• „Russland isolieren” (III)

    Westen kommt bei Isolierung Russlands nicht voran. Indien weitet Handel mit Russland aus, Türkei nimmt russische Oligarchen auf. Experte wirft dem Westen neokoloniale „Heuchelei“ vor.

    BERLIN/MOSKAU/NEW DELHI (Eigener Bericht) – Fünf Wochen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine ist es den westlichen Mächten noch immer nicht gelungen, Russland international zu isolieren. Gestern bemühte sich der außenpolitische Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz, Jens Plötner, bei einem Besuch in Indien, New Delhi zur Abkehr von seiner Kooperation mit Moskau zu bewegen. Bereits zuvor waren andere Vertreter westlicher Staaten mit demselben Ziel in die indische Hauptstadt gereist, blieben aber erfolglos. Indien bezieht immer mehr Erdöl aus Russland und arbeitet weiter an einem vom US-Dollar und SWIFT unabhängigen Zahlungssystem. An den westlichen Russland-Sanktionen beteiligen sich immer noch nur 48 Länder; drei Viertel der UN-Mitgliedstaaten verweigern sich ihnen trotz teils erheblichen Drucks. Der saudische Außenpolitikexperte Mansour Almarzoqi bestätigt, er könne „absolut keinen Unterschied“ zwischen den Kriegen gegen den Irak (USA, 2003) und gegen die Ukraine (Russland, 2022) erkennen; er wirft dem Westen „Heuchelei“ vor: „Verborgen unter der dünnen Fassade des Diskurses von Menschenrechten und Demokratie“ liege das blanke „koloniale Erbe des Westens“. ex.klusiv

  • Der Erdgaspoker der EU

    EU lehnt Bezahlung russischen Erdgases in Rubel ab und droht damit einen Lieferstopp auszulösen. Wirtschaft warnt vor massiven Einbrüchen; Versorgung der Bevölkerung ist ungewiss.

    BERLIN/MOSKAU (Eigener Bericht) – Mit der Ankündigung der EU, russisches Erdgas nicht in Rubel zu bezahlen, droht schon in wenigen Tagen das Ende von Erdgaslieferungen aus Russland. Die G7-Staaten hatten bereits am Montag mitgeteilt, westliche Unternehmen müssten Erdgas weiter in Euro oder in US-Dollar kaufen. Die EU schließt sich dem jetzt an. Weil Russlands Präsident Wladimir Putin erklärt hat, Moskau könne Euro und US-Dollar sanktionsbedingt nicht mehr wie gehabt nutzen und werde daher nur noch Rubel annehmen, droht nun die Einstellung der russischen Lieferungen. Die deutsche Wirtschaft ist alarmiert; Konzerne wie BASF schließen nicht aus, den Betrieb sogar an riesigen Standorten einstellen zu müssen; Gewerkschaften warnen vor einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit. In einer Krisenmanagementübung deutscher Behörden (LÜKEX 18) zeigte sich vor einigen Jahren, dass schon bei einem Einbruch der Gasversorgung um 30 Prozent Versorgungsausfälle bis hin zu Nahrungsmangel drohen. Aus Russland kommen gut 50 Prozent des in Deutschland konsumierten Gases. Deutsche Ökonomen geben sich optimistisch: In Krisensituationen würden „Wirtschaft und Bürger immer kreativ“. ex.klusiv

  • Festtage für die Rüstungsindustrie (III)

    Berlin plant den Kauf eines milliardenschweren Raketenabwehrsystems speziell zur Abwehr russischer Raketen. Papst Franziskus übt harte Kritik an der westlichen Aufrüstungswelle.

