Kriegsvorbereitungen am Pazifik

Morgen finden in Tokio erstmals deutsch-japanische Regierungskonsultationen statt. Berlin intensiviert die Asien-Pazifik-Aktivitäten der Bundeswehr. Japan und die USA militarisieren die Region dramatisch.

BERLIN/TOKIO/WASHINGTON (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung hält am Wochenende in Tokio erstmals deutsch-japanische Regierungskonsultationen ab und plant insbesondere auch eine Ausweitung bilateraler Kriegsübungen am Pazifik. Kanzler Olaf Scholz und sechs Minister, darunter Verteidigungsminister Boris Pistorius, treffen morgen zu Gesprächen mit ihren japanischen Amtskollegen zusammen, um die Kooperation zwischen den beiden Staaten zu intensivieren. Das geschieht in einer Zeit, in der nicht nur Japan massiv aufrüstet, seinen Militärhaushalt um über die Hälfte aufstockt und Raketen sowie Cruise Missiles beschafft, die China erreichen können. Auch die Vereinigten Staaten bauen ihre Militärpräsenz im Umfeld der Volksrepublik dramatisch aus, setzen sich mit ihren Streitkräften geballt auf der ersten Inselkette vor der chinesischen Küste fest – von Japan über Taiwan bis hin zu den Philippinen – und formen Australien zu einer Art rückwärtiger Operationsbasis für etwaige Angriffe auf China. Sogar Militärbasen auf kleinen Inseln im Pazifik werden ausgebaut, um den Nachschub aus den USA für Kämpfe in Ostasien zu sichern. Die Bundeswehr weitet parallel ihre Manöver in der gesamten Region aus.

Regierungskonsultationen

Mit den ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen, die am morgigen Samstag in Tokio stattfinden sollen, treibt Berlin den Ausbau der Zusammenarbeit, nicht zuletzt auch der militärischen, mit Japan voran. Erste Schritte hatte die Bundesregierung schon vor mehr als eineinhalb Jahrzehnten unternommen, als der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung im April 2007 in die japanische Hauptstadt flog, um für eine engere Kooperation Tore zu öffnen.[1] Daraus wurde allerdings nicht viel. Mit der Zuspitzung des Machtkampfs gegen China hat die Bundesrepublik dann aber ihre Aktivitäten intensiviert. Im April 2021 hielten die Außen- und Verteidigungsminister beider Staaten ihre ersten Gespräche im „2+2-Format“ ab, das auf eine engere Verschmelzung der beiderseitigen Außen- und Militärpolitik abzielt. Auf die Durchführung der Regierungskonsultationen einigten sich Deutschland und Japan im April vergangenen Jahres, als Kanzler Olaf Scholz zu seiner ersten Asienreise im Amt startete und dabei Tokio als Ziel auswählte. Teilnehmen werden neben den Bundesministern für Wirtschaft sowie für Finanzen, Robert Habeck sowie Christian Lindner, insbesondere Außenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius.

Beispiellose Militarisierung

Die Regierungskonsultationen finden in einer Zeit statt, in der Tokio eine seit dem Zweiten Weltkrieg beispiellose Phase der Militarisierung eingeleitet hat. Japans neue Nationale Sicherheitsstrategie, die im Dezember 2022 veröffentlicht wurde, stuft China ausdrücklich als „größte strategische Herausforderung“ ein.[2] Hatte Japan seine militärischen Aktivitäten bisher zumindest offiziell strikt auf Verteidigungsmaßnahmen beschränkt, so sieht die neue Strategie erstmals vor, Japan müsse die Fähigkeit haben, „effektive Gegenschläge auf das Territorium eines Gegners“ durchzuführen. Dazu sollen nun verschiedene Raketen aus dem Ausland importiert oder selbst entwickelt werden; so will Tokio eigene Schiffsabwehrraketen auf eine größere Reichweite trimmen und US-amerikanische Tomahawk-Marschflugkörper kaufen, die eine Reichweite von 1.600 Kilometern haben. Der Militärhaushalt, der bislang aufgrund einer 1976 initiierten Selbstbeschränkung bei einem Prozent der Wirtschaftsleistung gelegen hatte, soll auf zwei Prozent aufgestockt werden; dies kommt, da zugleich militärische Ausgaben aus anderen Budgetposten in den Streitkräfteetat zurückgeführt werden, einer realen Aufstockung auf etwas mehr als das 1,5-Fache gleich. Gut 42 Prozent der Bevölkerung lehnen dies ab; über die Hälfte kritisiert die zur Finanzierung nötigen Steuererhöhungen.[3]

