Entkoppeln und aufrüsten
Berlin bereitet Verbot von Huawei-5G-Bauteilen vor, treibt die technologische Entkopplung von China voran. Westen rüstet zugleich massiv gegen die Volksrepublik auf. Beijing warnt vor Konsequenzen.
BEIJING/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung bereitet ein Verbot der Nutzung chinesischer Technologie in den deutschen 5G-Netzen vor und treibt so die technologische Entkopplung von China voran. Wie berichtet wird, hat das Bundesinnenministerium die Netzbetreiber aufgefordert, eine Liste der kritischen Bauteile in ihren Netzen vorzulegen; das gilt als Vorstufe für den Ausschluss von Komponenten von Huawei und ZTE. Sorgen, das Vorhaben könne gesetzeswidrig sein und allzu hohe Kosten verursachen, sucht Berlin mit einer Gesetzesänderung und langen Übergangsfristen auszuräumen. Währenddessen dehnen die Vereinigten Staaten ihr Halbleiterembargo aus, zwingen verbündete Staaten – darunter besonders die Niederlande –, sich anzuschließen, und nehmen schon weitere Maßnahmen zur Entkopplung von der Volksrepublik ins Visier. Gleichzeitig rüsten sie und ihre Verbündeten in Ostasien – Japan, Südkorea und Taiwan – heftig auf, während auch die Bundesrepublik ihre Aktivitäten in der Asien-Pazifik-Region intensiviert sowie vor allem ihre Kriegsübungen dort verstärkt. China kündigt an, es werde sich, sollte der Westen an der Eskalation der Lage festhalten, zur Wehr setzen – mit allen Mitteln.
Ausschluss von 5G
Die Bundesregierung bereitet ein Verbot der Nutzung chinesischer Bauteile innerhalb der deutschen 5G-Netze vor. Wie berichtet wird, hat das Bundesinnenministerium die Netzbetreiber aufgefordert, eine Liste sämtlicher kritischer Komponenten in den Netzen mit Angaben zum jeweiligen Hersteller anzufertigen und sie bis Anfang April dem Ministerium zu übersenden. Dann wird das Haus prüfen, ob die Nutzung der einzelnen Bauteile mit den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik vereinbar ist. Ist das laut dem Urteil des Innenministeriums der Fall, dürfen sie in den Netzen bleiben; ist es nicht der Fall, dürfen sie nicht mehr verwendet werden und müssen sogar aus den bestehenden Netzen entfernt werden. Zwar heißt es offiziell, man wolle den Schritt nicht als gegen bestimmte Konzerne gerichtet verstanden wissen. Jedoch heißt es zugleich, das Ministerium berücksichtige bei seiner Entscheidung selbstverständlich „Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden“ sowie „geostrategische Interessen“.[1] Damit ist klar, dass die Bundesregierung auf Bauteile der chinesischen Konzerne Huawei und ZTE zielt. Ihr Ausschluss wird bereits seit Jahren nicht nur von den Vereinigten Staaten, sondern auch von einer zunehmenden Zahl deutscher Politiker vor allem aus CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen verlangt.
