Die Ära der Zollschlachten
EU verhängt erste Vergeltungszölle auf Importe aus den USA, ist aber in der Zollschlacht wegen ihres Handelsüberschusses im Nachteil. US-Wirtschaft fürchtet gleichfalls Einbußen. Trumps Vorgehen löst globale Boykottkampagne aus.
WASHINGTON/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Die EU verhängt erste Vergeltungszölle auf Importe aus den Vereinigten Staaten und bereitet weitere vor. Damit reagiert Brüssel auf die US-Zölle in Höhe von 25 Prozent, die am Mittwoch in Kraft getreten sind und auf Stahl- sowie Aluminiumlieferungen im Wert von ungefähr 26 Milliarden Euro aus der EU erhoben werden. Trump stellt weitere Zölle in Aussicht; die Zollschlacht droht zu eskalieren. Dabei befinden sich die EU und Deutschland im Nachteil: Da sie erheblich mehr Güter in die USA liefern als andersherum, erleiden sie durch allgemeine Zölle größere Schäden. Als Option gilt, Vergeltung auf dem Dienstleistungssektor zu üben, wo die Vereinigten Staaten ein Plus im Handel mit der EU erzielen. Brüssel könnte etwa gegen Tech-Konzerne Trump-naher US-Oligarchen wie Amazon oder X vorgehen. Unterdessen schwillt in der US-Wirtschaft die Unruhe über die Zollpolitik der Trump-Administration an, die die Preise in den Vereinigten Staaten in die Höhe zu treiben beginnt. Laut Berichten nehmen Beschwerden von Managern und Unternehmern im Weißen Haus rasant zu. Zudem startet, ausgehend von Kanada, das Trump den USA einverleiben will, eine globale Boykottkampagne gegen US-Waren.
Überschüsse und ihre Folgen
Ein Grundproblem in der Zollschlacht mit der Trump-Administration besteht aus der Sicht der EU darin, dass ihre Mitgliedstaaten erheblich mehr Güter in die USA exportieren, als sie von dort importieren. Umfassende Zölle können ihrer Exportindustrie also spürbar größere Schäden zufügen als US-amerikanischen Exporteuren. So lieferten Unternehmen aus der EU im Jahr 2023 Güter im Wert von 503 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten, während sie umgekehrt lediglich Güter im Wert von 347 Milliarden Euro von dort bezogen. Das Plus der EU im Güterhandel belief sich damit auf 156 Milliarden Euro.[1] Allerdings wird dies ein Stück weit dadurch ausgeglichen, dass die EU-Staaten im gleichen Jahr Dienstleistungen im Wert von 427 Milliarden Euro aus den USA bezogen, aber nur Dienstleistungen im Wert von 319 Milliarden Euro dorthin verkauften. Dies entspricht einem Minus von gut 108 Milliarden Euro, was die Vereinigten Staaten auf dem Dienstleistungssektor verwundbarer macht als die EU. Deutschland ist in einer schwierigeren Lage. Seinen Güterexporten von 161 Milliarden Euro im Jahr 2024 standen lediglich Güterimporte von 91 Milliarden Euro gegenüber; das deutsche Plus im US-Handel belief sich also auf 70 Milliarden Euro. Es wird nicht durch das Minus bei Dienstleistungen ausgeglichen, das 2023 nur 3,8 Milliarden Euro betrug.[2]
Zölle und Vergeltungszölle
Die Trump-Administration hat am Mittwoch die jüngste Zollschlacht begonnen und Zölle in Höhe von pauschal 25 Prozent auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium aus der EU in Kraft gesetzt.[3] Anders als zuvor gelten die Zölle nicht nur für Rohmaterialien, sondern auch für allerlei Stahl und Aluminium enthaltende Fertigwaren wie Maschinen oder Haushaltsgeräte. Betroffen sind Güter im Wert von rund 26 Milliarden Euro. Die EU setzt nun in den nächsten Wochen alte Vergeltungszölle wieder in Kraft, die sie erstmals im Jahr 2018 verhängt, dann aber ausgesetzt hatte. Sie betragen diesmal 50 Prozent und treffen Güter im Wert von 4,5 Milliarden Euro, vor allem solche, die in US-Bundesstaaten mit zahlreichen Trump-Wählern gefertigt werden – Whiskey, Jeans, Harley Davidson-Motorräder. Weitere Güter im Wert von rund 18 Milliarden Euro sollen zusätzlich mit Vergeltungszöllen belegt werden; die genaue Auswahl ist noch im Gang. Die EU-Zölle sollen am 1. bzw. 12./13. April in Kraft treten. Auch die neu zu verzollenden Güter werden nach politischen Kriterien ausgewählt; so träfen EU-Vergeltungszölle auf US-Sojabohnen insbesondere den US-Bundesstaat Louisiana, aus dem der Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner Mike Johnson, stammt.[4]
Tech-Konzerne im Visier
Bei allen Unwägbarkeiten gilt es als unwahrscheinlich, dass die Zollschlacht der Trump-Administration gegen die EU damit ein Ende hat. So hat der US-Präsident etwa angekündigt, am 2. April sogenannte reziproke Zölle in Kraft setzen zu wollen. Sie sollen überall dort verhängt werden – womöglich weltweit –, wo fremde Staaten auf eine Produktkategorie höhere Zölle erheben als die USA, und mindestens die Differenz ausgleichen. Speziell sollen sie laut Trump die EU treffen.[5] Am gestrigen Donnerstag stellte Trump zudem Zölle in Höhe von 200 Prozent auf Wein, Champagner und weitere alkoholische Getränke vor allem aus Frankreich, aber auch aus weiteren EU-Staaten in Aussicht.[6] Auch eine Erhöhung bereits bestehender Zölle ist denkbar. Kurzzeitig hatte Trump dies im Fall von Kanada getan. Die EU wiederum hat angekündigt, zwar zu Verhandlungen bereit zu sein, aber nicht ohne weiteres nachgeben zu wollen. Kürzlich hieß es in Brüssel, man könne sich ein Vorgehen gegen US-Dienstleistungsexporte in die EU vorstellen; dabei ist die Union im Vorteil, da die USA erheblich mehr an Dienstleistungen in der EU verdienen als andersherum. Denkbar wären beispielsweise Maßnahmen, die große US-Tech-Konzerne mit Nähe zu Trump treffen – Konzerne wie Meta (Facebook), Amazon oder X.