Die erste Inselkette

Japans Aufrüstung ist Teil einer umfassenden regionalen Militarisierung, die auch Südkorea [4], vor allem aber die sogenannte erste Inselkette vor der chinesischen Küste umfasst [5]; diese reicht von Japans südlichen Inseln, darunter Okinawa mit seinen bedeutenden US-Militärstützpunkten, über Taiwan und die Philippinen bis nach Borneo. Die Vereinigten Staaten haben nicht nur eine deutlich engere militärische Verflechtung mit Japan initiiert; so sollen etwa Flug- und Seehäfen sowie Munitionslager in Zukunft stärker gemeinsam genutzt werden.[6] Sie gruppieren zudem ihre Militärpräsenz auf Okinawa um, dies mit dem Ziel, größere Schlagkraft zu erhalten. Washington rüstet Taiwan in rasant steigendem Umfang auf und will die Zahl der Militärausbilder, die es auf die südchinesische Insel entsendet, auf bis zu 200 aufstocken.[7] Zuletzt haben die USA zusätzlich begonnen, ihre Präsenz auf dem Philippinen wieder auszubauen, die sie nach dem Ende des Kalten Krieges deutlich reduziert hatten. Jetzt wollen sie dort neue militärische Einrichtungen aufbauen, und zwar vor allem in größtmöglicher Nähe zu potenziellen Kriegsschauplätzen – zum einen weit im Norden der Hauptinsel Luzon unweit Taiwans, zum anderen auf der Insel Palawan; diese liegt langgestreckt am Südchinesischen Meer.

Rückwärtige Operationsbasis

Die Vereinigten Staaten ergänzen die Aufrüstung der ersten Inselkette um den Ausbau ihrer Militärpräsenz in Australien und die Intensivierung der Militärkooperation mit der einstigen britischen Kolonie. Die US-Streitkräfte sind traditionell zu Manövern in Australien präsent und dort zum Teil auch in Rotation stationiert.[8] Anfang Dezember 2022 einigten sich die Außen- und Verteidigungsminister Australiens und der USA darauf, die Präsenz der US-Streitkräfte noch stärker auszuweiten; unter anderem wird eine Luftwaffenbasis im Norden des Landes so ausgebaut, dass sie bis zu sechs atomwaffenfähige B-52-Langstreckenbomber beherbergen kann.[9] Am Dienstag gaben Australien, die USA und Großbritannien Pläne für die Aufrüstung Australiens mit nuklear betriebenen U-Booten bekannt. Demnach werden ab 2027, wenn Canberra seine aktuelle U-Boot-Flotte langsam außer Dienst stellen muss, zunächst US-amerikanische und britische Atom-U-Boote zeitweise in Australien stationiert; in den 2030er Jahren wird das Land drei bis fünf Atom-U-Boote in den USA kaufen. Parallel wollen die drei Staaten neue Atom-U-Boote („SSN AUKUS“) entwickeln, die ab den 2040er Jahren zulaufen sollen.[10] Die Kosten werden auf bis zu 368 Milliarden australische Dollar über die nächsten 32 Jahre geschätzt (230 Milliarden Euro) – pro Jahr fast ein Viertel des heutigen australischen Militäretats.[11]

