Die Rüstungsregierung im Amt

Bundeswehr und Rüstungs-Startups dringen auf rasche Aufrüstung der Bundeswehr mit Satellitenkonstellationen, Kamikazedrohnen – darunter KI-gesteuerte – und Kampfrobotern. Hochburg deutscher Rüstungs-Startups ist München.

BERLIN (Eigener Bericht) – Die neue Bundesregierung soll so rasch wie möglich neue Rüstungsvorhaben beschließen und dabei insbesondere High-Tech-Projekte berücksichtigen. Darauf dringen Bundeswehr und Teile der Rüstungsbranche, insbesondere junge Startups mit militärischem Schwerpunkt. So fordert die Bundeswehr die Beschaffung einer kompletten Satellitenkonstellation, die hunderte einzelne Satelliten umfassen und bis zu zehn Milliarden Euro kosten könne. Zudem hat die Truppe die Beschaffung von Kampfdrohnen eingeleitet, darunter Kamikazedrohnen, die mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuert werden; feindliche Störsender sollen ihnen nichts mehr anhaben können. Eines der Startups, das auf einen Bundeswehr-Auftrag hoffen kann, will zudem einen „Drohnenwall“ an der NATO-Ostgrenze errichten. Einer der Gründer des Unternehmens arbeitete zuvor bei McKinsey und war in dessen Auftrag im Bundesverteidigungsministerium unter der heutigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen tätig. Mit den McKinsey-Aktivitäten in dem Ministerium war ein Untersuchungsausschuss des Bundestags befasst. Deutsche Rüstungs-Startups arbeiten inzwischen sogar daran, Insekten zur Kriegsführung zu nutzen – etwa Kakerlaken.

KI-Kamikazedrohnen

Zu den womöglich ersten Beschaffungsprojekten, die die neue Bundesregierung finanzieren wird, gehört die Aufrüstung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen. Laut Berichten plant Berlin, Drohnen der zwei Münchner Startups Helsing und Stark Defence zu kaufen. Stark Defence, im Jahr 2024 von dem einstigen Heeresflieger Florian Seibel gegründet, stellt Kampfdrohnen mit einer Reichweite von bis zu 100 Kilometern her. Die Firma nutzt laut eigenen Angaben ausschließlich Bauteile deutscher Zulieferer; sie wird aber unter anderem von der US-Risikokapitalgesellschaft Sequoia und vom ultrarechten US-Tech-Milliardär Peter Thiel finanziert, dem Mentor von US-Vizepräsident JD Vance.[1] Helsing wiederum, gegründet im Jahr 2021 und zunächst auf die Produktion von Künstlicher Intelligenz (KI) für Panzer, U-Boote oder Kampfjets fokussiert, fertigt vor allem sogenannte Kamikazedrohnen, die sich mit ihrer Sprengladung auf ein Ziel stürzen, um es zu zerstören. Dabei werden die Drohnen des Modells HX-2 autonom von KI gesteuert und sind in der Lage, nach der Eingabe eines Zieles dieses in bis zu 100 Kilometern Entfernung ohne Steuerung von außen zu erreichen. Damit sind sie von Störsendern nicht zu stoppen. Aktuell fertigt Helsing rund 1.000 Stück pro Monat; 6.000 soll die Ukraine erhalten.[2]

