Wirtschaftsmacht im Abstieg (II)

Die drei größten Branchen der deutschen Industrie – Kfz, Maschinenbau, Chemie – verzeichnen einen klaren Rückgang in der Produktion und rechnen mit weiteren Verlusten. Die neuen US-Zölle verursachen zusätzliche Schäden.

BERLIN (Eigener Bericht) – Mit dem Maschinenbau gibt die dritte der drei Paradebranchen der deutschen Industrie schwere Einbußen in ihrer Produktion und drohende weitere Verluste bekannt. Wie der Branchenverband VDMA mitteilt, geht er für dieses Jahr von einem Rückgang der Produktion um rund fünf Prozent aus. Schon 2024 hatte er preisbereinigt einen Produktionseinbruch um sieben Prozent berechnet. Mit zusätzlichen Verlusten rechnet der VDMA im Export in die USA: Die Trump-Administration will die Liste der Maschinen, auf deren Import sie die 50-Prozent-Zölle auf die Stahleinfuhr anwendet, ausweiten. Sie träfe dann 56 Prozent aller deutschen Maschinenausfuhren in die Vereinigten Staaten. Schon zuvor hatten die deutschen Branchen Nummer eins (Kfz) und Nummer drei (Chemie) gravierende Verluste verzeichnet. So schrumpfte der Marktanteil der drei großen deutschen Autokonzerne auf den drei wichtigsten Märkten weltweit (China, USA, Europa) von 21,7 auf 19,3 Prozent. Der Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, urteilt, die drei Kfz-Riesen könne es womöglich „schon zum Ende des Jahrzehnts nicht mehr geben“. Auch in der Chemiebranche bricht die Produktion ein, zuletzt ebenfalls um fünf Prozent.

Deutschlands Branche Nummer eins

Längst tief in der Krise steckt die – noch – bedeutendste Branche der deutschen Wirtschaft, die Kfz-Industrie. Der Absatz der drei großen deutschen Autokonzerne – Volkswagen, BMW und Mercedes – auf den drei wichtigsten Märkten weltweit, nämlich in China, den USA und Europa, schrumpfte von Januar bis August 2025 um gut fünf Prozent. Dies geschah entgegen dem Trend: Insgesamt nahmen die Neuzulassungen in den drei Großregionen um mehr als sechs Prozent zu. Damit fiel der Marktanteil der deutschen Branchenriesen von 21,7 Prozent auf 19,3 Prozent.[1] Besonders stark fiel der Marktanteil der deutschen Konzerne in China, wo er in den vergangenen beiden Jahren von 22,6 Prozent auf 16,7 Prozent kollabierte. Der Hauptgrund ist dem Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, Stefan Bratzel, zufolge, dass die deutschen Unternehmen „massiv unterschätzt“ haben, „wie schnell“ chinesische Konkurrenten „technisch und preislich attraktive Elektroauto-Modelle auf den Markt bringen würden“.[2] Entsprechend stürzten auf dem um stolze 60 Prozent gewachsenen chinesischen Elektroautomarkt die Elektroauto-Zulassungen von Volkswagen um 21 Prozent, von BMW um 37 Prozent und Mercedes um 58 Prozent ab.

Das Ende der Kfz-Riesen

Die deutschen Kfz-Standorte sind nun zusätzlich mit den Zöllen in Höhe von 15 Prozent auf Lieferungen in die Vereinigten Staaten konfrontiert. Bereits von 2014 bis 2024 gingen ihre Exporte um 26 Prozent auf 3,2 Millionen Fahrzeuge zurück.[3] Die US-Zölle lassen nun ein weiteres Schrumpfen der deutschen Kfz-Exporte vermuten. Das wiegt schwer, da die USA der größte Exportmarkt der deutschen Kfz-Branche sind. Dies trägt unter anderem zum weiteren Abbau von Arbeitsplätzen in der Branche bei. Gingen seit 2019 bereits rund 55.000 Stellen verloren [4], kämen bis 2030 wohl gut 90.000 weitere hinzu, heißt es in einer Studie aus dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Dies entspräche einem Arbeitsplatzverlust von 7,8 Prozent, konstatiert das IW. Mittlerweile äußern Ökonomen offen Zweifel, welche Zukunft die Branche überhaupt noch hat. So warnte am Sonntag etwa der Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, die Branche sei dabei, „die nächste Revolution“ – das autonome Fahren – ebenfalls zu verschlafen. Er halte es für gut möglich, dass es die drei Branchenriesen Volkswagen, BMW und Mercedes in ihrer heutigen Form „schon zum Ende des Jahrzehnts nicht mehr geben“ werde, urteilte Schularick.[5]

