• Washingtons Prellbock

    Litauens Regierung sucht die EU zu weiterer Verschärfung ihres Kurses gegen China und gegen Russland zu treiben - in enger Absprache mit den USA.

    BERLIN/VILNIUS/BEIJING (Eigener Bericht) - Die Regierung Litauens sucht die EU zu einer weiteren Verschärfung des Machtkampfs gegen China zu veranlassen. Mittel sind eine aktuelle Reise litauischer Parlamentsabgeordneter nach Taipeh und vor allem die Eröffnung eines "taiwanischen Vertretungsbüros" in Vilnius; diese hat die litauische Regierung mit Rückendeckung aus Washington vorangetrieben, um sich in dem erwartbaren Konflikt mit Beijing als Modell für andere Staaten der EU zu präsentieren. Zwar weitet auch die EU ihre Zusammenarbeit mit Taiwan längst aus und folgt damit einer US-Kampagne, die die Volksrepublik mit einer Politik gezielter Nadelstiche zu provozieren sucht. Die künftige Berliner Regierungskoalition hat sich ebenfalls darauf festgelegt, sich an der US-Kampagne zu beteiligen. Die litauische Regierung prescht allerdings in Absprache mit Washington weiter vor - und sucht Brüssel so vor sich her zu treiben. Dass Vilnius sich in offenkundiger Abstimmung mit den USA als antichinesischer Prellbock betätigt, wirft ein Schlaglicht auf das stetige Vorpreschen der baltischen Staaten auch gegen Russland. ex.klusiv

  • Nützliche Kriegsszenarien

    Debatte um russische Truppen an der Grenze zur Ukraine hilft, neue Schritte zur Aufrüstung Kiews zu legitimieren. Berliner Think-Tank fordert EU-Militärpräsenz im Schwarzen Meer.

    BERLIN/MOSKAU/KIEW (Eigener Bericht) - Berliner Regierungsberater dringen vor dem morgen beginnenden Treffen der NATO-Außenminister auf militärische Schritte zur Unterstützung der Ukraine und schlagen die Vorbereitung weiterer Sanktionen gegen Russland vor. Die EU könne etwa militärisch "im Schwarzen Meer Präsenz zeigen", erklärt André Härtel von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Zur Begründung heißt es, Moskau bereite einen Angriff auf die Ukraine vor. Auch Generalleutnant a.D. Heinrich Brauß behauptet: "Ein begrenzter militärischer Angriff, zum Beispiel zur Besetzung des Donbass, ist eine Option Moskaus." Für die Behauptung gibt es nach wie vor keinen Beleg. So ist immer noch unklar, ob Russland tatsächlich bis zu 110.000 Soldaten unweit der Grenze zur Ukraine massiert hat; falls das zutreffen sollte, ist umstritten, was der Grund dafür wäre. Experten weisen darauf hin, dass Russland nach dem Schwenk der Ukraine zur NATO im Jahr 2014 begonnen hat, neue Einheiten im Westen des Landes zu stationieren. Die Defender Europe-Manöver lassen ebenfalls die Verstärkung russischer Defensivstellungen angeraten erscheinen. ex.klusiv

  • Risse in Europas "digitaler Souveränität"

    Gaia-X, die "europäische Cloud", zeigt ein Jahr nach Gründung erste Zerfallserscheinungen. US-Tech-Konzerne dominieren Cloudmarkt in Europa, US-Regierung hat Datenzugriff.

