Gegen Nordkorea, Russland und China

Vor G7-Gipfel: Denkfabrik der Bundesregierung fordert intensivere Militärkooperation mit Japan. Neues Abkommen soll Logistik für künftige Asien-Pazifik-Operationen der Bundeswehr erleichtern.

TOKIO/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung soll die Zusammenarbeit der Bundeswehr mit den Streitkräften Japans und ihre Beteiligung an Manövern dort energisch vorantreiben. Dies fordert die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), das wichtigste militärpolische Strategiezentrum der Bundesregierung, in einem neuen „Arbeitspapier“. Bereits jetzt sind die Streitkräfte Deutschlands und Japans dabei, ihre Kooperation stark zu intensivieren. So hat die Deutsche Marine begonnen, mit den japanischen Seestreitkräften und mit der U.S. Seventh Fleet zusammenzuarbeiten, die in Yokosuka am Eingang zur Bucht von Tokio ihr Hauptquartier hat. Die Luftstreitkräfte der beiden Länder sind seit ihrer gemeinsamen Teilnahme an Manövern im vergangenen Jahr in Australien ebenfalls mit einer stetigen Stärkung ihrer Beziehungen befasst. Verteidigungsminister Boris Pistorius kündigt weitere Schritte an; die BAKS plädiert dafür, Abkommen zu schließen, die die Logistik für künftige Asien-Pazifik-Operationen der Bundeswehr erleichtern und der deutschen Seite den Zugang zu exklusiven Lagebildern aus Ostasien eröffnen. Von dem G7-Gipfel an diesem Wochenende in Japan werden auch militärpolitische Absprachen erwartet.

Marinekooperation

Einen ersten Schritt zum Ausbau der deutsch-japanischen Militärkooperation unternahm die Deutsche Marine. Im November 2021 legte die Fregatte Bayern auf ihrer Asien-Pazifik-Fahrt in Yokosuka am Eingang zur Bucht von Tokio an. Die Fregatte führte gemeinsame Übungen mit den japanischen Streitkräften durch; ein Teil ihrer Besatzung gedachte an einem Gedenkstein in Japan verstorbener Soldaten der NS-Marine (german-foreign-policy.com berichtete [1]). Außerdem gab es einen Austausch mit der U.S. Navy, deren Seventh Fleet ihr Hauptquartier in Yokosuka hat. Anschließend beteiligte sich das deutsche Kriegsschiff an der Überwachung der UN-Sanktionen gegen Nordkorea. Diese wird von einer US-geführten Koalition der Willigen umgesetzt, an der sich neben den Mitgliedern des Spionageverbundes Five Eyes (USA, Kanada, Großbritannien, Australien, Neuseeland) Japan, Südkorea und Frankreich beteiligen. Gesteuert werden die Überwachungsmaßnahmen von einer speziellen Einheit (Enforcement Coordination Cell, ECC), in der während der deutschen Beteiligung an der Sanktionsüberwachung Soldaten der Bundeswehr vertreten waren. Als Außenministerin Annalena Baerbock im Juli 2022 Japan bereiste, wurde sie vom Kommandeur der U.S. Seventh Fleet in Yokosuka empfangen.[2] Verteidigungsminister Boris Pistorius besuchte im März Tokio den Flugzeugträger Ronald Reagan, der zur U.S. Seventh Fleet gehört.

Gemeinsame Luftwaffenmanöver

Neben der Marine, deren Kooperation mit den japanischen Streitkräften und mit der U.S. Seventh Fleet von der Bundesregierung systematisch begleitet wird, baut auch die Luftwaffe ihre Zusammenarbeit mit dem japanischen Militär kontinuierlich aus. Einen ersten größeren Schritt dazu unternahm sie im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an Großmanövern in Australien (Pitch Black, Exercise Kakadu) im August und im September vergangenen Jahres, bei denen auch japanische Einheiten präsent waren. Danach flogen einige Militärflugzeuge der Luftwaffe nach Japan, wo sie gemeinsame Kriegsübungen mit japanischen Kampfjets abhielten.[3] Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz nahm persönlich an der Verlegung teil. Anfang März legte Gerhartz, der sich auf einer Reise aus Australien nach Alaska befand, erneut einen Zwischenstopp in Tokio ein, wo er den Luftwaffenstützpunkt Meguro besuchte und dort mit dem Kommandeur des japanischen Air Command and Staff College, Generalleutnant Kageura Seiki, zusammentraf.[4] Die Bundesregierung will neben der Marine- auch die Luftwaffenkooperation mit Japan weiter stärken. Laut Berichten nimmt im Juni an der Übung Air Defender 2023, dem größten Luftkriegsmanöver in der gesamten NATO-Geschichte, auch ein Transportflugzeug der japanischen Luftstreitkräfte teil.