Deutschlands Branche Nummer drei

Ebenfalls unter schweren strukturellen Problemen leidet die deutsche Chemieindustrie. Auf der Branche lasten insbesondere die gestiegenen Erdgaspreise, die durch den Ausstieg aus dem kostengünstigen russischen Pipelinegas und den Umstieg auf kostspieliges, oft aus den Vereinigten Staaten importiertes Flüssiggas bedingt sind. Nicht zuletzt deshalb schrumpfte die deutsche Chemieproduktion – die Pharmasparte nicht eingerechnet – von 2021 bis 2022 um rund zehn und von 2022 bis 2023 um weitere elf Prozent. Laut Angaben des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) lag sie im zweiten Quartal 2025 erneut um fünf Prozent unter dem Volumen des Vorjahresquartals.[6] Die Auslastung der Anlagen liege derzeit im Durchschnitt bei 71 Prozent und damit schmerzlich spürbar unter der Rentabilitätsschwelle, die auf rund 82 Prozent berechnet werde. Die Branche, so heißt es, produziere „so schwach wie zuletzt 1991“. Jetzt kommt noch hinzu, dass der Handelsdeal, den die EU-Kommission mit der Trump-Regierung geschlossen hat, US-Lieferungen in die EU zollfrei stellt und es damit der US-Branche ermöglicht, auf dem europäischen Markt mit der EU-Konkurrenz zu rivalisieren.[7] Die deutschen Chemiekonzerne dringen mit ganzer Macht auf die Abwehr zumindest der chinesischen Konkurrenz mit Hilfe eigener Zölle.

Deutschlands Branche Nummer zwei

Von der Krise schwer erfasst worden ist auch der deutsche Maschinenbau. Gelang es der Branche zunächst, nach dem Einbruch der Corona-Pandemie wieder zu wachsen, so endete diese Phase bereits 2024 mit einem ersten erneuten Rückgang von Umsatz und Produktion. Laut Angaben des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) ging die Produktion der deutschen Maschinenbaufirmen schon im Jahr 2024 preisbereinigt um rund sieben Prozent gegenüber 2023 zurück.[8] Für dieses Jahr geht der Verband zur Zeit von einem erneuten Schrumpfen der Produktion um vermutlich gut fünf Prozent aus.[9] Zudem brechen die Aufträge ein. Wie der VDMA am gestrigen Montag mitteilte, verzeichneten die Unternehmen der Branche im September einen Rückgang bei den Inlandsaufträgen von 5 Prozent und bei den Auslandsaufträgen um 24 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, wobei die Aufträge aus den Euro-Ländern nur um 13 Prozent einbrachen, diejenigen aus Nicht-Euro-Staaten um 27 Prozent.[10] Zwar heißt es, die hohen Rückgänge im September seien durch Sondereffekte nach oben verzerrt, etwa durch besonders hohe Aufträge im September 2024. Doch lagen alle Aufträge im dritten Quartal insgesamt gleichfalls um 6 Prozent unter dem Vorjahreswert.

Trumps offenes Foulspiel

Dabei rechnet der VDMA mit einer zusätzlichen schweren Belastung der Branche durch den kürzlich geschlossenen Handelsdeal zwischen der EU und den USA. Das wiegt schwer, denn die Vereinigten Staaten waren im vergangenen Jahr der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt deutscher Maschinenbauer; von deren Gesamtexport im Wert von knapp 200 Milliarde Euro gingen Ausfuhren im Wert von 27,4 Milliarden Euro in die USA, Ausfuhren im Wert von 17,7 Milliarden Euro nach China, Ausfuhren im Wert von 13,3 Milliarden Euro nach Frankreich.[11] Bereits im August hat die Trump-Administration nun freilich die 50-Prozent-Zölle, mit denen sie den Import von Stahl belegt hat, auf eine Reihe Produkte ausgeweitet, die Stahl beinhalten; betroffen sind jetzt rund 40 Prozent aller Maschinenexporte aus der EU. Wie der VDMA berichtet, plant Washington noch vor Jahresende eine Ausdehnung der Liste der Waren, auf die die 50-Prozent-Zölle angewandt werden; laut Angaben des VDMA sind davon dann 56 Prozent aller deutschen Maschinenexporte betroffen. VDMA-Präsident Bertram Kawlath nennt die – im Handelsdeal mit der EU nicht enthaltene – Maßnahme ein offenes „Foulspiel“ und fordert eine Antwort der EU.[12] Davon ist freilich nichts zu sehen.

 

[1], [2] Lazar Backowicz, Martin-W. Buchenau, Michael Scheppe, Roman Tyborski: VW, BMW und Mercedes verlieren global an Bedeutung. handelsblatt.com 09.10.2025.

[3] Julian Olk: Bis 2030 sind weitere 90.000 Jobs bedroht. handelsblatt.com 09.09.2025.

[4] Dies ist eng gefasst. Andere Untersuchungen gehen – inklusive Zulieferer – von einem Verlust von 112.000 Arbeitsplätzen seit 2019 aus. Franziska Müller: Stellenabbau spitzt sich zu: Das fordert die Autobranche jetzt von der Regierung. de.euronews.com 08.10.2025.

[5] Valerie Ndoukoun: Schularick sieht große deutsche Autobauer bis 2030 verschwinden. handelsblatt.com 03.11.2025.

[6] Bert Fröndhoff: Deutsche Chemiebranche produziert so schwach wie zuletzt 1991. handelsblatt.com 03.09.2025.

[7] S. dazu Wirtschaftsmacht im Abstieg.

[8] Konjunkturlage und Ausblick. VDMA, März 2025.

[9], [10] Rückschlag in den Orderbüchern. vdma.eu 03.11.2025.

[11] Holger Paul: „Die USA betreiben ein kontinuierliches Zoll-Foulspiel“. vdma.eu 29.10.2025.


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