Deutschlands Pazifikambitionen (III)

Baerbock hält sich nach außen- und militärpolitischen Gesprächen mit Neuseeland in Fidschi auf, wo der Machtkampf mit China tobt. Der Westen stützt sich im Pazifik auf Kolonialbesitz und koloniale Strukturen.

BERLIN/AUCKLAND/SUVA (Eigener Bericht) – Nach Gesprächen in Neuseeland über gemeinsame außen- und militärpolitische Schritte gegen China ist Außenministerin Annalena Baerbock am gestrigen Sonntag in Fidschi eingetroffen. In Neuseeland hatte sich Baerbock mit ihrem Amtskollegen und der neuseeländischen Verteidigungsministerin nicht zuletzt über den AUKUS-Pakt ausgetauscht, der eine äußerst enge rüstungsindustrielle Kooperation der USA, Großbritanniens und Australiens gegen China vorsieht. Neuseelands neue, stark rechtslastige Regierung zieht einen Teilbeitritt zum AUKUS-Pakt in Betracht, mit Ausnahme von dessen nuklearer Komponente; Baerbock ließ Unterstützung dafür erkennen. Am Tag zuvor hatte sie den Pakt auch in Australien befürwortet. Deutschland schickt in Kürze Kriegsschiffe und Kampfjets zu umfangreichen Kriegsübungen in die Region. In Fidschi, das aktuell Objekt heftiger Machtkämpfe zwischen dem Westen und China ist, sucht Baerbock chinesische Positionen zurückzudrängen. Unterdessen übertünchen die deutschen Leitmedien den erbitterten Machtkampf mit Fotos von Baerbock bei der Rückgabe gestohlener Objekte australischer Indigener und mit Berichten über deutsche Klimafürsorge im Pazifik.

Die Five Eyes

Neuseeland hat in den vergangenen Jahren begonnen, sich im Machtkampf zwischen dem Westen und China wieder stärker an die Vereinigten Staaten zu binden. Im vergangenen Jahr hat die damalige Labour-Regierung die erste Nationale Sicherheitsstrategie des Landes verabschiedet, die vorsieht, ein „robustes Netzwerk von Partnerschaften“ mit Australien und anderen Ländern zu knüpfen. Zu diesen zählen unter anderem die USA, deren „fortdauernde Aktivitäten im Indo-Pazifik und im Pazifik“ Wellington „entscheidend für Neuseelands Sicherheit“ nennt.[1] Mit China will Neuseeland zwar weiterhin kooperieren, geht jedoch im Hinblick nicht zuletzt auf dessen neuen Einfluss im Pazifik deutlich auf Distanz zu Beijing. Seit November 2023 ist eine neue Regierung im Amt, die Beobachter als „die rechteste Regierung des Landes“ seit Jahrzehnten einstufen.[2] Sie hat bereits Ende 2023 ausdrücklich bestätigt, dass sie die außen- und militärpolitische Wiederannäherung an die USA nicht nur fortsetzen, sondern auch intensivieren wird. Zudem soll die Kooperation im Rahmen des Geheimdienstverbundes Five Eyes (USA, Kanada, Großbritannien, Australien, Neuseeland) ausgebaut werden. Das schließt ausdrücklich auch eine engere Militärkooperation mit den Five Eyes-Verbündeten ein.[3]

Die AUKUS-Erweiterung

Aktuell fokussiert sich die Debatte unter anderem auf den möglichen Beitritt Neuseelands zum AUKUS-Pakt, den die USA, Großbritannien und Australien im September 2021 geschlossen haben. Er sieht eine enge Zusammenarbeit beim Bau von acht Atom-U-Booten für Australien (Säule 1), daneben aber auch eine intensive allgemeine rüstungsindustrielle bzw. -technologische Kooperation vor (Säule 2). Säule 1 hat AUKUS in der pazifischen Inselwelt, die sich nach zahlreichen Atomwaffentests der USA, Großbritanniens und Frankreichs zur nuklearwaffenfreien Zone erklärt hat, unpopulär gemacht und gilt auch in Neuseeland, das sich ebenfalls als nuklearfrei definiert, als nicht vermittelbar. Allerdings zieht die Regierung in Wellington den Beitritt zu Säule 2 des AUKUS-Pakts in Betracht.[4] Außenministerin Baerbock hatte bereits bei ihrem Besuch in Australien [5] die Berliner Unterstützung für AUKUS signalisiert [6] und wiederholte das nun bei ihren Gesprächen in Neuseeland: Der Pakt könne Wellington dabei helfen, die „regelbasierte Weltordnung“ zu schützen, wurde sie in neuseeländischen Medien zitiert.[7] Baerbock tauschte sich darüber hinaus mit ihrem Amtskollegen Winston Peters von der ultrarechten Partei New Zealand First und mit Verteidigungsministerin Judith Collins über Fragen der Außen- und der Militärpolitik aus.

