Zurück zu den Iran-Sanktionen (II)

Deutschland, Frankreich und Großbritannien schwächen mit der Wiederinkraftsetzung der Iran-Sanktionen ihren Einfluss auf künftige Iran-Verhandlungen. Teheran setzt auf Geschäfte mit nichtwestlichen Staaten – Russland, China, Türkei.

TEHERAN/BERLIN (Eigener Bericht) – Die erneute Inkraftsetzung der UN-Sanktionen gegen Iran durch Deutschland, Frankreich und Großbritannien schwächt deren Position im Mittleren Osten und könnte zudem weitgehend scheitern. Dass die europäischen Staaten selbst die Embargomaßnahmen wieder aktiviert hätten, werde keine großen Konsequenzen haben, urteilen Beobachter: Sanktionen der ersten Trump-Administration verhindern schon seit Jahren den Großteil des europäischen Iran-Geschäfts. Russland wiederum hat schon angekündigt, es erkenne den „Snapback“ nicht an, mit dem Berlin, Paris und London den UN-Sanktionen aus der Zeit vor dem Abschluss des Atomabkommens zu neuer Geltung verhelfen wollen. China hat seinerseits laut Berichten ein Bartersystem entwickelt, mit dem milliardenschwere Geschäfte trotz bestehender US-Sanktionen möglich sind. Aus Teheran heißt es allerdings, mit der Auslösung des „Snapbacks“ hätten die drei Staaten Westeuropas „die Rechtfertigung für Verhandlungen mit ihnen fast komplett beseitigt“; sie würden in Gesprächen über die Zukunft Irans von nun an „eine viel kleinere Rolle“ spielen. Demnach ist ihr Versuch, mit dem Snapback Macht zu demonstrieren, ohne sie wirklich zu haben, gescheitert.

Der Snapback

Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten am 28. August den sogenannten Snapback ausgelöst – einen Mechanismus, der die UN-Sanktionen gegen Iran aus der Zeit vor der Verabschiedung des Atomabkommens im Jahr 2015 automatisch wieder in Kraft setzt. Die drei westeuropäischen Staaten begründeten ihren Schritt damit, Teheran habe ihren drei Hauptforderungen nicht umfassend Rechnung getragen. Deren erste lautete, Iran solle der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) erneut Inspektionen erlauben. Teheran hatte allerdings entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Darüber hinaus verlangten Berlin, Paris und London, Iran müsse offenlegen, wo sich seine Vorräte an angereichertem Uran befänden, und zudem umgehend neue Verhandlungen mit den USA aufnehmen.[1] Beobachter wiesen darauf hin, Ersteres werde wohl neue israelische Bombardements auslösen; an Letzterem habe die Trump-Administration kein Interesse. Am Wochenende räumte ein Kommentator der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein: „Wenn für Washington nur das Gesetz des Stärkeren gilt, warum sollte man dann einen Sinn darin sehen, mit den USA irgendetwas auszuhandeln und dafür in Vorleistung zu gehen?“[2] Die USA hätten „mit ihren Bomben auf iranische Atomanlagen ... gezeigt, welches Konzept sie für vielversprechender halten“.

Kein Wille zur Diplomatie

Kurz vor dem erneuten Inkrafttreten der Sanktionen am 27. September (Ortszeit New York) hatten China und Russland einen letzten Versuch unternommen, eine Fristverlängerung um ein halbes Jahr zu erwirken. Eine entsprechende Resolution wurde allerdings im UN-Sicherheitsrat mit einer Mehrheit von neun von 15 Stimmen abgeschmettert; die USA, fünf europäische Staaten (Frankreich, Großbritannien, Dänemark, Griechenland, Slowenien) und drei weitere Staaten, die unter heftigem US-Druck stehen (Panama, Sierra Leone, Somalia), lehnten einen Aufschub bis zum Frühjahr 2026 ab.[3] Chinas stellvertretender Botschafter bei den Vereinten Nationen, Geng Shuang, drückte „tiefes Bedauern“ aus und bekräftigte, „die einzig gangbare Option“ zur Lösung des Konfliktes um das iranische Atomprogramm liege in Verhandlungen und Diplomatie. Geng wies auf „den anhaltenden Konflikt in Gaza und die Unruhe im Nahen und Mittleren Osten insgesamt“ hin und konstatierte, „ein Zusammenbruch [der Diplomatie] in den iranischen Atomangelegenheiten könnte eine neue regionale Sicherheitskrise auslösen“; dies aber diene „den gemeinsamen Interessen der internationalen Gemeinschaft nicht“.[4] Es gelang nicht, die drei westeuropäischen Staaten umzustimmen.

