Konflikt um das Chinageschäft
Die Auseinandersetzungen um die Wirtschaftsbeziehungen zu China spitzen sich in Berlin und in Brüssel zu. Washington dringt auf Decoupling; einflussreiche deutsche Unternehmen, darunter Großkonzerne, fordern engere Kooperation.
BERLIN/BRÜSSEL/BEIJING (Eigener Bericht) – In Berlin und in Brüssel spitzen sich die Auseinandersetzungen um die künftigen Wirtschaftsbeziehungen zu China zu. Hintergrund ist das Angebot der Trump-Administration, Ländern günstigere Zölle für Ausfuhren in die USA zu gewähren, wenn sie die ökonomische Kooperation mit China reduzieren. Washington lockt deutsche Kfz-Konzerne zudem mit einer exklusiven Zusammenarbeit bei der Entwicklung des autonomen Fahrens – und zwar mit dem Ziel, gemeinsam chinesische Kfz-Unternehmen zurückzudrängen. Dabei haben deutsche Autohersteller längst begonnen, ihrerseits eng mit chinesischen Unternehmen zu kooperieren; BMW etwa hat vergangene Woche mitgeteilt, neue Modelle nicht nur gemeinsam mit Huawei und Alibaba, sondern auch mit Unterstützung durch das KI-Startup DeepSeek zu entwickeln. Rund drei Dutzend deutsche Unternehmen haben sich mit einem Schreiben an die künftige Bundesregierung gewandt, in dem sie äußern, sie seien zunehmend auf Firmen aus China angewiesen, die immer öfter „Innovationsführer“ seien; sie wünschten daher eine engere Kooperation mit China. Die EU bereitet einen EU-China-Gipfel in der zweiten Julihälfte in Beijing vor.
Vor die Wahl gestellt
Die Auseinandersetzungen um die künftigen Wirtschaftsbeziehungen zu China spitzen sich aktuell aufgrund der offensichtlichen Absicht der Trump-Administration zu, Ländern, die ihr Geschäft mit der Volksrepublik gezielt reduzieren, bessere Angebote zur Verringerung der US-Zölle zu machen. Die US-Regierung hat dies nicht offiziell in Aussicht gestellt. Doch hat Präsident Donald Trump vor kurzem gegenüber dem spanischsprachigen Programm des US-Senders Fox News erklärt, er befürworte, dass sich die Staaten Lateinamerikas entscheiden müssten, ob sie Investitionsbeziehungen zu den USA oder zu China unterhielten: „Sie sollten das tun“.[1] Die Volksrepublik wiederum verwahrt sich energisch gegen das Ansinnen und hat, sollten eines oder mehrere Länder sich zu ihrem Nachteil darauf einlassen, entschlossene Reaktionen angekündigt. Beijing „widersetzt sich nachdrücklich jeder Partei, die einen Deal auf Kosten chinesischer Interessen schließt“, hieß es Anfang vergangener Woche in einer Stellungnahme des chinesischen Handelsministeriums; China werde, sollte das erforderlich sein, „entschiedene Gegenmaßnahmen einleiten“.[2]
Demonstrativ eigenständig
Unter den EU-Mitgliedern finden sich widersprüchliche Positionen. Spanien etwa beharrt darauf, die Wirtschaftsbeziehungen zu China auszubauen; dazu traf Ministerpräsident Pedro Sánchez am 11. April in Beijing mit Chinas Präsident Xi Jinping zusammen.[3] Italien, dessen zweitwichtigster Handelspartner nach Deutschland die USA sind, dringt darauf, enger mit den Vereinigten Staaten zu kooperieren; Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat Mitte April zunächst Trump einen Besuch abgestattet und unmittelbar danach US-Vizepräsident JD Vance in Rom empfangen.[4] Die EU wiederum sucht Eigenständigkeit zu demonstrieren. Am Dienstag vergangener Woche teilte eine Kommissionssprecherin mit, zwar sei man dabei, mit Washington über die beiderseitigen Handelsbeziehungen zu diskutieren; doch lasse man sich die Gestaltung der Beziehungen zu China keineswegs diktieren: Es handle sich um „zwei unterschiedliche Angelegenheiten“, die voneinander zu trennen seien.[5] Im Verhältnis zur Volksrepublik strebe man weiterhin ein sogenanntes Derisking an – dies läuft auf eine Schwächung der Wirtschaftsbeziehungen hinaus –, nicht aber eine komplette Entkopplung (Decoupling). Allerdings fügte die Kommissionssprecherin hinzu, abgesehen von „Sicherheit und Wohlbefinden“ der EU-Bürger kenne man in den Verhandlungen keine roten Linien.
