Annahme verweigert
Deutschland lehnt als bislang einziges Land Europas chinesische Hilfsangebote im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie ab.
BERLIN/BEIJING (Eigener Bericht) - Als bislang einziges Land Europas nimmt Deutschland ein chinesisches Hilfsangebot im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie nicht an. Wie Chinas Präsident Xi Jinping mitteilt, habe er Bundeskanzlerin Angela Merkel mitgeteilt, die Volksrepublik sei bereit, "im Rahmen unserer Fähigkeiten Hilfe zu leisten", sollte es "Bedarf" geben. Beijing hat in den vergangenen Tagen mehreren Staaten Europas, darunter Italien, Spanien und Frankreich, Hilfslieferungen zukommen lassen und teilweise auch Ärzteteams zu praktischer Unterstützung vor Ort entsandt. Berlin ignoriert das Hilfsangebot, obgleich in der Bundesrepublik eklatanter Mangel etwa an Atemschutzmasken herrscht; so beklagen mehr als 80 Prozent aller niedergelassenen Ärzte, nicht genügend Schutzkleidung beschaffen zu können. Gegen die Bundesregierung, die stets betont hatte, "gut vorbereitet" zu sein, werden schwere Vorwürfe wegen unterlassener Vorsorge laut. Deutsche Leitmedien denunzieren Chinas Hilfen als "Propagandakampagne" und werfen dem Land vor, "Verursacher der Pandemie" zu sein. Nur der Trump'sche Begriff "chinesisches Virus" fehlt.
"Seidenstraße der Gesundheit"
China weitet seine Hilfslieferungen nach Europa im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie aus. Nach einem ersten Transport von 31 Tonnen Hilfsgütern - darunter Atemschutzmasken und andere medizinische Schutzausrüstung -, der am 12. März auf dem Flughafen Rom-Fiumicino eintraf, sind in den vergangenen Tagen weitere Lieferungen in Spanien, in Frankreich und in Griechenland angekommen. Auch Serbien, das von einem EU-Exportverbot betroffen ist, genießt Unterstützung aus der Volksrepublik. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić hat Beijing außerdem um die Entsendung eines Teams von Medizinern gebeten, die mit den chinesischen Erfahrungen aus dem Kampf gegen die Pandemie vertraut sind; solche Teams sind inzwischen etwa in Italien eingetroffen, zuletzt in der besonders hart von Covid-19 betroffenen Lombardei.[1] Laut Berichten sind weitere EU-Mitgliedstaaten an chinesischer Unterstützung interessiert, darunter Bulgarien, Slowenien und Litauen.[2] Zusätzlich zu praktischer Unterstützung vor Ort tauschen sich Experten aus China mit europäischen Kollegen über ihre Erfahrungen aus. Teilweise wird die chinesische Unterstützung von Nicht-Regierungsorganisationen wie der Alibaba Foundation sowie der Jack Ma Foundation organisiert. Mit Blick auf die zunehmende Dichte der Aktivitäten ist inzwischen von einer "Seidenstraße der Gesundheit" die Rede.
Angebot ignoriert
Chinas Präsident Xi Jinping hat, wie berichtet wird, inzwischen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel Hilfe im Kampf gegen das Covid-19-Virus angeboten. Hintergrund ist, dass Deutschland der Staat mit den drittmeisten Infektionen in Europa ist - nach Italien und Spanien. Sollte es in der Bundesrepublik "Bedarf" geben, dann sei Beijing selbstverständlich "bereit, im Rahmen unserer Fähigkeiten Hilfe zu leisten", teilte Xi mit: Krisen in der öffentlichen Gesundheit seien "gemeinsame Herausforderungen für die Menschheit"; "Einheit und Zusammenarbeit" seien "die mächtigsten Waffen" gegen sie.[3] Die Volksrepublik könne sich eine Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik auch auf weiteren Feldern vorstellen, etwa bei der Entwicklung von Impfstoffen. Eine Antwort aus Berlin auf das Angebot liegt bislang nicht vor. Deutschland ist damit der einzige Staat Europas, der Unterstützung aus Beijing, zumindest bis heute, faktisch ausgeschlagen hat.