    BERLIN/TEL AVIV (Eigener Bericht) – Mit Plänen zum Erwerb eines milliardenschweren Raketenabwehrsystems treibt die Bundesregierung die Aufrüstung der Bundeswehr energisch voran. Laut Berichten wird der Kauf des israelischen „Arrow 3“-Systems angestrebt; dessen Abwehrraketen sind in der Lage, feindliche Flugkörper in großer Höhe abzuschießen, und gelten als geeignet für den Kampf gegen russische Raketentypen. Eine Bundestagsdelegation ist gegenwärtig zu einschlägigen Gesprächen in Israel unterwegs. Der dortige „Arrow 3“-Hersteller IAI (Israel Aerospace Industries) beliefert die Bundeswehr schon seit langem und kooperiert eng mit deutschen Waffenschmieden, darunter der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern. Auch die Kampfdrohne „Heron TP“, die Berlin laut Mitteilung von Kanzler Olaf Scholz aus dem neuen 100-Milliarden-Euro-Fonds für die Bundeswehr kaufen will, wird von IAI hergestellt. Schon zuvor hatte Berlin mitgeteilt, F-35-Kampfjets für Nuklearangriffe erwerben zu wollen. Harte Kritik an der aktuellen Aufrüstungswelle im Westen äußert Papst Franziskus, der vergangene Woche erklärte, „zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Kauf von Waffen auszugeben“ sei „irre“. ex.klusiv

  • Krieg und Hunger

    Ukraine-Krieg: Russlands Überfall und die westlichen Sanktionen führen zu Zunahme von Hunger und Unterernährung weltweit. Hungerrevolten und ihr Umschlag in Aufstände gelten als möglich.

    BERLIN/KIEW/MOSKAU (Eigener Bericht) – Russlands Invasion in die Ukraine und die vom Westen verhängten Sanktionen führen zu einer globalen Zunahme von Hunger und Unterernährung. Russland und die Ukraine gehören zu den wichtigsten Getreideproduzenten weltweit; Russland und Belarus liegen bei der Düngemittelproduktion, die für die Agrarwirtschaft von höchster Bedeutung ist, global weit vorn. Moskau hat weitgehende Exportbeschränkungen für Getreide verhängt, um die Ernährung der Bevölkerung trotz sanktionsbedingt ausfallender Nahrungsmittelimporte zu sichern. Der Getreideexport der Ukraine ist durch den russischen Überfall zum Erliegen gekommen. Auch Düngemittel liefert Russland nicht mehr ins Ausland, da Transport und Bezahlung aufgrund der Sanktionen nicht wie gehabt abgewickelt werden können. Schon jetzt steigen in Ostafrika die Getreidepreise dramatisch; Beobachter warnen vor Hungersnöten. In der arabischen Welt kommt der Preisanstieg zu bereits bestehenden politischen und sozialen Spannungen hinzu; Warnungen vor Hungerrevolten und einem Umschlag in politische Aufstände werden laut. In Südamerika hat eine Kampagne begonnen, Düngemittel von Sanktionen auszunehmen. ex.klusiv

  • Von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer

    NATO weitet Truppenpräsenz in Ost- und Südosteuropa aus. Bundeswehr ist in mehreren Ländern beteiligt. Auch Manöver werden verstärkt – vom Hohen Norden bis zum Mittelmeer.

    BERLIN/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Die NATO weitet ihre Truppenpräsenz in Ost- und Südosteuropa erheblich aus. Das ist eines der Ergebnisse des jüngsten Gipfeltreffens, zu dem die Staats- und Regierungschefs des Militärbündnisses am gestrigen Donnerstag in Brüssel zusammenkamen. Demnach wird zum einen die Zahl der NATO-Battlegroups durch die Stationierung neuer Einheiten in der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien verdoppelt; zum anderen werden mehr Kampfjets, Kriegsschiffe und Flugzeugträgerkampfgruppen in die Region geschickt. Die Bundeswehr ist mit der Entsendung von Militärs nach Litauen und in die Slowakei sowie mit der Bereitstellung von Eurofightern und Kriegsschiffen beteiligt. Die Maßnahmen werden von Hardlinern schon seit Jahren gefordert und waren bereits vor der Eskalation des Ukraine-Konflikts im Gespräch; konkrete Schritte wurden vor Kriegsbeginn eingeleitet. In einigen Staaten der Region gibt es Widerstände. Die NATO-Truppenstandorte ziehen sich in einem weiten Bogen von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Manöver, mit denen die NATO aktuell den Krieg übt, reichen vom Hohen Norden bis zum Mittelmeer. ex.klusiv

  • Festtage für die Rüstungsindustrie (II)

    Bundestag debattiert 100-Milliarden-Euro-Fonds für die Bundeswehr. Daraus sollen US-Kampfjets F-35 finanziert werden. Europa verzeichnet weltgrößte Steigerungsrate beim Rüstungsimport.