Trittsteine über den Pazifik

Wie umfassend die USA den militärischen Aufmarsch in der Asien-Pazifik-Region planen, zeigt die Tatsache, dass sie auch ihre Militärbasen auf kleinen Pazifikinseln hochrüsten. Die Inseln gelten in der Tradition der US-Militärstrategie als „Trittsteine“ über den Pazifik, die unter anderem den Nachschub aus den USA zu Kampfschauplätzen in der Asien-Pazifik-Region sichern sollen. Eine zentrale Rolle nimmt dabei Guam ein, das noch heute faktisch den Status einer US-Kolonie hat. Auf Guam haben die US-Marines im Januar einen neuen Stützpunkt errichtet, der perspektivisch bis zu 5.000 US-Militärs beherbergen soll; im Falle eines Krieges käme ihnen nicht zuletzt die Aufgabe zu, sich – ausgerüstet mit Anti-Schiffs-Raketen – auf kleinen Inseln möglichst weit in Richtung China zu bewegen, um chinesische Kriegsschiffe zu zerstören.[12] Von Guam aus würden außerdem US-Bomber in Richtung China aufbrechen. Auf Palau wiederum, einer Ex-US-Kolonie, deren Militärpolitik noch heute in der Hoheit der USA liegt, errichten die US-Streitkräfte gegenwärtig eine riesige Radaranlage zur Überwachung des Westpazifik.[13] Außenministerin Annalena Baerbock besuchte im vergangenen Jahr Palau, um die Berliner Kooperation mit dem Inselstaat zu intensivieren.[14]

„2025 im Krieg“

Im Jahr 2021 hatte die Fregatte Bayern Palau und Guam besucht, als sie ihre Asien-Pazifik-Fahrt absolvierte. Aktuell weitet die Bundeswehr ihre Manöver in der Asien-Pazifik-Region immer mehr aus (german-foreign-policy.com berichtete [15]). Zu dem rasant eskalierenden Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China, der in der Region immer heftiger ausgetragen wird, hat erst kürzlich ein hochrangiger US-General erklärt: „Mein Bauch sagt mir, wir werden im Jahr 2025 kämpfen.“[16]

 

[1] S. dazu Alte Freunde.

[2], [3] Alexandra Sakaki: Japans sicherheitspolitische Neuausrichtung. swp-berlin.org 17.02.2023.

[4] S. dazu Die NATO am Pazifik (II).

[5] S. dazu Die Militarisierung der ersten Inselkette.

[6] Alexandra Sakaki: Japans sicherheitspolitische Neuausrichtung. swp-berlin.org 17.02.2023.

[7] Nancy A. Youssef, Gordon Lubold: U.S. to Expand Troop Presence in Taiwan for Training Against China Threat. wsj.com 23.02.2023.

[8] S. dazu Der AUKUS-Pakt und die Fregatte Bayern.

[9] Mike Cherney: U.S. Plans Broad Increase of Military Presence in Australia. wsj.com 07.12.2022.

[10] Kathryn Armstrong, Frances Mao, Tom Housden: Aukus deal: US, UK and Australia agree on nuclear submarine project. bbc.co.uk 14.03.2023.

[11] Mick Ryan: Nuclear submarine deal will deeply impact the Australian Defence Force. Has the government got it right? abc.net.au 13.03.2023.

[12] Nancy A. Youssef: New U.S. Base on Guam Is Aimed at Deterring China. wsj.com 26.01.2023.

[13] Stephen Wright: US plans over-the-horizon radar facility in Palau. benarnews.org 11.01.2023.

[14] S. dazu Deutschlands Pazifikambitionen.

[15] S. dazu Das Deutsche Heer am Pazifik.

[16] Courtney Kube, Mosheh Gains: Air Force general predicts war with China in 2025, tells officers to prep by firing ‘a clip’ at a target, and ‘aim for the head’. nbcnews.com 27.01.2023.


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