„Noch intensiver“

Während Marine und Luftwaffe längst weitere Asien-Pazifik-Manöver planen, bei denen mutmaßlich der Ausbau der Kooperation mit Japan eine zentrale Rolle spielen wird, kündigt Verteidigungsminister Boris Pistorius nächste Schritte an. Nach den – zweiten – deutsch-japanischen Regierungskonsultationen, die am 18. März in Tokio stattfanden, teilte Pistorius mit, er habe mit seinem japanischen Amtskollegen Yasukazu Hamada „besprochen, welche Möglichkeiten der engeren Zusammenarbeit sich in Zukunft bieten“.[5] Dabei liege der Fokus darauf, gemeinsam gegen Nordkorea, Russland und China operieren zu können. Im Rahmen der Regierungskonsultationen wurde unter anderem vereinbart, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Verlegung deutscher Truppen nach Japan zu vereinfachen. Damit sei, heißt es dazu im Verteidigungsministerium, „ein weiteres Zeichen für eine noch intensivere Kooperation und gegenseitige Verbindlichkeit gesetzt“ worden. Eigens wies das Ministerium im März darauf hin, dass auch NATO und EU „den Dialog und die Kooperationen mit neuen und bestehenden Partnern im indopazifischen Raum zu stärken“ suchen.[6] Darüber hinaus ist geplant, die bilaterale Rüstungskooperation mit Japan zu vertiefen. Als Modell wird zuweilen Japans Beteiligung an Entwicklung und Produktion des britisch-italienischen Tempest genannt, eines Kampfjets der sechsten Generation.

Logistik und Lagebildinformationen

Noch weiter reichende Vorschläge hat jetzt die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) vorgelegt, das bedeutendste militärpolitische Strategiezentrum der Bundesregierung. Wie es in einem aktuellen BAKS-Arbeitspapier heißt, könne die Verstetigung der deutsch-japanischen Regierungskonsultationen künftig um „einen engeren Austausch zwischen sicherheitspolitischen Experten beider Länder“ erweitert werden.[7] Zudem könnten mehrere Abkommen geschlossen werden, um eine Teilnahme deutscher Einheiten an Manövern in Japan zu erleichtern. Denkbar sei etwa ein Abkommen, das – nach dem Modell einer britisch-japanischen Vereinbarung vom Januar 2023 – „das Verfahren zum Besuch von Streitkräften im jeweils anderen Land regelt“. Wünschenswert sei darüber hinaus ein Vertrag, der „die gegenseitige Bereitstellung von Treibstoff, Lebensmitteln und Transportmitteln für gemeinsame Aktivitäten“ festlegt: Er „würde für die Bundeswehr die Logistik der geplanten Indo-Pazifik-Entsendungen vereinfachen“. Schließlich sei „eine permanente Entsendung eines deutschen Verbindungsoffiziers an die sogenannte Enforcement Coordination Cell in Yokosuka“, die die Überwachung der Sanktionen gegen Nordkorea steuert, „von größter Bedeutung“: „Eine derartige Beteiligung ermöglicht Zugang zu Lagebildinformationen der Region, die auch für Deutschland von großer Relevanz sind.“

Wie Großbritannien und die USA

Der Ausbau der deutsch-japanischen Militärkooperation erfolgt parallel zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften Japans und denjenigen der Vereinigten Staaten sowie Großbritanniens. Der britische Premierminister Rishi Sunak soll am Rande des G7-Gipfels an diesem Wochenende in Hiroshima zusätzlich zu dem erwähnten, im Januar geschlossenen britisch-japanischen Abkommen eine weitere Vereinbarung über eine engere Zusammenarbeit der Streitkräfte und der Rüstungskonzerne beider Staaten unterzeichnen.[8] Auch die Vereinigten Staaten intensivieren und optimieren ihre Militärkooperation mit Tokio – dies im Zusammenhang ihrer Bestrebungen, die vollständige erste Inselkette vor Chinas Küste zu militarisieren (german-foreign-policy.com berichtete [9]).

 

[1] S. dazu Mit der Luftwaffe an den Pazifik.

[2] S. dazu Die neue Achse Berlin-Tokio.

[3] S. dazu Die zweite Front der Bundeswehr.

[4] Bündnisse stärken: Reise des Inspekteurs der Luftwaffe. bundeswehr.de 03.03.2023.

[5], [6] Deutschland und Japan: Militärkooperation im Indo-Pazifik wird ausgebaut. bmvg.de 19.03.2023.

[7] Alexandra Sakaki: Japans Zeitenwende: Neue Chancen für die Zusammenarbeit mit Europa. BAKS-Arbeitspapier 2/23. Berlin, Mai 2023.

[8] Britain, Japan to reach new defense, technology agreement. english.kyodonews.net 14.05.2023.

[9] S. dazu Die Militarisierung der ersten Inselkette.


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