    BERLIN/PARIS (Eigener Bericht) - Ein für die Aufholjagd der EU gegenüber den Tech-Konzernen aus den USA und China zentrales Industrieprojekt bekommt erste Risse. Dabei handelt es sich um die deutsch-französische Initiative "Gaia-X", die im vergangenen Jahr gegründet wurde, um eine "europäische Cloud" zu schaffen. Dies gilt als notwendig, da gegenwärtig der europäische Cloudmarkt von US-Konzernen wie Amazon oder Microsoft dominiert wird; diese sichern sich damit nicht nur Milliardengeschäfte, sondern schaffen zudem Unsicherheit: Ein US-Gesetz aus dem Jahr 2018 verpflichtet sie, unter gewissen Umständen den US-Regierungsbehörden Zugriff auf bei ihnen gespeicherte Daten zu gewähren. Gaia-X hat schon im vergangenen Jahr Schlagzeilen gemacht, als die Initiative sich einer als besonders CIA-nah geltenden US-Firma öffnete. Sie wird inzwischen als überaus bürokratisch kritisiert und kommt nicht rasch genug vom Fleck. Kürzlich hat ein erstes Gründungsunternehmen seinen Austritt aus Gaia-X bekanntgegeben; unzufriedene Mitglieder haben einen alternativen Zusammenschluss gebildet. ex.klusiv

  • Mehr Kalten Krieg wagen

    Die künftige Berliner Regierungskoalition setzt auf weitere Aufrüstung, eine teilweise Verschärfung der Machtkämpfe gegen Russland und China und eine Abschiebeoffensive.

    BERLIN (Eigener Bericht) - Die künftige deutsche Regierungskoalition hält an der "nuklearen Teilhabe" fest, wird bewaffnete Drohnen beschaffen, den Machtkampf gegen China verschärfen und eine Abschiebeoffensive ("Rückführungsoffensive") starten. Das geht aus dem neuen Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen vor, der gestern öffentlich vorgestellt wurde. Demnach wird die nächste Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) im Kern die Außen- und Militärpolitik der scheidenden Regierung weiterführen. Dabei steht neben der Orientierung auf das transatlantische Bündnis die Formierung der EU zu einer außen- und militärpolitisch schlagkräftigen Macht auf dem Programm. Letztere soll mit einer Straffung der Entscheidungsstrukturen und einer Reduzierung äußerer Abhängigkeiten erreicht werden; hinzu kommt der weitere militärische Ausbau der Union. Im Machtkampf gegen China will sich die künftige Koalition einer neuen US-Kampagne anschließen, die die internationale Stellung Taiwans aufwerten soll und gegen die Beschlusslage der UNO verstößt. ex.klusiv

  • Beihilfe zum Flüchtlingsmord (II)

    Menschenrechtsorganisationen erstatten wegen Verbrechen an Flüchtlingen in Libyen Anzeige beim Internationalen Strafgerichtshof und bezichtigen EU der Kollaboration.

    TRIPOLIS/BRÜSSEL/BERLIN (Eigener Bericht) - Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben beim Internationalen Strafgerichtshof (ICC) Strafanzeige wegen schwerster Verbrechen an Flüchtlingen in Libyen erstattet und bezichtigen die EU der Kollaboration. Die Vorwürfe lauten auf zahllose Verbrechen von Freiheitsberaubung über Folter, Vergewaltigung und Versklavung bis zum Mord; mutmaßliche Täter sind Wächter in libyschen Flüchtlingslagern und bekannte Milizenführer. Mit Blick auf die Flüchtlingsabwehr der EU heißt es, "europäische Akteure" hätten, indem sie die Flucht aus Libyen zu verhindern suchten, "Verbrechen gegen die Menschheit" in zahlreichen Fällen erst ermöglicht. Die Menschenrechtsorganisationen belegen dies mit dem systematischen Bemühen der EU und vor allem ihrer südlichen Mitgliedstaaten, Libyen die Kompetenzen für die Seenotrettung zu übertragen sowie Libyens Küstenwache zum Aufgreifen von Flüchtlingsbooten zu befähigen. Bereits im Juni 2019 hatten Menschenrechtsanwälte deswegen Strafanzeige beim ICC gegen die EU und ihre Mitgliedstaaten erstattet. Auch in UN-Gremien steigt der Druck auf die EU. ex.klusiv

  • Regenerativer Drang nach Osten

    Denkfabriken und Medien diskutieren Nutzung der Ukraine als Lieferant "grüner" Energie für die EU. Anbindung der Ukraine an das EU-Stromnetz könnte zu neuen Konflikten mit Russland führen.

