„Konstruktive Kräfte“
Nordrhein-Westfalen baut Rüstungskooperation mit den Vereinigten Arabischen Emiraten aus, während diese die genozidale Miliz RSF im Sudan bewaffnen. Die RSF haben soeben Tausende unbewaffnete Zivilisten in Darfur ermordet.
DÜSSELDORF/ABU DHABI/AL FASHIR (Eigener Bericht) – Das Bundesland Nordrhein-Westfalen baut seine Rüstungsbeziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten aus, während diese eine genozidale Miliz im Sudan mit Waffen beliefern. Am gestrigen Sonntag wurde der Minister für Internationales des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Nathanael Liminski, in Abu Dhabi erwartet, um dort nach eigenen Angaben unter anderem „den engen Austausch … zu hochmodernen Verteidigungssystemen“ zu suchen. Die Emirate gehören schon heute zu den wichtigsten Käufern deutscher Rüstungsgüter. Zugleich beliefern sie die Miliz RSF mit Waffen, die im sudanesischen Bürgerkrieg gegen die regulären Streitkräfte kämpft und beschuldigt wird, in der vergangenen Woche bei der Eroberung der Stadt Al Fashir Tausende schwarzafrikanische Zivilisten ermordet zu haben. Britische Rüstungsgüter sind über die Vereinigten Arabischen Emirate nachweislich an die RSF gelangt; ob auch deutsche Rüstungsgüter den Weg dorthin fanden, ist unbekannt. Die RSF-Massaker werden als genozidal eingestuft. Beobachter urteilen, ohne die Waffenlieferungen des nordrhein-westfälischen Rüstungskooperationspartners Abu Dhabi wäre der Krieg im Sudan längst zu Ende.
Bürgerkrieg im Sudan
Der aktuelle Bürgerkrieg im Sudan begann am 15. April 2023, als die Miliz der Rapid Support Forces (RSF) die regulären Streitkräfte des Landes (Sudanese Armed Forces, SAF) angriff und große Teil der Hauptstadt Khartoum, die westsudanesische Region Darfur mit Ausnahme der Stadt Al Fashir sowie weitere Teile des Landes unter ihre Kontrolle brachte. Als wichtigster Auslöser des Krieges gilt, dass die RSF nicht bereit waren, sich in die regulären Streitkräfte eingliedern zu lassen, und stattdessen die alleinige Macht anstrebten. Der Krieg wurde – und wird – von beiden Seiten mit äußerster Brutalität geführt; die Zahl der Opfer ist nicht bekannt, wurde aber schon im vergangenen Jahr auf 150.000 geschätzt. Die Kämpfe haben weit über zwölf Millionen Menschen auf die Flucht getrieben und eine humanitäre Katastrophe ausgelöst, die von UN-Repräsentanten als die gegenwärtig größte der Welt eingestuft wird. Im März gelang es den regulären Streitkräften, die Kontrolle über die Hauptstadt Khartum zurückzugewinnen und die RSF in die Defensive zu drängen. Diese kontrollieren jetzt noch gewisse Teile des Südens des heutigen Sudan sowie Darfur, das sie mit der Eroberung von Al Fashir nahezu komplett unter ihre Kontrolle gebracht haben.[1]
Handlanger der EU
Die RSF haben ihre Ursprünge in den Janjaweed, einer arabischen Miliz aus Darfur, die im Bürgerkrieg der Jahre ab 2003 Angehörige der schwarzafrikanischen Bevölkerungsgruppen in der Region massakrierte – der Masalit, der Fur sowie der Zaghawa.[2] Ihren Massakern fielen damals laut Schätzungen zwischen 200.000 und 300.000 Menschen zum Opfer. Krieger der Janjaweed organisierten sich ab 2013 unter Führung von Mohamed Hamdan Dagalo, nahmen ihren heutigen Namen Rapid Support Forces an und begannen als Hilfstruppe der Regierung zu operieren. Unter anderem betätigten sie sich bei der Jagd auf Flüchtlinge, die aus Ostafrika – etwa Somalia oder Eritrea – durch den Sudan in Richtung Mittelmeer reisen wollten. Dies taten sie zu einer Zeit, als die EU im Rahmen ihres sogenannten Khartum-Prozesses Mittel an ostafrikanische Staaten vergab, die ihre Bestrebungen unterstützten, die Flüchtlinge so weit wie möglich vom Mittelmeer entfernt zu stoppen. Zwar gibt die EU an, sie habe die RSF nie direkt finanziert. Allerdings gehen Beobachter davon aus, dass die RSF indirekt von den EU-Zahlungen profitierten.[3] Seit dem Sturz der Regierung von Omar al Bashir im Jahr 2019 teilten sich die RSF die Macht in Khartum mit den regulären Streitkräften.
