Von Drohnen- zu Bootsmorden
Trump hält an seinen Kriegsdrohungen gegen Venezuela fest und weitet seine Drohungen gegen weitere Länder aus, vor allem gegen Kolumbien. Berlin („Menschenrechte“) schweigt dazu – wie auch zu den US-Bootsmorden in der Karibik.
BERLIN/CARACAS/WASHINGTON (Eigener Bericht) – US-Präsident Donald Trump weitet seine Kriegsdrohungen gegen die Staaten Lateinamerikas aus und stellt grundsätzlich jedem vom Drogenschmuggel betroffenen Land Bombenangriffe in Aussicht. Dies gelte vor allem für Kolumbien, erklärte Trump am Dienstag, nachdem er in einem beispiellosen Übergriff erklärt hatte, er schließe den Luftraum des souveränen Staates Venezuela. Während etwa die Vereinten Nationen von Washington verlangen, zumindest wieder das internationale Recht zu wahren und die Übergriffe zu stoppen, schweigt die Bundesregierung, die sich ansonsten gern als Predigerin in Sachen Menschenrechte in Szene setzt, beharrlich. Zuvor hatte Außenminister Johann Wadephul zu den andauernden US-Bootsmorden in der Karibik, die etwa in Frankreich und in Großbritannien erkennbar auf Kritik stoßen, erklärt, die USA und Venezuela müssten „das Thema bilateral lösen“; Venezuela müsse sich „zurücknehmen“. Die Bootsmorde brechen internationales wie auch US-Recht, weil sie Menschen umbringen, ohne sie vor Gericht zu stellen oder ihnen auch nur ein Verbrechen nachzuweisen. Damit erinnern sie an die langjährigen US-Drohnenmorde etwa in Pakistan und in Somalia.
„Das Ende des internationalen Rechts“
US-Präsident Donald Trump weitet seine Kriegsdrohungen gegen die Staaten Lateinamerikas aus und stellt prinzipiell jedem Land, aus dem Drogen in die USA geschmuggelt werden, US-Bombenangriffe in Aussicht. „Jeder, der das tut, kann angegriffen werden“, kündigte Trump am Dienstag an.[1] Konkret bezog er das auf Kolumbien. Dessen Präsident Gustavo Petro hat immer wieder massive Kritik an Trumps Kriegsvorbereitungen gegen Venezuela und an den US-Bootsmorden in der Karibik geübt – auch deshalb, weil diesen mindestens ein Fischer aus Kolumbien zum Opfer gefallen ist und die US-Raketenattacken auf die Boote zahlreiche kolumbianische Fischer daran hindern, auf hoher See ihrem Beruf nachzugehen; die Gefahr, dort von US-Militärs umgebracht zu werden, ist zu groß.[2] Petro hat darüber hinaus scharfen Protest gegen Trumps Ankündigung eingelegt, den Luftraum über Venezuela zu schließen. Komme Trump damit durch, dann sei nicht bloß das „Konzept der nationalen Souveränität“, sondern das komplette „Konzept des ‘internationalen Rechts‘“ Geschichte, schrieb er auf X.[3] Auf die jüngste Drohung des US-Präsidenten erwiderte Petro, jeder Angriff auf Kolumbiens Souveränität komme „einer Kriegserklärung“ gleich.[4]
„Alle töten“
Die US-Bootsmorde in der Karibik und vereinzelt im Pazifik beginnen mittlerweile auch anderswo auf ernsten Protest zu stoßen. Die Tatsache, dass Drogenschmuggel ein Verbrechen, aber keine Kriegshandlung ist, löst in Washington schon seit längerer Zeit Unruhe bezüglich des Vorgehens der Trump-Administration aus, die mit ihren Angriffen auf die Boote Personen umbringt, ohne ihre Schuld nachgewiesen und ohne sie vor Gericht gestellt zu haben. Das kommt ordinären Morden gleich. Am Dienstag hat die Familie eines ermordeten Fischers aus Kolumbien die erste Beschwerde bei der Comisión Interamericana de los Derechos Humanos (CIDH, Interamerikanische Kommission für Menschenrechte) eingelegt; sie will damit dazu beitragen, die Bootsmorde zu beenden.[5] Unterdessen hat in Washington einen Skandal ausgelöst, dass US-Militärs nach dem ersten völkerrechtswidrigen Angriff auf ein Boot am 2. September zwei Überlebende, die sich an Bootstrümmer klammerten, kaltblütig mit einer weiteren Rakete ermordeten. Dies ist nach internationalem wie auch nach US-Recht explizit untersagt.[6] Kriegsminister Pete Hegseth hatte zuvor laut Aussage von Zeugen befohlen, „alle zu töten“. Von Hegseth weiß man, dass er die Einsatzregeln für das US-Militär möglichst umfassend auszuhebeln sucht.[7]
Zivile Opfer
Die Bootsmorde erinnern an die Ära der US-Drohnenmorde vor allem in Afghanistan, in Pakistan, in Somalia und im Jemen. Über viele Jahre hin ließen die US-Regierungen unter den Präsidenten George W. Bush, Barack Obama und Donald Trump tatsächliche oder vermeintliche Jihadisten mit Drohnen verfolgen und sie umbringen – dies auch dann, wenn sie sich nicht in einer Kampfhandlung oder ihrer Vorbereitung befanden. Schon dies ist laut internationalem Recht auch dann rechtswidrig, wenn man Jihadisten nicht als Verbrecher, sondern als Kombattanten in einem Krieg begreift. Es kommt hinzu, dass bei den Angriffen mit Drohnen zahllose Zivilisten zu Tode kamen. Im Jahr 2013 ergab eine interne Analyse der US-Streitkräfte, dass gerade einmal zehn Prozent der Menschen, die durch Drohnenangriffe in Afghanistan ihr Leben verloren, Zielpersonen waren.[8] Die genaue Anzahl der zivilen Todesopfer ist bis heute unbekannt; sie geht mutmaßlich weit in die Tausende. Allein in der Amtszeit von Barack Obama führten die USA 1.878 Drohnenangriffe durch; in den ersten zwei Jahren der ersten Amtszeit von Donald Trump folgten 2.243 weitere.[9] Zählt man die Opfer von Luftangriffen mit bemannten Flugzeugen hinzu, gehen Experten von zumindest 22.000, vielleicht aber sogar bis zu 48.000 zivilen Todesopfern aus.[10]
