China und die Seltenen Erden (II)

Chinas Exportkontrollen – eine Abwehrreaktion auf den westlichen Wirtschaftskrieg – bremsen die Lieferung Seltener Erden und führen zu ernstem Mangel auch in der deutschen Industrie. Besonders betroffen: die Rüstungsbranche.

BERLIN/WASHINGTON/BEIJING (Eigener Bericht) – Unternehmen aus Europa und aus Nordamerika melden erste Produktionsausfälle aufgrund fehlender Exportgenehmigungen für Metalle der Seltenen Erden aus China. Die Volksrepublik hat auf diese Rohstoffe nahezu ein Monopol; sie hat begonnen, ihren Export strikt zu reglementieren – als Gegenmaßnahme gegen US-Zölle auf Einfuhren aus China und weil Restriktionen insbesondere der Vereinigten Staaten bei Exporten nach China rasant zugenommen haben. Hatten Washington und Beijing sich am 12. Mai auf eine Aussetzung ihrer wechselseitigen Zölle für 90 Tage und auf eine Wiederaufnahme der Lieferung Seltener Erden aus China geeinigt, so haben die Vereinigten Staaten dies bereits am 13. Mai mit der Verhängung weiterer Restriktionen gegen Chinas High-Tech-Industrie torpediert. US-Unternehmen denken mittlerweile darüber nach, Teile der Produktion nach China zu verlagern, wo Seltene Erden weiterhin erhältlich sind. Besonders heikel ist die Lage für die westliche Rüstungsindustrie, die von der Volksrepublik derzeit nicht mehr beliefert wird; diese spiegelt damit seit langem bestehende Embargomaßnahmen des Westens gegen Unternehmen der chinesischen Rüstungsbranche.

Chinas Exportkontrollen

China hatte am 4. April in Reaktion auf zwei Tage zuvor verhängte exzessive US-Zölle nicht nur Vergeltungszölle auf alle Importe aus den USA eingeführt, sondern auch sieben Metalle der Seltenen Erden, bei denen die Volksrepublik faktisch ein Monopol innehat (german-foreign-policy.com berichtete [1]), peniblen Exportkontrollen unterworfen. Weil zunächst ein Verfahren für die Exportkontrollen entwickelt werden musste, kam es einige Wochen lang zu einem faktischen Exportstopp. Berichten zufolge erhielt Ende April ein Zulieferer von VW eine erste Genehmigung für den Erwerb der Rohstoffe. Weitere seien gefolgt, allerdings recht wenige und mit einiger zeitlicher Verzögerung. Kritiker beschweren sich, die chinesischen Behörden hätten es mit dem Bearbeiten der Exportanträge nicht besonders eilig. Freilich nimmt Beijing die Prüfung der Anträge sehr ernst. So muss die beabsichtigte Verwendung der Rohstoffe detailliert angegeben werden; ihr Weiterverkauf wird nicht gestattet, und wer sie nach dem Erwerb bloß lagern will, erhält zur Zeit keine Lizenz. Letzteres gilt auch für sogenannte Dual Use-Güter, die auch militärisch genutzt werden können. Ziel ist offenbar – in unmittelbarer Spiegelung derzeitiger US-Exportkontrollen, die es verhindern, chinesische Rüstungskonzerne zu beliefern –, westliche Waffenschmieden von den Seltenen Erden abzuschneiden.

