoffs eruiert, stuft den Nahen und Mittleren Osten sowie Nordafrika („MENA-Region“) als Schlüsselregion für die Herstellung grünen Wasserstoffs ein. Einer der potenziellen Lieferanten ist Qatar. ex.klusiv

  • „Die Zeit ist reif“

    Neue Forderungen ehemaliger britischer Kolonien nach Entschädigung für Sklavenandel und koloniales Unrecht setzen indirekt auch Berlin wegen früherer deutscher Kolonialverbrechen – Genozid, Vernichtungskrieg – unter Druck.

    LONDON/PARIS/BERLIN (Eigener Bericht) – Neue Forderungen ehemaliger britischer Kolonien nach Reparationen für Sklaverei und für koloniales Unrecht erhöhen indirekt auch den Druck auf Berlin zur Zahlung von Entschädigung für deutsche Kolonialverbrechen. Am Samstag hat der Commonwealth of Nations, dem vor allem ehemalige britische Kolonien angehören, auf seinem Gipfeltreffen eine Erklärung verabschiedet, in der er ein „Gespräch“ über „eine gemeinsame Zukunft“ verlangt, „die auf Gleichheit beruht“. Hinter der nebulösen Formulierung verbirgt sich das Dringen einer wachsenden Zahl ehemaliger Kolonien auf Entschädigungen, das die Regierung in London unter Premierminister Keir Starmer nicht mehr zu unterdrücken vermag. Allein für die Karibik ist von Reparationen in Höhe von über 200 Milliarden Pfund die Rede. Auch der Druck auf Frankreich, für Kolonialverbrechen materiell einzustehen, nimmt zu. Von Deutschland wiederum verlangen Nachkommen von Überlebenden des Genozids in Namibia sowie von Überlebenden des Vernichtungskriegs in Tansania mit bis zu 300.000 Todesopfern Entschädigung. Die Bundesregierung verweigert dies bis heute – auch unter Rückgriff auf kolonialrassistische Argumentationen. ex.klusiv

  • Ein multipolares Asien

    Deutsch-indische Regierungskonsultationen in New Delhi: Berlin will Keile zwischen Indien und Russland treiben und das Land mit intensiverer Militär- und Rüstungskooperation gegen China in Stellung bringen.

    BERLIN/NEW DELHI (Eigener Bericht) – Mit deutsch-indischen Regierungskonsultationen am heutigen Freitag in New Delhi sucht Berlin Keile in die enge Kooperation zwischen Indien und Russland zu treiben. Zum einen will die Bundesregierung den Wirtschaftseinfluss in Indien stärken; dazu setzt sie allerdings auf ein EU-Freihandelsabkommen mit dem Land, über das seit 17 Jahren erfolglos verhandelt wird. Zum anderen ist Berlin um eine intensivere Militär- und Rüstungskooperation bemüht und kämpft um einen bis zu fünf Milliarden Euro schweren Auftrag zum Bau mehrerer U-Boote für die indische Marine. Dabei kooperiert Indien nicht nur eng mit den USA, die – ganz wie Deutschland – das Land schon seit Jahren gegen China zu positionieren suchen. Es hat am Rande des am gestrigen Donnerstag zu Ende gegangenen BRICS-Gipfels bestätigt, weiterhin intensiv mit Russland zusammenarbeiten zu wollen. Zudem bereitet es eine Stärkung seiner Beziehungen zu Iran vor. Nicht zuletzt hat New Delhi Anfang der Woche eine neue Phase der Entspannung in seinem Grenzkonflikt mit China eingeleitet und will sein Verhältnis zur Volksrepublik in den kommenden Monaten systematisch verbessern, anstatt für den Westen gegen Beijing zu kämpfen. ex.klusiv

  • Bauen für die Bundeswehr

    Berlin bereitet Investitionen in seine militärische Infrastruktur in zweistelliger Milliardenhöhe vor. Die geplanten Baumaßnahmen sind eine Konsequenz der 2014 eingeleiteten Orientierung auf einen etwaigen Krieg gegen Russland.