Bestens vernetzt

Helsing verfolgt darüber hinaus ehrgeizige Ziele im Kontext mit aktuellen Plänen, an der NATO-Ostgrenze einen „Drohnenwall“ zu errichten. Das Unternehmen erhielt im Jahr 2024 laut Berichten den Auftrag, für 40 Millionen Euro ein Überwachungssystem mit Sensoren und Drohnen an der Grenze Litauens zu schaffen.[3] Daraus gewonnene Erfahrungen ließen sich mutmaßlich für den „Drohnenwall“ nutzen, über den Helsing-Mitgründer Gundbert Scherf äußert, er müsse auf einer Überwachung der NATO-Außengrenzen mit Satelliten gründen und daneben Aufklärungsdrohnen sowie zur Abwehr etwaiger Eindringlinge eine hohe Zahl an Kamikazedrohnen beinhalten.[4] Für Letztere kämen Helsings HX-2 in Frage. Helsing erhält in Deutschland bislang eine medial positive Bewertung, ist jüngst allerdings von der US-Agentur Bloomberg kritisch beleuchtet worden. Demnach urteilen ukrainische Militärs, die mit Helsing-Produkten operieren, die deutschen Drohnen stünden qualitativ hinter manchem Konkurrenzmodell zurück, seien zugleich aber stark überteuert.[5] Helsing gilt als bestens vernetzt: Mitgründer Scherf, ein ehemaliger McKinsey-Mitarbeiter, wurde von der Firma von 2014 bis 2016 als „Beauftragter Strategische Steuerung Rüstung“ in das Verteidigungsministerium unter Ursula von der Leyen entsandt. Mit den damals aktiven McKinsey-Netzwerken befasste sich später ein Untersuchungsausschuss des Bundestags.[6]

Militärstartup-Hochburg München

Auf baldige Aufträge aus dem Verteidigungsministerium hoffen weitere Startups, die militärisch nutzbare Roboter oder KI herstellen, darunter Alpine Eagles, ein Spezialist für Drohnenabwehr, sowie Arx Robotics, das autonom fahrende Bodensysteme entwickelt und zur Zeit einen Firmenstandort in der Ukraine aufbaut. Beide sind – wie Helsing und Stark Defence – in München ansässig. Unter anderem die räumliche Nähe zur bayerischen Luftfahrtindustrie, zudem „hochqualifizierte Talente von Institutionen wie der Technischen Universität München und der Universität der Bundeswehr“, aber auch „gezielte Start-up-Förderung“ hätten „Innovationen in diesem Bereich“ dort „besonders begünstigt“, erläutert Jakob Stöber, ein McKinsey-Militärspezialist.[7] Brancheninsider loben darüber hinaus das Innovation Center der Münchner Universität der Bundeswehr, das nach eigenen Angaben einer „Überführung von Ergebnissen der Digitalisierungs- und Technologieforschung in Deep-Tech-Ausgründungen“ dient und „Early-Stage-Startups ... in Inkubator- und Accelerator-Programmen für den Markteintritt fit“ macht.[8] Als höchst vorteilhaft für die deutschen Firmen erweist sich, dass der Finanzierungsrückstand der EU gegenüber den USA bei Rüstungs-Startups schrumpft: Standen von 2017 bis 2020 lediglich 310 Millionen US-Dollar in Europa 1,5 Milliarden in den USA gegenüber, so waren es 2014 bis 2024 schon gut 2,2 Milliarden US-Dollar in Europa gegenüber 5,4 Milliarden in den USA.[9]

Satellitenkonstellationen

Zusätzlich zur Beschaffung von Drohnen, Kampfrobotern und militärisch genutzter KI ist in der Bundeswehr auch der Erwerb neuer Satelliten im Gespräch. Aktuell verfügen die NATO-Staaten in Europa lediglich über 46 militärisch verwendete Satelliten gegenüber 171 in den USA; von den 46 europäischen befinden sich zehn im Besitz der Bundeswehr, wobei jedoch zwei – zwei erst Ende 2023 ins All transportierte SARah-Aufklärungssatelliten der Bremer OHB – funktionsunfähig sind.[10] Laut einem Handelsblatt-Bericht soll nun eine komplette Satellitenkonstellation hergestellt werden; von einem Netzwerk aus mehreren hundert Einzelsatelliten ist die Rede, die etwa Kommunikations- oder Aufklärungsfunktionen haben sollen. Die Kosten für eine Satellitenkonstellation werden auf bis zu zehn Milliarden Euro beziffert, wobei sogar die Beschaffung mehrerer Konstellationen nicht ausgeschlossen wird. Das Vorhaben solle nach der Regierungsbildung im Haushalt verankert werden, heißt es.[11] Politisch brisant ist, dass es mutmaßlich mit einer Abkehr von IRIS2 verbunden ist, einem EU-Projekt, das die Kommission erst im Dezember offiziell gestartet hat und das gleichfalls das Ziel verfolgt, eine oder mehrere Satellitenkonstellationen im All zu stationieren. Das Gemeinschaftsprojekt könnte nun durch das nationale Vorhaben abgelöst werden.

