Vom Drohnen- zum Weltraumkrieg

Der neue EU-Rüstungsfahrplan sieht umfassende Produktions- und Beschaffungsmaßnahmen bei Drohnen und im Weltall vor. Er begünstigt Deutschland in seinem Bestreben, zu Europas stärkster konventioneller Militärmacht zu werden.

BERLIN/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Der neue „Fahrplan für Verteidigungsbereitschaft“ der EU sieht umfassende Hochrüstungsmaßnahmen bei Drohnen und im Weltall vor und begünstigt einen Aufstieg der Bundeswehr zur konventionell stärksten Streitmacht Europas. Das Dokument, das die EU-Kommission in der vergangenen Woche vorgelegt hat und das in dieser Woche von den Staats- und Regierungschefs verabschiedet werden soll, legt neun Schwerpunktbereiche sowie vier Leuchtturmprojekte zur Militarisierung der EU fest. Dabei sollen sich jeweils mehrere EU-Staaten zu „Koalitionen“ zusammentun, um die Entwicklung und die Produktion von Waffensystemen zu konzentrieren. Deutschland beansprucht laut Berichten die Führung über fünf der neun Koalitionen. Die Leuchtturmprojekte sind exakt in Bereichen angesiedelt, in denen die Bundesregierung die eigene Hochrüstung vorantreiben will – insbesondere bei Drohnen, in die Berlin in den nächsten Jahren bis zu zehn Milliarden Euro steckt, und bei der Militarisierung des Weltalls, für die 35 Milliarden Euro vorgesehen sind. Die immense Steigerung der deutschen Rüstungsausgaben erlaubt Berlin in diesen – und anderen – Bereichen den Durchmarsch auf dem Weg, zu Europas stärkster Militärmacht zu werden.

Neun Kernbereiche

Der neue „Fahrplan für Verteidigungsbereitschaft 2030“, den die EU-Kommission am vergangenen Donnerstag vorgestellt hat, definiert zunächst neun Kernbereiche, in denen die EU-Staaten in den nächsten Jahren besondere Rüstungsanstrengungen unternehmen sollen. Dabei handelt es sich um Flugabwehr; sogenannte strategische Befähiger – dazu zählen etwa Transport- und Aufklärungskapazitäten –; militärische Mobilität; Artilleriesysteme; Kapazitäten in der Cyber-, KI- und elektronischen Kriegsführung; Raketen und Munition; Drohnen und Drohnenabwehr; Bodenkampfsysteme; maritime Fähigkeiten.[1] In allen neun Bereichen sollen die EU-Staaten sogenannte Fähigkeitskoalitionen bilden, die Entwicklung und Produktion neuer Waffensysteme sowie deren gemeinsame Beschaffung vorantreiben. Die Bundesrepublik will Berichten zufolge die Führung über insgesamt fünf der neun Fähigkeitskoalitionen übernehmen.[2] Bis 2027 soll der Anteil gemeinsamer Beschaffungen der EU-Mitgliedstaaten auf 40 Prozent gesteigert werden. Die Kommission räumt allerdings ein, dass Brüssel bereits im Jahr 2007 beschlossen hat, diesen Anteil auf 35 Prozent zu steigern. Heute liegt er laut Angaben aus Brüssel immer noch unter 20 Prozent.

Vier Leuchtturmprojekte

Einen herausragenden Stellenwert räumt die EU-Kommission vier Leuchtturmprojekten ein. Dabei handelt es sich um eine European Drone Defence Initiative (EDDI); eine Eastern Flank Watch; einen European Air Shield; einen European Space Shield. Diese sind zum Teil mit einem klaren Zeitplan versehen, um sicherzustellen, dass sie nicht – wie so viele andere EU-Projekte – hoffnungslos verschleppt werden und letztlich versanden. So sollen die European Drone Defence Initative und die Eastern Flank Watch bis Ende 2026 eine Anfangsbefähigung besitzen und Ende 2027 bzw. Ende 2028 vollumfänglich einsatzfähig sein.[3] Der European Air Shield und der European Space Shield sollen jeweils im zweiten Quartal kommenden Jahres gestartet werden. Beim European Air Shield beansprucht Deutschland die Führung. Es hat bereits im Jahr 2022 die European Sky Shield Initiative (ESSI) lanciert (german-foreign-policy.com berichtete [4]), an die es jetzt anknüpfen kann. Diese umfasst die Beschaffung von IRIS-T-Abwehrsystemen für kürzere Entfernungen; sie werden vom deutschen Konzern Diehl hergestellt. Darüber hinaus ist das israelische Arrow 3-System Teil der ESSI. Keinen festen Platz hatte bislang das französisch-italienische Abwehrsystem SAMP/T; das US-System Patriot hingegen ist integriert.

Der Drohnenwall

Modifiziert hat die EU-Kommission die ursprünglichen Pläne, einen Drohnenwall an der NATO-Ostflanke zu errichten. Diese waren auf Unmut in den südlichen und den westlichen EU-Staaten gestoßen, die eine einseitige Vergabe von EU-Mitteln im Osten verhindern wollen. Die European Drone Defence Initiative (EDDI) wird jetzt explizit als EU-weites Vorhaben definiert, das auch Drohnenangriffe von Süden her sowie im Innern der EU-Staaten abwehren können soll. Die Eastern Flank Watch wiederum soll entlang der NATO-Ostflanke vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer unter anderem Bodensperren, Sensoren und Anlagen zur Flug- inklusive Drohnenabwehr umfassen und im Rahmen der EDDI durch Drohnen ergänzt werden. Faktisch entsteht der ursprünglich geplante Drohnenwall jetzt also in einer Kombination aus der Eastern Flank Watch und einem Teil der EDDI. Deutsche Drohnen-Startups wie Helsing oder Quantum Systems sind bestrebt, einen möglichst großen Anteil der Aufträge für sich zu gewinnen. Sie arbeiten bereits seit geraumer Zeit an entsprechenden Konzepten und könnten Aufträge nutzen, um ihre Drohnenfertigung zur Massenproduktion auszuweiten. Dabei sind sie recht erfolgreich bestrebt, ihre Waffen ohne Verwendung von Bauteilen aus den USA herzustellen (german-foreign-policy.com berichtete [5]).