Waffenlieferant der RSF
Die RSF werden bis heute vor allem von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt. Die Kooperation zwischen beiden Seiten begann, als Truppen der RSF noch unter Präsident Al Bashir von den Emiraten als Söldner für ihren Krieg im Jemen angeworben wurden. Das brachte den RSF nicht nur Geld, sondern auch Kriegserfahrung ein, die sie bis heute im Bürgerkrieg im Sudan nutzen können. Die Bindungen wurden weiter gefestigt, als es dem Clan von RSF-Anführer Mohamed Hamdan Dagalo („Hemedti“) im Jahr 2017 gelang, im Norden Darfurs attraktive Goldminen unter Kontrolle zu bekommen. Er verkaufte das Gold regelmäßig in die Emirate, die damit gleichfalls ihren Reichtum mehrten. Im Gegenzug unterstützen sie die RSF bis heute insbesondere mit Waffenlieferungen, wenngleich sie dies offiziell kategorisch abstreiten. Medienrecherchen haben jedoch mehrfach belegt, dass die Waffen der RSF zum großen Teil über den Osten des Tschads angeliefert werden, wohin sie von emiratischen Maschinen gebracht werden.[4] Der Weg von dort in die Provinz Darfur, die schon lange weitgehend von den RSF kontrolliert wird, ist nicht weit. Zuletzt sind emiratische Waffen auch über Libyen und Somalia angeliefert worden – verstärkt, seit die RSF aus Khartum vertrieben wurden.[5]
Genozidale Gewalt
Die verstärkten Waffenlieferungen haben es den RSF nicht nur erlaubt, ihre Niederlage im Bürgerkrieg zu vermeiden, sondern auch, ihre Angriffe auf Al Fashir zu intensivieren.[6] Die Stadt hatten sie schon im April 2024 umzingelt; zuletzt kamen dort nicht nur durch wiederholten Beschuss, sondern auch durch Hunger immer mehr Menschen ums Leben. Stets herrschte die Furcht, eine Eroberung der Stadt könne in genozidale Gewalt münden wie kurz nach Beginn des Krieges die Einnahme von Al Junaina in West-Darfur, bei der die RSF systematisch Angehörige der schwarzen Bevölkerungsgruppe der Masalit ermordeten. Die Zahl der Todesopfer in Al Junaina wurde auf 10.000 bis 15.000 geschätzt. In der vergangenen Woche hat sich die Furcht bezüglich erneuter Massaker in Al Fashir als begründet erwiesen. Bereits zu Wochenbeginn wurde von weit über 2.000 Todesopfern berichtet – unbewaffnete Zivilisten, die zumeist wegen ihrer Hautfarbe umgebracht worden seien.[7] Laut Angaben der WHO wurden allein in einem Krankenhaus über 460 Zivilisten massakriert. Am gestrigen Sonntag hieß es, der Verbleib von Zehntausenden Einwohnern von Al Fashir sei ungewiss.[8] Die Zahl der Todesopfer könne entsprechend noch erheblich steigen.