    BERLIN (Eigener Bericht) – Der Deutsche Bundestag hat die dramatischste Erhöhung des bundesdeutschen Militärhaushalts auf den Weg gebracht. In der gestrigen Parlamentsdebatte zeichnete sich eine klare Mehrheit nicht nur für die Erhöhung des Wehretats auf mehr als 50 Milliarden Euro in diesem Jahr, sondern auch für die Bereitstellung eines 100 Milliarden Euro schweren „Sondervermögens“ ab, mit dem die Ausgaben für die Bundeswehr auf mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht werden sollen. Bereits beschlossen ist insbesondere die Beschaffung des US-Kampfjets F-35, den Berlin erwerben will, um in der Bundesrepublik gelagerte US-Atomwaffen an ihrem Ziel abwerfen zu können. Der US-Konzern Lockheed Martin erwirtschaftet mit dem Jet, den Militärs wegen seiner zahlreichen Pannen kritisieren, mehr als ein Viertel seines Umsatzes und ist deshalb auf neue Käufer angewiesen. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht will den neuen 100-Milliarden-Euro-Fonds nicht als Schritt zu „Aufrüstung“ oder „Militarisierung“ verstanden wissen. Der Kauf des F-35 durch andere Staaten Europas hat dem Kontinent schon jetzt die weltweit höchsten Steigerungsraten beim Rüstungsimport verschafft. ex.klusiv

  • „Ein ungeheuerlicher Vergleich“

    Israelische Politiker üben scharfe Kritik an Vergleichen zwischen Russlands Krieg in der Ukraine und der Shoah. „Putin-Hitler“-Vergleiche sind auch in Deutschland verbreitet.

    BERLIN/MOSKAU (Eigener Bericht) – Die Bestrebungen, Russlands Krieg gegen die Ukraine mit dem deutschen Vernichtungskrieg in Osteuropa zu parallelisieren, haben einen Dämpfer erhalten. Israelische Politiker wiesen in den vergangenen Tagen Äußerungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj scharf zurück, der in einer Rede vor der Knesset behauptet hatte, in Moskau sei – unter Übernahme der NS-Terminologie – von der „Endlösung der ukrainischen Frage“ die Rede. Jeder Vergleich des Krieges in der Ukraine „mit den Schrecken des Holocaust“ sei „ungeheuerlich“, stellt Kommunikationsminister Yoaz Hendel in Reaktion auf Selenskyjs Rede fest. Vergleiche zwischen dem NS-Regime und der russischen Regierungspolitik werden auch in Deutschland angestellt; insbesondere wird die russische Kriegführung als „Vernichtungskrieg“ bezeichnet – im Anklang an den Vernichtungskrieg der Wehrmacht in der Sowjetunion, der zwecks Eroberung von „Lebensraum“ die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung vorantrieb. Am Massenmord an der jüdischen Bevölkerung beteiligte sich auch die Ukrainische Aufstandsarmee, deren Gründungstag in der Ukraine als Feiertag begangen wird. ex.klusiv

  • Das Kräftemessen des 21. Jahrhunderts

    Berlin arbeitet an Nationaler Sicherheitsstrategie, EU verabschiedet Strategischen Kompass, NATO bereitet Strategisches Konzept vor. Ziviles Leben wird für „Sicherheitspolitik“ verfügbar gemacht.