"Nicht eine einzige Maske"
Das ist bemerkenswert, weil in der Bundesrepublik ein eklatanter Mangel an wichtigen Materialien und an Schutzausrüstung herrscht. So beklagen inzwischen mehr als 80 Prozent der in Deutschland niedergelassenen Ärzte fehlende Schutzausrüstung wie Atemschutzmasken oder Schutzkittel. Da der Weltmarkt wie leergefegt sei, habe seine Organisation sich schon vor Wochen mit der Bitte um Unterstützung an die Bundesregierung gewandt, berichtete kürzlich der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, Walter Plassmann: "Da ist nichts gekommen. Nicht eine einzige Maske haben wir gekriegt".[4] Ähnlich verhält es sich in Krankenhäusern, wo ebenfalls Atemschutzmasken und Schutzanzüge fehlen. Zwar habe der Gesundheitsminister Nordrhein-Westfalens, Karl-Josef Laumann, vor kurzem eine Million Atemschutzmasken bestellt; davon seien allerdings erst 20.000 eingetroffen, hieß es Ende vergangener Woche. Nordrhein-Westfalen ist das von der Pandemie am härtesten getroffene Bundesland; allein in Heinsberg, dem Epizentrum der dortigen Covid-19-Erkrankungen, werden laut Berichten täglich 7.500 Mund-Nasen-Schutzmasken sowie 2.200 FFP2-Masken benötigt.[5] Mangel herrscht zudem an spezieller Ausrüstung wie etwa Beatmungsgeräten, darüber hinaus aber auch an einfachen Materialien wie Desinfektionsmitteln. Für diese gehen inzwischen den Herstellern die Grundstoffe aus.[6]
"Gut vorbereitet"
Längst werden schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung, speziell gegen Gesundheitsminister Jens Spahn laut. Spahn hatte bereits Ende Januar und auch später immer wieder verlauten lassen, die Bundesregierung sei auf alle denkbaren Fälle "gut vorbereitet". Dennoch hat sein Ministerium gegen den absehbaren Mangel an Schutzkleidung, vor dem die Weltgesundheitsorganisation WHO bereits am 7. Februar offiziell warnte, nichts unternommen. Dokumentiert ist etwa der Fall eines Unternehmers, dessen Firma Atemschutzmasken und Schutzkleidung für Krankenhäuser herstellt. Der Mann hatte sich in mehreren Schreiben mit dem Hinweis auf den drohenden Mangel an das Gesundheitsministerium gewandt. Dabei bot er dem Ministerium an, trotz immenser globaler Nachfrage 1,5 Millionen Mundschutz- und 200.000 Atemmasken für deutsche Krankenhäuser zu reservieren, und versah sein Schreiben mit dem Hinweis: "Ich appelliere an Sie, unterschätzen Sie die Problematik dieses Virus nicht."[7] Der Unternehmer gibt an, keinerlei Antwort aus Berlin erhalten zu haben. Das Ministerium wiederum weist jegliche Zuständigkeit zurück: "Die Beschaffung von persönlicher Schutzausrüstung" werde in Deutschland über das Beschaffungsamt der Bundeswehr koordiniert.
Propagandakampagne
Während die Bundesregierung trotz eklatanten Mangels an Schutzausrüstung das chinesische Hilfsangebot ignoriert, haben deutsche Leitmedien begonnen, Beijings Hilfslieferungen an andere europäische Länder systematisch zu diskreditieren. So heißt es etwa in einer führenden deutschen Tageszeitung, "die mit großer Geste bereitgestellten Hilfen" seien lediglich "Teil einer Propagandakampagne", mit der Beijing davon ablenken wolle, dass es eigentlich "Verursacher der Krise" sei.[8] In einem weiteren Blatt heißt es: "Das Bild des Verursachers der Pandemie soll nun durch das Bild des Retters ausgetauscht werden."[9] Gezielt werden Kooperationspartner der Volksrepublik aus Europa attackiert. So heißt es etwa, wenn sich "das Narrativ von China als großem Helfer ... durchsetz[e]", dann liege dies "daran, dass die Chinesen in Europa Verbündete finden, die gerne am Mythos mitarbeiten". Ein solcher "Verbündeter" sei Italiens Außenminister Luigi Di Maio, der in seinem Land bereits "als 'chinesischer Minister' tituliert" worden sei.[10]
Machtkampf gegen Beijing
Tatsächlich sind die zitierten Medienkommentare und die bisherige Weigerung Berlins, Hilfen aus China anzunehmen, Teil des großen globalen Kampfs um die Weltmacht, den die Bundesrepublik auch in der Coronakrise nicht zurückstellt. Vielmehr bereitet die Bundesregierung ungeachtet der Krise zur Zeit Schritte vor, die dem Aufbau militärischer Bündnisse gegen Beijing in Asien und in der Pazifikregion dienen. german-foreign-policy.com berichtet in Kürze.
Mehr zum Thema: Die Solidarität der EU und Die Solidarität der EU (II).
[1] Michael Peel, Tom Hancock, Valerie Hopkins, Miles Johnson: China ramps up coronavirus help to Europe. ft.com 18.03.2020.
[2] Alan Crawford, Peter Martin: 'Health Silk Road:'ssx China showers Europe with coronavirus aid as both spar with Trump. fortune.com 19.03.2020.
[3] Stuart Lau: Coronavirus: Xi Jinping calls leaders of France, Spain, Germany and Serbia with offers of support. scmp.com 21.03.2020.
[4] Cornelia Stolze: "Wir haben gemahnt, und keiner hat uns gehört". spiegel.de 19.03.2020.
[5] Lukas Eberle, Hubert Gude: "Liefert irgendwas!" spiegel.de 20.03.2020.
[6] Hersteller von Desinfektionsmitteln starten Hilferuf: Ethanol wird knapp. rnd.de 22.03.2020.
[7] Cornelia Stolze: "Wir haben gemahnt, und keiner hat uns gehört". spiegel.de 19.03.2020.
[8] Friederike Böge, Stephan Löwenstein, Michael Martens, Matthias Rüb: Vom Verursacher der Krise zum Retter in der Not? Frankfurter Allgemeine Zeitung 18.03.2020.
[9] Gloria Geyer: Wie sich China in der Corona-Krise Einfluss in Europa sichert. tagesspiegel.de 19.03.2020.
[10] Silke Wettach: China wirft die Propaganda-Maschine an. wiwo.de 19.03.2020.
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