Wer sich zurücknehmen soll
Die Zahl der Bootsmorde ist bis zum 16. November auf 83 Menschen gestiegen, die bei 21 Angriffen auf Boote in der Karibik und im Pazifik zu Tode kamen.[11] Seitdem sind keine weiteren Opferzahlen mehr offiziell bestätigt worden. Wieviele Menschen mehr inzwischen bei US-Attacken umgebracht wurden, ist unbekannt. In Frankreich und Großbritannien hat das US-Vorgehen mittlerweile erkennbar Kritik ausgelöst. So hatte der französische Außenminister Jean-Noël Barrot beim G7-Außenministertreffen am 11. November erklärt, man beobachte in Paris „die militärischen Operationen in der Karibik mit Sorge“ – denn sie „lösen sich vom internationalen Recht“.[12] Großbritannien hatte sogar die Weitergabe von Geheimdienstdaten mit Bezug zum Drogenschmuggel in der Karibik an die USA gestoppt, um nicht wegen Mitschuld an den Morden belangt werden zu können. Nur die deutsche Regierung sieht keinen Anlass, sich kritisch zu äußern. „Wir sind der Meinung, dass die Vereinigten Staaten und Venezuela das Thema bilateral lösen müssen, sagte Außenminister Johann Wadephul am Rande des G7-Außenministertreffens; darüber hinaus müsse es „jetzt klar sein … für Venezuela, dass es sich auch entsprechend zurücknehmen muss“.[13]
Verbündete
Unterdessen hält Trump seine Drohung mit Angriffen auf venezolanisches Territorium aufrecht. Die Angriffe würden „sehr bald“ erfolgen, kündigte er an. Während er dies weiter damit legitimiert, Drogenhändler müssten ausgeschaltet werden – tödliche Angriffe auf sie ohne jegliches Gerichtsurteil wären auch an Land Mord –, hat er am Montag Juan Orlando Hernández begnadigt. Der ehemalige Präsident von Honduras war 2024 wegen Schmuggels von mehreren hundert Tonnen Kokain in die Vereinigten Staaten von einem US-Gericht zu einer Haftstrafe von 45 Jahren verurteilt worden. Er gehört freilich dem rechten Partido Nacional de Honduras (PNH) an, der Trump relativ nahe steht.[14] Mit Kokainschmuggel in Verbindung gebracht wird auch Ecuadors Präsident Daniel Noboa, der einer Dynastie von Bananenhändlern entstammt. In Bananenlieferungen der Noboa Trading nach Europa ist Recherchen zufolge mehrfach Kokain gefunden worden.[15] Auch Noboa gilt als ein verlässlicher Verbündeter von Trump.[16]
Mehr zum Thema: Der Umsturznobelpreis und Die Militarisierung der Karibik.
[1] Trump says any country trafficking drugs into US could be attacked. reuters.com 02.12.2025.
[2] S. dazu Den eigenen Gipfel boykottiert.
[3] Demian Bio: Colombian President Petro Slams Trump for Saying Venezuela’s Airspace Should Be Considered Closed: ‘Under What Norm Of International Law?’ latintimes.com 30.11.2025.
[4] Trump says any country trafficking drugs into US could be attacked. reuters.com 02.12.2025.
[5] Mauricio Torres, Michael Rios: Colombian family files first known formal complaint over deadly US strike in Caribbean. edition.cnn.com 02.12.2025.
[6] Alex Horton, Ellen Nakashima: Hegseth order on first Caribbean boat strike, officials say: Kill them all. washingtonpost.com 28.11.2025.
[7] Michael R. Gordon, Alexander Ward, Vera Bergengruen: Hegseth’s Decadeslong Quest to Rewrite the Rules of Engagement. wsj.com 02.12.2025.
[8] US deadly drone strikes. amnesty.org.uk 18.05.2020.
[9] Trump revokes Obama rule on reporting drone strike deaths. bbc.co.uk 07.03.2019.
[10] Peter Beaumont: US airstrikes killed at least 22,000 civilians since 9/11, analysis finds. theguardian.com 07.09.2021.
[11] Lazaro Gamio, Carol Rosenberg, Charlie Savage: Tracking U.S. Military Killings in Boat Attacks. nytimes.com 16.11.2025.
[12] Amérique latine/Caraïbes – G7 – Déclarations à la presse de Jean-Noël Barrot à son arrivée à Niagara, dans le cadre de sa participation à la réunion des ministres des affaires étrangères du G7 (11 novembre 2025). diplomatie.gouv.fr 11.11.2025.
[13] Majid Sattar: Rubio verschafft Trump Beinfreiheit. Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.11.2025.
[14] Christopher Sherman, Mike Catalini: Former Honduras President Juan Orlando Hernández freed after Trump pardon. apnews.com 03.12.2025.
[15] Daniel Noboa’s family business, President of Ecuador, is involved in cocaine trafficking to Europe. revistaraya.com 29.03.2025.
[16] Ociel Alí López: President Noboa: Another Trump Ally in Latin America. jacobin.com 20.04.2025.

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