    BERLIN (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung und die Bundesländer erarbeiten auf Initiative des Bundesverteidigungsministeriums ein beschleunigtes gemeinsames Vorgehen bei militärischen Bauvorhaben und bekennen sich zur Stärkung der deutschen Streitkräfte. Mehr als 60 Milliarden Euro sollen innerhalb der nächsten Jahre in den Erhalt und den Ausbau der Liegenschaften der Bundeswehr in Deutschland fließen. Unter anderem sollen neue Unterkünfte für Soldaten entstehen; diese sind nicht zuletzt notwendig, um die geplante Wiedereinführung der Wehrpflicht umzusetzen. Aber auch die Anschaffung neuer Waffensysteme erfordert zum Teil neue Spezialgebäude zu deren Lagerung und Wartung. Das Bundesland Bayern hat mit dem Gesetz zur Förderung der Bundeswehr mehrere Ausnahmeklauseln für militärische Bauvorhaben verabschiedet – und nebenbei die Zivilklausel ausgehebelt, mit der sich manche Hochschulen der Forschung für militärische Zwecke verweigern. Der Ausbau der militärischen Infrastruktur steht im Kontext der Neuausrichtung der Bundeswehr auf einen Krieg gegen Russland, die Berlin bereits im Jahr 2014 eingeleitet hat. ex.klusiv

  • Peacekeeper unter Beschuss (III)

    Berlin nimmt israelische Angriffe auf UNIFIL-Posten weiterhin tatenlos hin, obwohl sie auch deutsche Soldaten bedrohen. Beobachter warnen, Israels Kriegführung gefährde seine eigene Sicherheit; es drohe „ewiger Krieg“.

    BERLIN/BEIRUT/TEL AVIV (Eigener Bericht) – Zum wiederholten Male nimmt die Bundesregierung Angriffe auf die UN-Truppe im Libanon (UNIFIL) durch die israelischen Streitkräfte tatenlos hin – dies, obwohl zu UNIFIL auch deutsche Soldaten gehören und Militärs aus dem EU-Staat Italien schon direkt attackiert wurden. Laut einem internen UN-Bericht haben israelische Einheiten inzwischen ein Dutzend mal UN-Posten attackiert und 15 Blauhelmsoldaten mutmaßlich mit weißem Phosphor verletzt, dessen Einsatz in bewohntem Gebiet völkerrechtswidrig ist. Der jüngste Angriff ereignete sich am Sonntag. Weiterhin ungeklärt ist der Drohnenangriff auf ein deutsches Kriegsschiff vor der libanesischen Küste, der allerdings abgewehrt werden konnte. Beobachter urteilen, die israelischen Angriffe hätten zum Ziel, UNIFIL zum Abzug zu nötigen, um die „Wiederbesetzung“ des Südlibanon „ohne die Anwesenheit Dritter“ abwickeln zu können. Dabei schlagen die Praktiken der israelischen Kriegführung inzwischen auf das Land selbst zurück. So hat die Hizbollah – nach zahllosen israelischen „Enthauptungsschlägen“ gegen ihre Führung – das Haus von Premierminister Netanjahu angegriffen. Beobachter warnen, Israel steuere auf „ewigen Krieg“ zu. ex.klusiv

  • Deutsche Firmen unterstützen Trump

    Deutsche Unternehmen lassen ihre Spenden im US-Wahlkampf zum überwiegenden Teil Kandidaten der Republikaner zukommen. Derweil trifft Berlin Vorbereitungen, um auf etwaige Trump-Importzölle reagieren zu können.