Unruhe in der US-Wirtschaft
Die Entwicklung des Zollkriegs ist kaum absehbar. Berechnungen deutscher Ökonomen, die noch vor Trumps Amtsantritt durchgeführt wurden, kamen zu dem Resultat, eine Zollschlacht zwischen den Vereinigten Staaten und der EU werde im ersten Jahr womöglich die USA etwas stärker treffen, langfristig aber den Ländern Europas erheblichen Schaden zufügen.[7] Dabei kommen zu den Einbußen, die transatlantische Zölle mit sich bringen, noch diejenigen hinzu, die aus den – zur Zeit noch aufgeschobenen – US-Zöllen für Importe aus Mexiko entstünden: Zahlreiche deutsche Konzerne produzieren Güter zu niedrigen Kosten in Mexiko, von wo aus sie den US-Markt beliefern.[8] Inzwischen scheinen die Verhältnisse allerdings nicht mehr so einfach zu sein, und zwar vor allem, weil Trump zur selben Zeit Zollschlachten gegen diverse weitere Staaten führt, bislang vor allem gegen China, Mexiko und Kanada. Die Vielzahl der Attacken lässt inzwischen ernsthafte Schwierigkeiten für die US-Wirtschaft als möglich erscheinen, weil die Zölle US-Importe verteuern und Lieferketten schädigen. So sind die US-Börsenkurse seit Mitte Februar und insbesondere zu Beginn dieser Woche massiv eingebrochen. Berichten zufolge nimmt die Zahl der US-Manager und der US-Unternehmer, die sich im Weißen Haus über die Trump’sche Zollpolitik beschweren, rasant zu.[9]
Eine neue Boykottbewegung
Mittlerweile kommt eine – in ihren ökonomischen und politischen Dimensionen noch kaum abzuschätzende – Boykottbewegung hinzu. Begonnen hat sie in Kanada, wo außer den Zöllen besonders Trumps wiederholte Aufforderung, die Eigenstaatlichkeit aufzugeben und den USA als 51. Bundesstaat beizutreten, flächendeckend Empörung und Wut ausgelöst hat. Letzteres trifft auch auf Dänemark zu, dessen Autonome Provinz Grönland Trump gleichfalls zum Beitritt zu den Vereinigten Staaten drängt. In Kanada zeigen sich bereits messbare Folgen; der Einzelhandelskonzern Loblaw etwa, der landesweit rund 2.500 Filialen betreibt, gibt an, er habe den Umsatz mit heimischen Produkten seit Januar bereits um zehn Prozent gesteigert. In Dänemark hat die Salling Group, die mehr als 1.700 Supermärkte kontrolliert, begonnen, europäische Produkte zu kennzeichnen, um angesichts der Zollschlachten Unternehmen in Europa zu stärken.[10] Eine über das vergangene Wochenende erhobene Umfrage ergab, dass in Deutschland 64 Prozent der Bevölkerung sich vorstellen können – oder schon angefangen haben –, US-Produkte zu boykottieren. Seit Beginn des Gaza-Kriegs werden US-Waren auch in der islamischen Welt deutlich weniger gekauft. Bereits im Januar brach der Absatz des Elektroautoherstellers Tesla, der Elon Musk gehört, auf dem europäischen Kontinent massiv ein – in den Niederlanden um 42, in Deutschland um 60, in Frankreich um 63 und in Spanien um 76 Prozent.[11] Dies setzte sich im Februar fort – mit bemerkenswerter Dynamik.
[1] United States. policy.trade.ec.europa.eu.
[2] Deutschen Dienstleistungsexporten in die USA im Wert von 42,0 Milliarden Euro standen im Jahr 2023 Dienstleistungsimporte von dort im Wert von 45,8 Milliarden Euro gegenüber.
[3], [4] Hendrik Kafsack: EU nimmt Trump-Wähler ins Visier. Frankfurter Allgemeine Zeitung 13.03.2025.
[5] Jeanne Whalen: Trump’s Tariffs: Where Things Stand. wsj.com 13.03.2025.
[6] Trump wütet gegen Whiskey-Zoll – Droht mit 200 Prozent. handelsblatt.com 13.03.2025.
[7] S. dazu Die transatlantische Rivalität.
[8] S. dazu In der Falle.
[9] Brian Schwartz, Gavin Bade, Josh Dawsey: Trump’s Economic Messaging Is Spooking Some of His Own Advisers. wsj.com 11.03.2025.
[10] Florian Kolf, Michael Scheppe, Katrin Terpitz: Deutsche wollen US-Produkte wegen Donald Trump boykottieren. handelsblatt.com 12.03.2025.
[11] Thomas Jahn, Lukas Bay: Deutlicher Verkaufsrückgang von Tesla-Modellen in Europa. handelsblatt.com 07.02.2025.

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