    BERLIN/KIEW (Eigener Bericht) - Deutsche Denkfabriken, Medien und Unternehmen diskutieren verstärkt eine umfassende energiepolitische Einbindung der Ukraine im Rahmen der Energiewende. Demnach seien etwa "Wind, Sonne, Biomasse" in dem osteuropäischen Land reichlich genug vorhanden, um den deutschen Bedarf zu decken; da es in Deutschland an gesellschaftlicher Akzeptanz für große regenerative Energieprojekte fehle, müsse der "Nachbarschaftsraum" der EU als Quelle herangezogen werden, heißt es etwa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Die Planungen sehen auch den Abbau von Rohstoffen wie Lithium in der Ukraine vor, die für die Energiewende nötig sind, deren Abbau allerdings als besonders umweltschädlich gilt. Zudem werden Forderungen laut, das ukrainische Stromnetz an dasjenige der EU anzubinden. Dies freilich gilt als nicht nur teuer, sondern auch außenpolitisch riskant: Binde man etwa die Ukraine an das EU-Stromnetz an, dann koppele man sie zugleich von demjenigen der anderen postsowjetischen Staaten ab. Dies werde zu neuen Konflikten mit Moskau führen. ex.klusiv

  • Das Ende der US-Dominanz am Persischen Golf

    Think-Tank fordert stärkere Einflussarbeit Berlins und der EU am Persischen Golf. Bislang nutzt der partielle Rückzug der USA vor allem China, das in Mittelost Ordnungsmacht werden könnte.

    BERLIN/TEHERAN/ABU DHABI (Eigener Bericht) - Die nächste Bundesregierung soll ihre Einflussarbeit am Persischen Golf intensivieren und damit der EU "eine aktive Rolle" im "globalen Wettstreit" um die Macht in der Region sichern. Dies fordert die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in einem aktuellen Positionspapier. Hintergrund ist, dass sich die USA, immer stärker auf den Machtkampf gegen China fokussiert, aus dem Mittleren Osten zurückziehen. Die Volksrepublik wiederum stärkt ihre Stellung nicht nur in Iran, mit dem sie im März eine "strategische Partnerschaft" auf 25 Jahre geschlossen hat sowie neue Wege zur Umgehung von US-Sanktionen sucht, sondern auch in den arabischen Golfstaaten. So weitet Beijing seine Aktivitäten auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Saudi-Arabien aus - und liefert dort unter anderem 5G-Technologie des Huawei-Konzerns, den Washington erbittert bekämpft. Appelle an Berlin und Brüssel, die Stellung der EU in der Region zu stärken, führen bisher noch zu nichts. Die DGAP warnt, mit Blick auf die "Neuordnung" der Welt stelle sich die Frage, "wessen Ordnung überdauern wird". ex.klusiv

  • "Das ist unser Hinterhof!" (II)

    Beobachter sehen Einfluss der EU in den Nicht-EU-Ländern Südosteuropas schwinden. Denkfabrik mit Hauptsitz in Berlin schlägt Sanktionen wegen "Kleptokratie" gegen die dortigen Länder vor.

    BERLIN/SKOPJE/BELGRAD (Eigener Bericht) - Die EU soll ihr Sanktionsregime um den Tatbestand "Kleptokratie" erweitern und sich mit seiner Anwendung in den Nicht-EU-Ländern Südosteuropas größeren Einfluss sichern. Dies schlägt der European Council on Foreign Relations (ECFR) vor, eine Denkfabrik mit Hauptsitz in Berlin. Hintergrund ist, dass die EU in Südosteuropa inzwischen an Einfluss verliert. So stufen Beobachter den kürzlich erfolgten Rücktritt von Nordmazedoniens Ministerpräsident Zoran Zaev als schweren Rückschlag für Brüssel ein: Zaev hatte erhebliche Zugeständnisse gemacht, um eine Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen zu erreichen, war aber von der EU fallengelassen worden. Weitere Rückschläge diagnostizieren Beobachter in Bosnien-Herzegowina, wo aktuell der CSU-Politiker Christian Schmidt als - nicht demokratisch gewählter - Hoher Repräsentant mit umfassenden Vollmachten ausgestattet ist, und in Serbien, wo Umfragen in der Bevölkerung eine überwältigende Zustimmung zu einer engen Kooperation mit Russland und China feststellen. Dies geht mit einer sehr kritischen Haltung gegenüber der EU einher. ex.klusiv