Die Kakerlakenarmee

Während es heißt, eine nationale Satellitenkonstellation biete Chancen für die gesamte deutsche Raumfahrtbranche – vor allem auch für „New-Space-Firmen“, die zur Zeit unter einem „schwachen kommerziellen Satellitengeschäft“ litten [12] –, zeigen andere Beispiele, dass die künftige High-Tech-Kriegsführung nicht nur Satelliten, Drohnen, Roboter und andere im Kern bereits bekannte Rüstungsgüter umfasst. So plant etwa das Startup Biotactics aus Kassel, wie berichtet wird, den Aufbau einer Kakerlakenarmee.[13] Demnach sollen Kakerlaken mit Hilfe elektronischer Impulse ferngesteuert werden „wie ein Spielzeugauto“. Daran forsche das Pentagon seit Jahrzehnten, heißt es; den Insekten würden dabei „winzige elektromechanische Systeme zum Empfang von Impulsen“ implementiert. Ziel sei es, sie für Überwachungsmaßnahmen einzusetzen. Im vergangenen Jahr, so wird weiter berichtet, sei es Spezialisten in Singapur erstmals gelungen, „eine Gruppe von 20 Kakerlaken mithilfe winziger, auf den Rücken geschnallter Computer fernzusteuern und sie so gemeinsam durch unwegsames Terrain zu manövrieren“.[14] Biotactics sei bisher zwar noch nicht zu einem Durchbruch gelangt; doch stünden „Investoren ... bereits Schlange“.

 

Mehr zum Thema: Die kommende Rüstungsregierung.

 

[1] Sven Astheimer: Helsing und Stark liefern Drohnen für die Bundeswehr. faz.net 04.04.2025. S. auch Die transatlantische extreme Rechte (III).

[2] Helsing-Chef hält „Drohnenwall“ binnen eines Jahres für möglich. handelsblatt.com 26.03.2025.

[3] Bloomberg: Sind Helsings KI-Drohnen überteuert? wiwo.de 09.04.2025.

[4] Sven Astheimer, Markus Frühauf, Niklas Záboji: Wer baut Europas Drohnenwall? faz.net 20.04.2025.

[5] Bloomberg: Sind Helsings KI-Drohnen überteuert? wiwo.de 09.04.2025.

[6] Kennverhältnisse in der Berateraffäre unter der Lupe. bundestag.de 08.11.2019. S. auch McKinseys Klientenprojekte.

[7] Nadine Schimroszik: Das sind die vielversprechendsten Rüstungs-Start-ups Europas. handelsblatt.com 28.03.2025.

[8] Innovation Center der UniBw M. dtecbw.de.

[9] Nadine Schimroszik: Das sind die vielversprechendsten Rüstungs-Start-ups Europas. handelsblatt.com 28.03.2025.

[10] Thomas Jahn, Frank Specht: Bundeswehr-Panne im All – OHB soll neue Satelliten liefern. handelsblatt.com 08.04.2025.

[11], [12] Thomas Jahn, Frank Specht: Bundeswehr plant eigenes Satelliten-System im All. handelsblatt.com 09.04.2025.

[13], [14] Hendrik Geisler: Mit Kölner Investoren: Deutsches Start-up plant, Kakerlaken im Kriegsgebiet einzusetzen. ksta.de 17.04.2025.


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