Bedeutender Waffenkunde
Die Vereinigten Arabischen Emirate, ohne deren Waffenlieferungen die RSF sich weder gegen die regulären Streitkräfte hätten behaupten noch den Sturm auf Al Fashir erfolgreich hätten führen können, werden ihrerseits mit Waffen unter anderem aus NATO-Staaten beliefert. Mit Abstand wichtigster Lieferant von Großwaffensystemen sind laut Angaben des Stockholmer Forschungsinstituts SIPRI die Vereinigten Staaten. Auf diese folgen Frankreich und die Türkei.[9] Auch Deutschland liefert den Emiraten regelmäßig Rüstungsgüter in beträchtlichem Umfang. Im vergangenen Jahr standen sie unter den Empfängern deutscher Rüstungsexporte mit Kriegsgerät im Wert von fast 150 Millionen Euro auf Rang neun knapp hinter Israel und vor Saudi-Arabien. Dokumentiert ist, dass britische Waffen über die Vereinigten Arabischen Emirate in die Bestände der RSF gelangten und von diesen im Krieg auch eingesetzt wurden. Dies betrifft nachweislich Motoren, die für gepanzerte Fahrzeuge benötigt werden, und Zielvorrichtungen für Kleinwaffen.[10] Ob die Emirate auch deutsche Rüstungsgüter nach Erhalt an die RSF weiterleiteten, ist bislang nicht bekannt.
Kooperationspartner in Sachen Militärtechnologie
Bekannt ist allerdings, dass am gestrigen Sonntag Nathanael Liminski, Minister für Internationales des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen und Chef von dessen Staatskanzlei, zu einem Besuch in der emiratischen Hauptstadt Abu Dhabi erwartet wurde. Offizieller Anlass ist seine Teilnahme an der internationalen Energiekonferenz ADIPEC 2025.[11] Liminski will darüber hinaus aber auch den Tawazun Industriepark am Stadtrand von Abu Dhabi besuchen, der, das bestätigt Liminskis Ministerium, „eines der wichtigsten Zentren der Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie“ in Nah- und Mittelost ist. Ziel sei es, „Kooperationsmöglichkeiten im Bereich Sicherheitstechnologien und Verteidigung auszuloten“, heißt es weiter; Liminski wird mit der Aussage zitiert: „Um die Zeitenwende voranzutreiben, müssen wir den engen Austauch mit unseren internationalen Partnern zu hochmodernen Verteidigungssystemen suchen.“[12] Es gelte „heute ein funktionsfähiges Ökosystem für die Militärtechnologie von morgen auf[zu]bauen“, erläutert der Minister. Da die Vereinigten Arabischen Emirate eins der Abraham-Abkommen mit Israel unterzeichnet haben, zählt er sie – ungeachtet ihrer Rolle als Hauptrüstungslieferant der genozidalen RSF – „zu den konstruktiven Kräften in der Region“.
[1], [2] S. dazu Die Londoner Sudan-Konferenz.
[3] S. dazu Nützliche Milizen.
[4] Oscar Rickett: How the UAE kept the Sudan war raging. middleeasteye.net 25.01.2024.
[5], [6] Jared Malsin, Benoit Faucon, Robbie Gramer: How U.A.E. Arms Bolstered a Sudanese Militia Accused of Genocide. wsj.com 28.10.2025.
[7] Carlos Mureithi: Mass killings reported in Sudanese city seized by paramilitary group. theguardian.com 28.10.2025.
[8] Noha Elhennawy: Fears grow for thousands trapped in Sudan’s el-Fasher as few residents reach safety. pbs.org 02.11.2025.
[9] Vereinigte Arabische Emirate. Länderinformationen zu den Europäischen Kriterien für Waffenexporte. bicc Common Position Brief. Bonn, August 2025.
[10] Stop arming the UAE! Stop the Sudanese genocide! caat.org.uk 30.10.2025.
[11], [12] Minister Liminski reist in die Vereinigten Arabischen Emirate. mbeim.nrw 02.11.2025.

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