  • Die Humanität der EU

    Hilfe für Flüchtlinge wird in der EU mit harten Strafen bedroht. Wer hingegen Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen bei illegalen Pushbacks auf unbewohnten Inseln aussetzt, geht straflos aus.

    ATHEN/BERLIN (Eigener Bericht) - Lebensrettende Hilfe für Flüchtlinge wird in der EU mit einem Vierteljahrhundert Haft bedroht. Am heutigen Donnerstag beginnt auf der griechischen Insel Lesbos ein Prozess gegen zwei Flüchtlingshelfer, denen wegen ihrer Hilfstätigkeit unter anderem "Menschenschmuggel" und "Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung" vorgeworfen wird. Das Strafmaß: bis zu 25 Jahre Haft. Dabei handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall: Amnesty International hat bereits im vergangenen Jahr dokumentiert, dass in zahlreichen Ländern Europas vermutlich Hunderte verfolgt werden, weil sie Flüchtlinge unterstützen. In Deutschland wurde kürzlich ein Pfarrer zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er einem von Abschiebung bedrohten Iraner Kirchenasyl gewährt hatte. Gleichzeitig gehen Grenzbeamte, die an den Außengrenzen der EU völkerrechtswidrige Pushbacks durchführen - nicht nur in Polen und Litauen, auch in Griechenland sowie in diversen anderen Ländern -, straflos aus. Bei Pushbacks etwa aus Griechenland werden immer wieder Flüchtlinge auf unbewohnten Inseln oder in motorlosen Schlauchbooten ausgesetzt. ex.klusiv

  • Pipelineblockade in der Erdgaskrise

    Bundesnetzagentur setzt mitten in der Erdgasversorgungskrise Zertifizierung von Nord Stream 2 aus. US-Flüssiggaslieferungen sinken. Moskau entwickelt Alternativen zum Gasverkauf in die EU.

    BERLIN/MOSKAU (Eigener Bericht) - Inmitten der aktuellen Erdgasversorgungskrise setzt die Bundesnetzagentur das Verfahren zur Zertifizierung der Pipeline Nord Stream 2 aus und verzögert damit deren Inbetriebnahme bis mindestens weit ins kommende Jahr. Der Grund sei, äußerte die Behörde gestern, dass Nord Stream 2 seinen Sitz in der Schweiz, nicht in Deutschland habe. Ein eigens geplanter Ableger des Unternehmens mit Sitz in Deutschland, der für den Betrieb des deutschen Pipelineabschnitts zuständig ist, müsse erst noch sämtliche Vermögenswerte übertragen bekommen, bevor das Zertifizierungsverfahren fortgesetzt werden könne. Die Mitteilung hat die Erdgaspreise gestern weiter in die Höhe schnellen lassen. Deutschland und die EU leiden an Unterversorgung mit Erdgas, weil insbesondere die Lieferung von Flüssiggas gegenüber 2020 klar zurückgegangen ist: Zur Zeit sind in Ostasien höhere Profite zu erzielen als in Europa. Vor allem der Import von US-Flüssiggas ("freedom gas") ist geschrumpft. Moskau hilft den Gasmangel in Europa auszugleichen, entwickelt aber mit Blick auf Schikanen wie bei Nord Stream 2 auch alternative Absatzmärkte - vor allem in China. ex.klusiv