    BERLIN/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Mit einer neuen Nationalen Sicherheitsstrategie sucht die Bundesregierung die deutsche Außen- und Militärpolitik noch stärker als bisher zu formieren. Die Strategie wird, wie Außenministerin Annalena Baerbock am Freitag bei der Auftaktveranstaltung für die Erstellung des Papiers erklärte, sowohl die Landesverteidigung wie auch den Einsatz für deutsche Interessen „weltweit“ umfassen und dabei vor allem auf zwei Gegner orientieren – Russland und China. Wie Baerbock behauptete, „verlangen“ die verbündeten Staaten dabei von Deutschland „als größter europäischer Volkswirtschaft Führung“. Die Strategie soll einem „umfassenden Verständnis von Sicherheit“ folgen, das nicht nur das Militär, sondern weite Teile des zivilen Lebens für das „Kräftemessen des 21. Jahrhunderts“ (Baerbock) verfügbar macht; die Bandbreite reicht der Außenministerin zufolge von der Wirtschaft über die Kultur bis hin zum Sport. Den Rahmen für die deutsche Sicherheitsstrategie bilden der Strategische Kompass, den die EU gestern verabschiedet hat, und das neue Strategische Konzept der NATO, das Ende Juni abgesegnet werden soll. ex.klusiv

  • „Frieren gegen Putin”

    Die Sicherung von Flüssiggas für Deutschland zwecks Ausstieg aus russischem Erdgas kommt nur schleppend voran. Mindestabnahmemenge muss ohnehin bei Gazprom bezahlt werden.

    BERLIN/DOHA (Eigener Bericht) – Die Sicherung neuer Flüssiggaslieferungen für Deutschland zwecks Ausstieg aus dem Bezug russischen Erdgases kommt schleppender als gewünscht voran. Wie nach Gesprächen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in Qatars Hauptstadt Doha gemeldet wird, ist es nicht gelungen, kurzfristige Lieferungen in nennenswertem Umfang zu sichern. Allenfalls in mehreren Jahren wird Doha demnach eine größere Menge Erdgas nach Deutschland exportieren. Ähnliche Ergebnisse hatte Habeck zuvor in den USA und in Norwegen erzielt. Demnach bliebe die Bundesrepublik länger auf russisches Erdgas angewiesen als erhofft. Ähnliches zeichnet sich nach einer Analyse des Oxford Institute for Energy Studies (OIES) für die EU ab, die, um russisches Erdgas zu ersetzen, mehr Flüssiggas benötigt, als auf dem Weltmarkt frei verfügbar ist. Medien und Politiker werben mit Parolen wie „Frieren für die Freiheit“ für geringeren Erdgasverbrauch. Das OIES weist unterdessen darauf hin, dass die langfristigen Lieferverträge mit Gazprom eine Mindestabnahme von geschätzten 120 Milliarden Kubikmetern Erdgas vorsehen. Diese müssen auch dann bezahlt werden, wenn der Käufer sie nicht abruft. ex.klusiv

  • „Russland isolieren” (II)

    Die Bestrebungen des Westens, Russland weltweit zu isolieren, stoßen auf Widerstand; die überwiegende Mehrheit aller Staaten nimmt nicht an den Russland-Sanktionen teil.

    BERLIN/MOSKAU (Eigener Bericht) – Die Bestrebungen der transatlantischen Mächte, Russland möglichst weltweit zu isolieren, stoßen auf breiten Widerstand. Indien verweigert sich der Forderung, sich der Sanktionspolitik anzuschließen, arbeitet an einem alternativen, nicht auf SWIFT und den US-Dollar angewiesenen Zahlungssystem und plant eine Ausweitung seiner Erdölimporte aus Russland. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sperren sich gegen das Verlangen, ihre Ölförderung stark auszuweiten, um ein globales Ölembargo gegen Russland zu ermöglichen; der britische Premierminister Boris Johnson kehrte gestern nach Verhandlungen auf der Arabischen Halbinsel mit leeren Händen heim. Mehrere Staaten Südamerikas, darunter Argentinien, Brasilien und Chile, machen Druck, zumindest russische Düngemittelexporte zu ermöglichen; andernfalls, heißt es, sei die globale Versorgung mit Lebensmitteln in Gefahr. Die Staaten Lateinamerikas sowie Afrikas halten sich von der Sanktionspolitik ebenso fern wie die Türkei, beinahe alle Staaten Südostasiens und des Nahen und Mittleren Ostens sowie China. Die im Westen beliebte Aussage, Russland sei „in der Welt isoliert“, trifft nicht zu. ex.klusiv