Beziehungen stabilisieren
Davon unabhängig hat Brüssel praktische Bemühungen eingeleitet, die Beziehungen zu China vorsichtig zu stabilisieren. Nur wenige Tage nach Bekanntgabe der jüngsten US-Zölle hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, bislang für einen proamerikanischen und oft deutlich antichinesischen Kurs bekannt, in einem Telefongespräch mit Chinas Ministerpräsident Li Qiang gefordert, als zwei der größten Märkte der Welt müssten die EU und China auf die US-Zölle mit weiteren Bemühungen um ein „freies, faires und auf gleichen Bedingungen beruhendes“ Handelssystem reagieren.[6] Ein Sprecher von EU-Ratspräsident António Costa teilte kurz darauf mit, vermutlich in der zweiten Julihälfte werde in Beijing ein EU-China-Gipfel stattfinden.[7] China wiederum hat Berichten zufolge in Aussicht gestellt, Sanktionen, die es im März 2021 gegen fünf Europaabgeordnete verhängt hatte, aufzuheben. Betroffen von den Sanktionen sind etwa der inzwischen aus dem Parlament ausgeschiedene Grünen-Abgeordnete Reinhard Bütikofer sowie der CDU-Abgeordnete Michael Gahler. China erhoffe sich von dem Schritt ein Entgegenkommen der EU vor allem bei Investitionen chinesischer Unternehmen in Europa, heißt es; eine Rückkehr zu früheren Verhandlungen über ein umfassendes Investitionsabkommen schließe die EU allerdings aus.[8]
Freihandel vs. Derisking
Auch in Deutschland verschärfen sich die Auseinandersetzungen um den künftigen Kurs gegenüber der Volksrepublik. Im neuen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD heißt es, „die Beziehungen zu den USA“ blieben „von überragender Bedeutung“.[9] Auch „handelspolitisch“ biete „der transatlantische Wirtschaftsraum ... die besten Voraussetzungen, um im globalen Wettbewerb erfolgreich zu sein“. Im Hinblick auf die US-Zölle erklärt die künftige Regierungskoalition, man wolle „einen Handelskonflikt vermeiden“; „mittelfristig“ solle sogar „ein Freihandelsabkommen“ mit den USA geschlossen werden. Bezüglich der Beziehungen zur Volksrepublik liest man im Koalitionsvertrag, die nächste Bundesregierung werde die aktuelle China-Strategie überarbeiten – und zwar „nach dem Prinzip des ‘De-Risking‘“. Demnach soll die wirtschaftliche Kooperation mit China weiter reduziert werden. Berichten zufolge bietet die Trump-Administration der deutschen Industrie zudem an, mit US-Konzernen in der Entwicklung des autonomen Fahrens zu kooperieren. Die USA wollten „die Wettbewerbsposition ihrer eigenen Technologiekonzerne wie Google und Nvidia“ mit Blick auf den Weltmarkt für autonomes Fahren stärken, heißt es.[10] Es gehe darum, in Zusammenarbeit mit deutschen Kfz-Herstellern China Marktanteile zu nehmen.
Innovationsführer aus China
Dass der Plan aufgeht, lässt sich bezweifeln. BMW hat in der vergangenen Woche mitgeteilt, für mehrere neue Modelle, die in diesem Jahr in China auf den Markt kommen sollen, KI-Programme des chinesischen Unternehmens DeepSeek nutzen zu wollen. Schon in den vergangenen Wochen habe man die Zusammenarbeit mit Huawei und mit Alibaba ausgebaut, um die Ausstattung neuer Fahrzeuge zu optimieren.[11] Von ähnlichen Schritten berichtet Volkswagen. „Chinesische Unternehmen“ seien „zunehmend Innovationsführer“; eine enge Kooperation mit ihnen sei „entscheidend, um bei Innovationen mithalten zu können“, heißt es in einem Schreiben, mit dem sich rund drei Dutzend deutsche Unternehmen, darunter neben Mittelständlern auch Großkonzerne, an die künftige Bundesregierung gewandt haben. Das „De-Risking“, das in Berlin unverändert propagiert werde, stehe einer derartigen Kooperation entgegen und sei daher schädlich für die deutsche Industrie.[12] „Nicht weniger“, sondern „mehr Einsatz“ in der Volksrepublik sei erforderlich, „um wirtschaftlich relevant zu bleiben“, heißt es weiter in dem Papier, dessen Autoren darüber hinaus für größere „China-Kompetenz“ plädieren und warnen, das in Deutschland dominierende – verzerrte [13] – Chinabild stelle „ein Hindernis für deutsche Unternehmen dar“. Es handelt sich um Unternehmen, die teils ein Drittel ihres Umsatzes sowie einen noch größeren Anteil ihres Gewinns in China erzielen. Müssten sie auf ihr Chinageschäft verzichten, stünden sie vor einem kaum lösbaren Problem.
[1] President Trump: We don’t like China’s influence over the Panama Canal. foxnews.com 17.04.2025.
[2] Vivian Wang: China Warns Countries Not to Team Up With U.S. Against It on Trade. nytimes.com 21.04.2025.
[3] Carlos E. Cué, Guillermo Abril: Sánchez defiende ante Xi el acercamiento a Pekín en plena crisis con EE UU: “España ve a China como socio de la UE”. elpais.com 11.04.2025.
[4] Tommaso Ciriaco: Il fastidio di Meloni per il dialogo con Xi: non fa bene al Paese. repubblica.it 12.04.2025.
[5] Jorge Liboreiro: EU won’t decouple from China as condition for reaching trade deal with Trump. euronews.com 22.04.2025.
[6] Read-out of the phone call between President von der Leyen and Chinese Premier Li Qiang. ec.europa.eu 08.04.2025.
[7] EU-China summit expected to take place in July. brusselstimes.com 11.04.2025.
[8] Andy Bounds: China to lift sanctions on MEPs in bid to revive trade deal with EU. ft.com 23.04.2025. S. auch Mit gleicher Münze.
[9] Verantwortung für Deutschland. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 21. Legislaturperiode.
[10] Christian Müßgens, Henning Peitsmeier, Gustav Theile, Benjamin Wagener: Der Balanceakt der deutschen Autokonzerne. Frankfurter Allgemeine Zeitung 29.03.2025.
[11] Wu Ziye: BMW to Integrate DeepSeek Into Several New Models in China This Year, Chairman Says. yicaiglobal.com 23.04.2025.
[12] Julia Löhr, Gustav Theile: Berlin in der USA-China-Klemme. Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.04.2025.
[13] S. dazu Feindbild China.

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