Sorgen wegen der Folgen
Sorgen bereitet Berlin dabei zweierlei. So liegen bislang keinerlei Belege dafür vor, dass China sich die Nutzung chinesischer Bauteile in westlichen Netzen zunutze machen würde, um Spionage zu treiben.[2] Diffuse Spekulationen, dies könne unter Umständen in Zukunft der Fall sein, reichen für ein Verbot allerdings bislang nicht aus. Um das Risiko zu verringern, Konzerne wie Huawei und ZTE könnten mit Erfolg gegen einen Ausschluss aus den deutschen Netzen klagen, arbeitet Berlin zur Zeit an einer Änderung des BSI-Gesetzes, die die Ausgrenzung missliebiger – faktisch: chinesischer – Hersteller erleichtern soll. Geplant ist zudem, das Vorgehen auch auf weitere Elemente der kritischen Infrastruktur auszuweiten; als Beispiele genannt werden Pipelines oder Hafenkräne.[3] Darüber hinaus sorgt sich die Bundesregierung um die ökonomischen Folgen. Ein kurzfristiger Ausschluss chinesischer 5G-Bauteile hätte zur Folge, dass zumindest für Teile des Netzes nur 4G zur Verfügung stünde. Zudem müssten, da 5G-Bauteile heute noch vom selben Hersteller stammen müssen wie die 4G-Bauteile, auf denen sie aufbauen, auch 4G-Bauteile von ZTE und Huawei ausgetauscht werden. Weil das die Kosten stark in die Höhe treibt, bereiten die Netzbetreiber bereits Schadensersatzforderungen vor.[4] Berlin hofft, sich mit langen Übergangsfristen aus der Affäre ziehen zu können.
Die Entkopplung schreitet voran
Der absehbar bevorstehende Ausschluss von Huawei und ZTE ist – nach deren faktischem Ausschluss aus dem 5G-Kernnetz – ein weiterer Schritt in Richtung auf eine technologische Entkopplung („Decoupling“) Deutschlands und des Westens von China. Die Vereinigten Staaten treiben die Entkopplung zur Zeit mit hohem Tempo voran; nach der Verhängung eines Embargos auf die Lieferung von Hochleistungschips in die Volksrepublik haben sie kürzlich auch die Niederlande und Japan auf entsprechende Maßnahmen verpflichtet. Diese müssen daher ihre Lieferungen von Maschinen zur Halbleiterproduktion nach China stark reduzieren. Von der Maßnahme betroffen ist insbesondere der niederländische Konzern ASML, der sein Chinageschäft – es belief sich zuletzt immer noch auf gut 15 Prozent seines Umsatzes – weiter reduzieren muss. Damit gehen auch Aufträge für seine wichtigsten Zulieferer verloren – für die deutschen Unternehmen Zeiss (Oberkochen) und Trumpf (Ditzingen), die High-Tech-Spiegel bzw. Lasertechnologie für ASML fertigen. Washington plant bereits weitere Schritte, will etwa die populäre chinesische App TikTok verbieten und dringt darauf, dass Berlin und die EU auch diesbezüglich nachziehen.[5] EU-Kommission und Europaparlament haben ihren Mitarbeitern die Nutzung der App mittlerweile schon untersagt.[6] Zusätzliche Maßnahmen werden aller Voraussicht nach folgen.
Beispiellose Aufrüstung
Die Berliner Schritte in Richtung auf eine technologische Entkopplung von China erfolgen in einer Zeit, in der die Vereinigten Staaten und ihre asiatischen Verbündeten – vor allem Japan, Südkorea und Taiwan – ihre Aufrüstung gegen China massiv beschleunigen und auch die Staaten Europas, darunter Deutschland, ihre militärische Präsenz in der Asien-Pazifik-Region ausbauen. Japan erhöht seinen Militärhaushalt um mehr als 50 Prozent, entwickelt sich damit zum Land mit dem drittgrößten Wehretat der Welt und beschafft ein Raketenarsenal, mit dem es die Volksrepublik angreifen kann.[7] Südkorea plant ebenfalls eine massive Aufstockung seines Streitkräftebudgets um 6,8 Prozent pro Jahr, diskutiert über eine nukleare Bewaffung – und strebt insbesondere eine engere Kooperation mit Japan an, um eine antichinesische Blockbildung in Ostasien zu ermöglichen.[8] Die Vereinigten Staaten legen neue Stützpunkte auf den Philippinen an und optimieren ihre Militärpräsenz auf den südlichen Inseln Japans; zudem rüsten sie Taiwan beschleunigt auf und erhöhen die Zahl ihrer Militärausbilder auf der südchinesischen Insel von rund 30 auf 100 bis 200.[9] Deutschland wiederum beteiligt sich zunehmend an Kriegsübungen in der Asien-Pazifik-Region.[10]