    WASHINGTON (Eigener Bericht) – Deutsche Firmen spenden im US-Wahlkampf mehrheitlich für Donald Trump und für Kandidaten der US-Republikaner. Am deutlichsten bezogen die DAX-Konzerne Covestro und Heidelberg Materials Stellung; sie verteilten über 80 Prozent ihres Wahlkampfbudgets auf republikanische Kandidaten. Nur die Allianz und SAP zogen die Demokraten den Republikanern vor. Am meisten Geld gab T-Mobile aus. Der Konzern betrieb bisher mit über 800.000 US-Dollar politische Landschaftspflege. BASF investierte 328.000, Fresenius 204.000, Siemens 203.000, Bayer 195.000 US-Dollar. Auch die deutsche Politik umwirbt US-Republikaner – und zwar solche, die im Falle eines Sieges von Trump mäßigend auf den angekündigten protektionistischen Kurs einwirken könnten. Das Wirtschaftsministerium überprüft prophylaktisch die amerikanisch-deutschen Lieferketten und sucht nach alternativen Bezugsquellen für bestimmte Produkte, während die Unternehmen sich darauf einstellen, eventuell mehr vor Ort in den USA produzieren zu müssen. Die EU trifft ebenfalls bereits Vorkehrungen für einen Regierungswechsel. Sie stellt sich auf harte Verhandlungen ein und will auf Importzölle mit Gegenmaßnahmen reagieren. ex.klusiv

  • „Volkswille“ vor Recht

    Gericht in Rom erklärt nach Albanien ausgelagerte Asyl-Schnellverfahren für illegal – ein Schlag für Meloni und von der Leyen. Auf EU-Gipfel wurde die Genfer Konvention in Frage gestellt. Immer mehr Rechtsbrüche zur Flüchtlingsabwehr.

    ROM/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Aktuelle Pläne der EU-Kommission zur Verlagerung von Asylverfahren in Drittstaaten haben Ende vergangener Woche einen ernsten Rückschlag erhalten. Ein Gericht in Rom hat den Abtransport mehrerer Flüchtlinge in Lager in Albanien für unzulässig erklärt; von dort aus sollten sie nach einer Ablehnung ihrer Asylanträge in Schnellverfahren unmittelbar in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Dies sei mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht vereinbar, heißt es in dem Urteil des italienischen Gerichts. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuvor erkennen lassen, sie ziehe eine Ausdehnung des „Albanien-Modells“ in der gesamten EU in Betracht. Darüber hinaus erwägt von der Leyen die Einrichtung von Abschiebelagern in Drittstaaten, in die abgelehnte Asylbewerber deportiert werden sollen. Die Niederlande sind bereits mit Uganda in Verhandlungen. Dänemarks Ministerpräsidentin erklärte auf dem EU-Gipfel am Donnerstag mit Blick auf die Genfer Flüchtlingskonvention, diese „Regeln“ funktionierten „in der heutigen Welt nicht mehr“. Italiens Regierung will sich über die Entscheidung der Justiz zum „Albanien-Modell“ hinwegsetzen. ex.klusiv

  • „Aus den Russland-Sanktionen lernen“

    Europäische Denkfabrik macht konkrete Vorschläge für einen Wirtschaftskrieg gegen China, hält ein Handelsembargo für aussichtsreicher als Finanzsanktionen. Taiwans neuer Präsident verschärft die Spannungen mit Beijing.

    BEIJING/BERLIN (Eigener Bericht) – Mit Blick auf die eskalierenden Spannungen im Konflikt um Taiwan legt eine europaweite Denkfabrik mit Hauptsitz in Berlin Vorschläge für einen umfassenden Wirtschaftskrieg des Westens gegen China vor. Wie es in einem Papier aus dem European Council on Foreign Relations (ECFR) heißt, müsse man bei der Planung eines solchen Wirtschaftskriegs die Lehren aus den bisherigen Sanktionen gegen Russland ziehen. So werde es kaum zum Erfolg führen, wenn man die Volksrepublik aus dem globalen Finanzsystem auszusperren suche. Stattdessen solle man einen Boykott auf chinesische Konsumgüter verhängen; damit könne man die chinesische Exportindustrie schädigen. Die Pläne werden zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, zu dem China seine Manöver rings um Taiwan intensiviert. Auslöser sei der politische Kurs des neuen taiwanischen Präsidenten Lai Ching-te, urteilt die International Crisis Group (ICG), ein prowestlicher Think-Tank; Lai stufe in öffentlichen Reden Taiwan als „souveränen Staat“ ein, der „von China getrennt“ sei. Damit legt er eine Veränderung des Status quo nahe, die von allen Seiten als ein etwaiger Kriegsgrund genannt wird. Die ICG mahnt, Lai solle sich mäßigen. ex.klusiv