Polizeikooperation mit China

Zum Abschluss ihrer Pazifikreise ist Baerbock am gestrigen Sonntag auf Fidschi eingetroffen, das sie als erste deutsche Außenministerin überhaupt besucht. Fidschi gerät zur Zeit, ganz wie alle pazifischen Inselstaaten, in wachsendem Maß in den Machtkampf zwischen China und dem Westen. Gegenstand der Auseinandersetzungen war zuletzt ein Polizeiabkommen, das Fidschi und die Volksrepublik im Jahr 2011 geschlossen haben und das neben der Ausbildung von Polizisten aus Fidschi in der Volksrepublik auch die Lieferung chinesischer Ausrüstung in den Inselstaat und eine Einbindung chinesischer Polizisten in die dortige Polizei vorsah. Chinas Polizeikooperation mit Fidschi ist die am weitesten reichende, aber nicht die einzige in der pazifischen Inselwelt. So baut die Volksrepublik in Samoa eine Polizeiakademie, die noch in diesem Jahr fertiggestellt werden soll.[8] Im vergangenen Jahr hat Beijing zudem ein Polizeiabkommen mit den Salomonen geschlossen, mit denen es bereits zuvor ein wichtiges Sicherheitsabkommen vereinbart hatte (german-foreign-policy.com berichtete [9]). Im Januar wurde bekannt, dass Papua-Neuguina mit China über ein Polizeiabkommen verhandelt.[10] Im Februar wurde zudem berichtet, dass Beijing die Polizei von Kiribati unterstützt.

Militärkooperation mit Neuseeland

Jegliche Form der Polizeikooperation zwischen China und den pazifischen Inselstaaten wird vom Westen erbittert bekämpft. Das ist derzeit zum Beispiel in Fidschi der Fall, dem mit rund 950.000 Einwohnern bevölkerungsreichsten Pazifikstaat östlich Australiens, Neuseelands und Papua-Neuguineas. Der dort Ende 2022 nach einem knappen Wahlsieg ins Amt gelangte Premierminister Sitiveni Rabuka hatte zunächst angekündigt, Fidschis Kooperation mit China stark einzuschränken und vor allem die Zusammenarbeit im Rahmen des Polizeiabkommens zu beenden. Nach einer mehr als ein Jahr währenden „Überprüfung“ des Vertrags, die von massivem Druck aus dem Westen begleitet wurde, kündigte Fidschis Regierung unlängst an, das Abkommen beizubehalten und die Kooperation weiterzuführen. Lediglich die Einbindung chinesischer Polisten in Fidschis Sicherheitskräfte werde vorläufig nicht weitergeführt, hieß es.[11] Dass Fidschi an der Vereinbarung prinzipiell festhält, wird als Niederlage des Westens eingestuft. Baerbock will auf Fidschi mit Rabuka zusammentreffen. Schon gestern besuchte sie einen Militärstützpunkt. Der Inselstaat verfügt über zuweilen international operierende Streitkräfte. Im Juni vergangenen Jahres hat Neuseeland ein Abkommen über engere Militärkooperation mit Fidschi unterzeichnet.[12]