Abkommen torpediert

Die wachsende Sorge, es könne zu ernstem Mangel in der Industrie kommen, veranlasste die US-Regierung, die chinesischen Exportkontrollen in die Verhandlungen über die Zölle sowie die Gegenzölle einzubeziehen. Am 12. Mai einigten sich Washington und Beijing, für 90 Tage fast alle Zölle auszusetzen; die Volksrepublik sagte darüber hinaus zu, die Ausfuhr der Seltenen Erden nicht zu blockieren. Einen ersten Schlag verpasste die Trump-Administration der Einigung bereits am 13. Mai, indem sie behauptete, KI-Chips von Huawei enthielten höchstwahrscheinlich (!) US-Technologie; wer sie – in welchem Land auch immer – erwerbe, verstoße gegen US-Exportkontrollen und müsse mit Bestrafung rechnen.[2] Beijing wertete dies als klaren Verstoß gegen die Übereinkunft vom Tag zuvor, die auf eine wechselseitige Entspannung im hart geführten Wirtschaftskrieg gezielt hatte. Entsprechend verringerte sich Chinas Interesse, die eigenen Exporte der Metalle der Seltenen Erden zu beschleunigen.[3] Die Lage spitzte sich weiter zu, als Washington zum einen den Verkauf von Chipsoftware in die Volksrepublik einschränkte und zum anderen begann, Visa für chinesische Studierende willkürlich zu widerrufen. US-Präsident Trump beschwert sich nun laut über ausbleibende Lieferungen aus China; freilich gelingt es ihm bislang nicht, ein von ihm bereits seit Wochen verlangtes Telefongespräch mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping zu erhalten.

Erste Produktionsausfälle

Mittlerweile beginnt der bereits seit Wochen erwartete Mangel an Seltenen Erden konkret einzutreten. Bereits im Mai musste der US-Autohersteller Ford die Produktion des Modells Explorer in seinem Werk in Chicago für mehrere Tage einstellen. Am Mittwoch berichtete das Handelsblatt, auch in Deutschland reduzierten erste Unternehmen die Fertigung, da Seltene Erden oder mit ihnen hergestellte Bauteile fehlten.[4] Betroffen sei eine Reihe von Branchen, darunter neben Kfz-Konzernen etwa auch Hersteller von Medizintechnik und Elektronikfirmen. Bei mehreren Kfz-Zulieferern habe es in einzelnen Produktionslinien bereits Komplettausfälle gegeben. „Kein Unternehmen hat sich ausreichend auf diese Lage vorbereitet und Lager aufgebaut“, teilt der Geschäftsführer des Berliner Rohstoffhändlers Noble Elements mit: „Es herrscht eindeutig ein Notstand. Der Markt ist trocken, die Preise explodieren.“ Besonders gelte dies „bei E-Motoren, Robotik oder Drohnen“, wird Stefan Steinicke, ein Rohstoffexperte beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zitiert; bei diesen sei „die Importabhängigkeit nicht nur hoch, sondern systemkritisch“.[5]

Wie du mir, so ich dir

Als heikel gilt die Lage insbesondere in der Rüstungsindustrie. Zwar heißt es aus dem Branchenverband BDSV, bislang sei noch nichts von möglicherweise bereits aufgetretenen Engpässen bekannt.[6] Allerdings gibt es inzwischen Probleme bei anderen Rohstoffen. So berichtet das Handelsblatt, die Volksrepublik habe bereits im Jahr 2023 den Export etwa von Nitrozellulose („Schießbaumwolle“) und von weiteren Vorprodukten für die Herstellung von Sprengstoffen eingeschränkt.[7] Ohne sie könne man zum Beispiel weder Artilleriegranaten noch Gefechtsköpfe von Raketen bauen. „Nur bei TNT ist Europa mittlerweile unabhängig“, erläutert ein hochrangiger deutscher Rüstungsmanager: „Aber das ist ein sehr primitiver Sprengstoff.“ Als problematisch erweist sich demnach inzwischen auch die Versorgung mit Germanium, auf das Beijing bereits im Sommer 2023 Exportkontrollen eingeführt hat (german-foreign-policy.com berichtete [8]). Germanium wird nicht zuletzt für die Fertigung von Nachtsichtgeräten benötigt. Aus einem deutschen Rüstungskonzern heißt es, China sei dazu übergegangen, die Lieferungen praktisch einzustellen. Denkbar ist, dass Beijing die westliche Rüstungsindustrie grundsätzlich nicht mehr beliefert – so, wie der Westen chinesische Rüstungskonzerne mit Embargos und Sanktionen belegt.