Katastrophale Konsequenzen
In dieser Situation stellt China klar, es werde sich, sollte der Westen an der Eskalation der Lage festhalten, zur Wehr setzen. Am Dienstag konstatierte Präsident Xi Jinping im Hinblick auf die rasch anschwellenden gegen die Volksrepublik gerichteten westlichen Aktivitäten: „Westliche Länder, angeführt von den Vereinigten Staaten, haben China in allumfassender Weise eingedämmt und unterdrückt, was für die Entwicklung unseres Landes beispiellose Herausforderungen gebracht hat.“[11] Die Volksrepublik müsse die Reihen schließen und im Fall der Fälle zum Kampf mit dem Westen bereit sein. Außenminister Qin Gang wiederum erklärte, die US-Regierung äußere zwar, sie setze sich für „Leitplanken“ in den Beziehungen zu China ein: „Wenn die sogenannten Leitplanken“ aber „nur bedeuten, dass China nicht mit Worten und Taten auf Verleumdung und Angriff reagieren soll, ist das unmöglich“.[12] Wenn „Amerika nicht auf die Bremse“ trete, sondern auch weiterhin „auf dem falschen Weg beschleunig[e]“, stehe die Welt vor „katastrophalen Konsequenzen“.
[1] Bundesregierung prüft Verbot chinesischer Bauteile im 5-G-Netz. Frankfurter Allgemeine Zeitung 08.03.2023.
[2], [3] Helene Bubrowski: Der lange Weg zum Verbot. Frankfurter Allgemeine Zeitung 08.03.2023.
[4] Helmut Bünder, Julia Löhr: Weniger Huawei wagen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 08.03.2023.
[5] Ina Fried: U.S. seeks fresh ways to crack down on Chinese tech industry. axios.com 02.03.2023.
[6] Luca Bertuzzi: European Commission bans TikTok from corporate devices. euractiv.com 23.02.2023.
[7] S. dazu Die Militarisierung der ersten Inselkette.
[8] S. dazu Die NATO am Pazifik (II).
[9] Nancy A. Youssef, Gordon Lubold: U.S. to Expand Troop Presence in Taiwan for Training Against China Threat. wsj.com 23.02.2023.
[10] S. dazu Das Deutsche Heer am Pazifik.
[11], [12] Friederike Böge: Die Schuldigen sind andere, sagt Xi. Frankfurter Allgemeine Zeitung 08.03.2023.

ex.klusiv
Den Volltext zu diesem Informationsangebot finden Sie auf unseren ex.klusiv-Seiten - für unsere Förderer kostenlos.
Auf den ex.klusiv-Seiten von german-foreign-policy.com befinden sich unser Archiv und sämtliche Texte, die älter als 14 Tage sind. Das Archiv enthält rund 5.000 Artikel sowie Hintergrundberichte, Dokumente, Rezensionen und Interviews. Wir würden uns freuen, Ihnen diese Informationen zur Verfügung stellen zu können - für 7 Euro pro Monat. Das Abonnement ist jederzeit kündbar.
Möchten Sie dieses Angebot nutzen? Dann klicken Sie hier:
Persönliches Förder-Abonnement (ex.klusiv)
Umgehend teilen wir Ihnen ein persönliches Passwort mit, das Ihnen die Nutzung unserer ex.klusiven Seiten garantiert. Vergessen Sie bitte nicht, uns Ihre E-Mail-Adresse mitzuteilen.
Die Redaktion
P.S. Sollten Sie ihre Recherchen auf www.german-foreign-policy.com für eine Organisation oder eine Institution nutzen wollen, finden Sie die entsprechenden Abonnement-Angebote hier:
Förder-Abonnement Institutionen/Organisationen (ex.klusiv)