„Extrem abhängig von den USA“

Nach einer starken bis führenden Rolle strebt die Bundesrepublik schließlich auch bei den Plänen zum Aufbau eines European Space Shield, der die EU im Weltall gegen Angriffe abschirmen soll. „Europa“ habe im Weltall „extreme Abhängigkeiten von den USA“, hielt kürzlich Juliana Süß, eine Expertin aus der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), fest. Dies gelte „vor allem bei Aufklärung, Kommunikation, Navigation“.[6] „Die Raketenfrüherkennung“ laufe sogar „komplett über die USA“. Die EU benötige dringend „ein Satellitennetzwerk wie Starlink“, das seine Bedeutung im Ukraine-Krieg bewiesen habe. Zurückgreifen könne man eventuell auf das System OneWeb des französischen Unternehmens Eutelsat, das allerdings beträchtlich modernisiert werden müsse. Ein eklatanter Schwachpunkt ist laut Süß, dass zum Beispiel der deutsche Marschflugkörper Taurus immer noch mit dem US-Navigationssystem GPS operiere; es müssten daher dringend Empfänger für derlei Waffensysteme entwickelt werden, die in der Lage seien, das EU-Navigationssatellitensystem Galileo zu verwenden. Bei der militärischen Nutzung des Alls habe die EU „vieles aufzuholen“, wird die SWP-Expertin zitiert.[7]

„Militärische Offensiven im All“

Entsprechende Vorstöße hat Ende September Verteidigungsminister Boris Pistorius in einer Rede auf dem dritten Weltraumkongress des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) angekündigt. Demnach plant die Bundesregierung den Aufbau einer weit ausgreifenden „Weltraumsicherheitsarchitektur“ – „eine resiliente Struktur aus Satellitenkonstellationen, Bodenstationen, gesicherten Startfähigkeiten und Services“.[8] Unter anderem will Berlin die „Lageerfassung im Orbit“ verbessern: „durch Radare, Teleskope und durch den zukünftigen Einsatz von Wächtersatelliten“. Außerdem sollen „Redundanzen durch mehrere, vernetzte Satellitenkonstellationen“ geschaffen werden – für den Fall, dass eine oder gar mehrere Konstellationen durch Angriffe feindlicher Mächte ausgeschaltet werden. Des weiteren sollen eigene „Transportkapazitäten ins All“ aufgebaut werden, darunter „kleine Trägerraketen für flexible Starts“, aber auch „europäische Schwerlastträger“. Die gesamte Architektur soll nicht zuletzt „gegen Störungen und Angriffe“ gehärtet werden. In diesem Kontext werde man „auch über Offensivfähigkeiten sprechen“, äußerte Pistorius. Zur Steuerung ist „ein eigenes militärisches Satelliten-Betriebszentrum im Weltraumkommando der Bundeswehr“ vorgesehen.

Auf dem Weg zur Nummer eins

Für den Ausbau militärischer Weltraumkapazitäten plant die Bundesregierung laut Pistorius bis zum Jahr 2030 Mittel in Höhe von 35 Milliarden Euro ein.[9] Zudem will sie, wie Pistorius am Mittwoch auf einem Treffen der NATO-Verteidigungsminister ankündigte, zehn Milliarden Euro „in Drohnen aller Art, aller Höhen“ investieren.[10] Die immensen Gelder, die dank einer umfassenden Neuverschuldung bei gleichzeitigen dramatischen Kürzungen in den Sozialetats verfügbar sind, ermöglichen es Deutschland, in Sachen Aufrüstung an allen anderen EU-Staaten vorbeizuziehen. Erklärtes Ziel von Bundeskanzler Friedrich Merz ist es, die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Streitmacht Europas zu machen. Gelingt das Vorhaben, dann hätte eine waffenstarrende Bundesrepublik Frankreich nicht nur ökonomisch und politisch hinter sich gelassen, sondern nun auch militärisch. Sie wäre dann die in jeder Hinsicht unangefochtene Vormacht nicht nur der EU, sondern ganz Europas.

 

[1] Preserving Peace – Defence Readiness Roadmap 2030. Brussels, 16.10.2025.

[2] Thomas Gutschker: Europas Schutzkuppel. Frankfurter Allgemeine Zeitung 17.10.2025.

[3] Preserving Peace – Defence Readiness Roadmap 2030. Brussels, 16.10.2025.

[4] S. dazu Die deutsch-französische „Partnerschaft“.

[5] S. dazu Die Drohnenkrise (II).

[6], [7] Stephan Löwenstein: Ohne Weltraum keine Verteidigung. Frankfurter Allgemeine Zeitung 08.10.2025.

[8], [9] Rede: Bundesminister der Verteidigung Pistorius beim 3. BDI-Weltraumkongress. bmvg.de 25.09.2025.

[10] Pistorius kündigt Drohnenkäufe an. Frankfurter Allgemeine Zeitung 16.10.2025.


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