Produktionsverlagerung nach China

Aus den Vereinigten Staaten werden inzwischen unorthodoxe Versuche gemeldet, in den Besitz dringend benötigter Seltener Erden oder doch zumindest der aus ihnen hergestellten Bauteile zu gelangen. Demnach ziehen insbesondere Kfz-Hersteller es schon in Betracht, die Herstellung einschlägiger Komponenten in die Volksrepublik zu verlagern oder sogar Teile wie Elektromotoren in fast fertigem Zustand nach China zu verschicken, um dort etwa Magnete einbauen zu lassen, die aus Seltenen Erden gefertigt werden und unverzichtbar sind. Danach könnten sie wieder ins westliche Ausland transportiert werden. Das sei möglich, da Beijing lediglich den Export unverarbeiteter Seltener Erden und noch nicht eingebauter Magnete erschwere, da es deren Endverbleib schwer kontrollieren könne. Dem Export fertig verbauter Materialien, von denen man vermuten dürfe, dass sie nicht bei Rüstungskonzernen landeten, stehe es positiv gegenüber. Allerdings ist die Lieferung etwa von Motoren zum Einbau von Magneten nach China teuer. Zudem sei es „ein bemerkenswertes Ergebnis eines Handelskriegs, der von Präsident Trump mit der Absicht gestartet wurde, Industrie zurück in die USA zu bringen“, wenn Kfz-Konzerne anfingen, Teile ihrer Produktion „nach China zu verlagern“.[9]

Entspannung möglich

Als Ausweg stünde jederzeit eine Beendigung des Wirtschaftskriegs gegen China offen: Schaffen die Staaten Nordamerikas und Europas die Restriktionen auf ihre Ausfuhren in die Volksrepublik ab, könnten sie wohl darauf hoffen, von chinesischen Restriktionen befreit zu werden, da diese ja in einer Abwehrreaktion gegen den westlichen Wirtschaftskrieg eingeführt wurden. Ein solches Vorgehen ist aber ist nach Lage der Dinge nicht in Sicht. Industrievertreter weisen darauf hin, die EU könne auch eigenständig aktiv werden – ohne Abstimmung mit den USA; so könne sie etwa Beschränkungen auf den Export europäischer Produkte in die Volksrepublik aufheben – etwa das Verbot, die modernsten Maschinen des niederländischen Konzerns ASML zur Produktion von Halbleitern.[10] Damit lasse sich Entspannung im Wirtschaftskrieg erreichen. Ein solcher Schritt ist in der EU allerdings nicht in Sicht.

 

[1] S. dazu China und die Seltenen Erden.

[2] Demetri Sevastopulo, Zijing Wu, Ryan McMorrow: US warns against using Huawei chips ‘anywhere in the world’. ft.com 14.05.2025.

[3] Genfer Unfrieden. Frankfurter Allgemeine Zeitung 03.06.2025.

[4] Markus Fasse, Sabine Gusbeth, Dana Heide, Judith Henke, Roman Tyborski, Julian Olk: China verursacht Rohstoffkrise – Erste Firmen drosseln Produktion. handelsblatt.com 04.06.2025.

[5], [6] Der deutschen Industrie gehen die Seltenen Erden aus. Frankfurter Allgemeine Zeitung 05.06.2025.

[7] Markus Fasse, Sabine Gusbeth, Dana Heide, Judith Henke, Roman Tyborski, Julian Olk: China verursacht Rohstoffkrise – Erste Firmen drosseln Produktion. handelsblatt.com 04.06.2025.

[8] S. dazu Chinas erster Gegenschlag.

[9] Sean McLain, Ryan Felton: Automakers Race to Find Workaround to China’s Stranglehold on Rare-Earth Magnets. wsj.com 04.06.2025.

[10] Markus Fasse, Sabine Gusbeth, Dana Heide, Judith Henke, Roman Tyborski, Julian Olk: China verursacht Rohstoffkrise – Erste Firmen drosseln Produktion. handelsblatt.com 04.06.2025.


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