Kolonien im 21. Jahrhundert

In den Machtkämpfen in der pazifischen Inselwelt nutzen die westlichen Staaten bis heute kolonialen Besitz sowie koloniale Strukturen. Neuseeland etwa beharrt immer noch auf dem Besitz von Tokelau; die Inselgruppe wird von den Vereinten Nationen unverändert auf der Liste der Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung geführt, die im Jahr 1946 zum Zweck der Entkolonialisierung geschaffen wurde und damals zahlreiche Kolonien europäischer Staaten umfasste, die inzwischen längst eigenständig geworden sind. Tokelau ist es nicht. In den Jahren 2006 und 2007 gab es jeweils Referenden, die eine klare Mehrheit für den Übergang zur Selbstregierung erzielten; da sie aber um wenige Stimmen unter der Zweidrittelmehrheit blieben, die Wellington für nötig erachtet, blieb die Inselgruppe neuseeländische Kolonie. Neuseeland hält regelmäßig Kriegsübungen gemeinsam mit den französischen Streitkräften ab, die auf Frankreichs nahe gelegener Kolonie Neukaledonien stationiert sind. Darüber hinaus beteiligt es sich an Manövern auf Guam, einer in US-Besitz befindlichen pazifischen Inselgruppe, die ebenfalls von der UNO als – zu entkolonialisierendes – Hoheitsgebiet ohne Selbstverwaltung eingestuft wird. Dass Neuseeland, dessen Staatsoberhaupt Charles III. in London residiert, unter der aktuellen ultrarechten Regierung plant, die Rechte der indigenen pazifischen Bevölkerung, der Maori, einzuschränken [13], rundet das Bild ab.

 

Über bis heute in westlichem, meist europäischem Besitz befindliche Kolonien, deren Entkolonialisierung die Vereinten Nationen fordern, und über die Rolle Deutschlands bei der Konsolidierung kolonialer Strukturen berichtet german-foreign-policy.com in Kürze.

 

Mehr zum Thema: Deutschlands Pazifikambitionen und Deutschlands Pazifikambitionen (II).

 

[1] Secure Together. Tō Tātou Korowai Manaaki. New Zealand’s National Security Strategy 2023-2028. Te Rautaki Whakamaru Ā-motu O Aotearoa 2023-2028. Wellington 2023.

[2] Natasha Frost: New Zealand Elects Its Most Conservative Government in Decades. nytimes.com 14.10.2023.

[3] Secure Together. Tō Tātou Korowai Manaaki. New Zealand’s National Security Strategy 2023-2028. Te Rautaki Whakamaru Ā-motu O Aotearoa 2023-2028. Wellington 2023.

[4] Tim Fish: New Zealand in AUKUS ‘no guarantee’, but discussions active: Defense minister. breakingdefense.com 18.03.2024.

[5] S. dazu Die Vereinigte Front gegen China (II).

[6] Paul Starick: Germany’s Green Foreign Minister Annalena Baerbock endorses Australian nuclear-powered submarines. adelaidenow.com.au 03.05.2024.

[7] Zane Small: AUKUS, cyber-security discussed as New Zealand, Germany strengthen ties. newshub.co.nz 04.05.2024.

[8] Samoa PM turns first sod on new Police Academy. rnz.co.nz 26.10.2022.

[9] S. dazu Deutschlands Pazifikambitionen (II).

[10] Papua New Guinea in talks with China on security cooperation, foreign minister says. theguardian.com 29.01.2024.

[11] Ivamere Nataro: Fiji to stick with China police deal after review, home affairs minister says. theguardian.com 15.03.2024.

[12] New Zealand and Fiji strengthen defence relationship. beehive.govt.nz 14.06.2023.

[13] Natasha Frost: In Rightward Shift, New Zealand Reconsiders Pro-Maori Policies. nytimes.com 16.12.2023.


Anmelden

ex.klusiv

Den Volltext zu diesem Informationsangebot finden Sie auf unseren ex.klusiv-Seiten - für unsere Förderer kostenlos.

Auf den ex.klusiv-Seiten von german-foreign-policy.com befinden sich unser Archiv und sämtliche Texte, die älter als 14 Tage sind. Das Archiv enthält rund 5.000 Artikel sowie Hintergrundberichte, Dokumente, Rezensionen und Interviews. Wir würden uns freuen, Ihnen diese Informationen zur Verfügung stellen zu können - für 7 Euro pro Monat. Das Abonnement ist jederzeit kündbar.

Möchten Sie dieses Angebot nutzen? Dann klicken Sie hier:
Persönliches Förder-Abonnement (ex.klusiv)

Umgehend teilen wir Ihnen ein persönliches Passwort mit, das Ihnen die Nutzung unserer ex.klusiven Seiten garantiert. Vergessen Sie bitte nicht, uns Ihre E-Mail-Adresse mitzuteilen.

Die Redaktion

P.S. Sollten Sie ihre Recherchen auf www.german-foreign-policy.com für eine Organisation oder eine Institution nutzen wollen, finden Sie die entsprechenden Abonnement-Angebote hier:
Förder-Abonnement Institutionen/Organisationen (ex.klusiv)