Macht demonstrieren, ohne Macht zu haben

Beobachter stufen den Schritt als großspurigen Versuch ein, Macht zu demonstrieren, ohne tatsächlich Macht zu haben. „Die Europäer“ hätten „nie ihren Beitrag zur Aufhebung der Sanktionen“ geliefert, die Iran als eine „Frucht“ des 2015 geschlossenen Atomabkommens habe „genießen“ sollen, konstatierte etwa der erwähnte Kommentator in der FAZ: Sie seien „nicht in der Lage“ gewesen, „ihre international agierenden Firmen vor den Sekundärstrafen zu schützen, die ihnen seitens der USA drohten, wenn sie mit den Iranern Handel trieben“.[5] Stolz angekündigte Versuche, wirksame Schutzmechanismen gegen US-Sekundärsanktionen zu errichten, scheiterten (german-foreign-policy.com berichtete [6]). Der Handel mit Iran blieb daher gering; im Fall Deutschlands lag er 2024 bei 1,5 Milliarden Euro, etwas mehr als der Handel mit Island (1,4 Milliarden Euro), etwas weniger als derjenige mit Liechtenstein (1,7 Milliarden Euro). Insofern habe es ohnehin keinen relevanten Wirtschaftsaustausch gegeben, der nun durch die Sanktionen „erstickt werden“ könne, hieß es weiter in der FAZ; „dass Teheran sich ... unter Druck sieht und deswegen jetzt Zugeständnisse macht“, das erhofften sich „nicht einmal die“, die jetzt die Sanktionen wieder in Kraft setzten.

Europas Bedeutung schrumpft

Ganz im Gegenteil: Jeglicher realistischen Chance auf konstruktive Absprachen mit den westlichen Staaten beraubt, stellt Teheran seine Zusammenarbeit mit der IAEA prinzipiell zur Debatte. Wie Außenminister Abbas Araghchi am Sonntag mitteilte, betrachtet Iran eine vor kurzem getroffene Einigung mit der IAEA über die künftige Kooperation nun als „nicht mehr relevant“.[7] Eine grundsätzliche Entscheidung, ob und – wenn ja – wie man weiterhin mit der Institution zusammenarbeite, werde demnächst getroffen und bekanntgegeben. Hardliner in Teheran, die angesichts der Fruchtlosigkeit jeglicher Kooperation mit dem Westen einen Ausstieg aus dem Atomwaffensperrvertrag fordern, werden jetzt nur noch durch den Hinweis gebremst, auch China lehne Irans nukleare Bewaffnung klar ab. Teheran wird künftig noch stärker als bisher auf Beijing angewiesen sein. Die drei Staaten Westeuropas würden, komme es trotz aller Widrigkeiten noch einmal zu Verhandlungen, „eine viel kleinere Rolle“ darin spielen, teilte Araghchi mit: Mit dem Auslösen des Snapbacks hätten sie „die Rechtfertigung für Verhandlungen mit ihnen fast komplett beseitigt“.[8] Teheran hat entsprechend seine Botschafter aus Berlin, Paris und London zu Konsultationen abberufen. Über ihre Wiederentsendung ist noch nichts bekannt.

Parallele Realitäten

Als entscheidend gilt für Teheran die Frage, inwieweit sich andere Staaten an die wieder in Kraft gesetzten Sanktionen halten. Aus iranischer Sicht ist der Snapback ungültig und daher wirkungslos: Weil die USA das Atomabkommen durch ihren Ausstieg im Jahr 2018 faktisch ausgehebelt haben, können nicht Teile davon neu aktiviert werden, heißt es. Anfang September übermittelten Iran, Russland und China in einem gemeinsamen Schreiben an den UN-Sicherheitsrat ihre Auffassung, unter diesen Umständen hätten die europäischen Staaten nicht das Recht, die Sanktionen eigenmächtig wiederaufleben zu lassen.[9] Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja bekräftigte am 1. Oktober, aus russischer Sicht habe es keinen Snapback gegeben; man lebe offenbar „in zwei parallelen Realitäten“.[10] Erlaubt es diese Sichtweise, Geschäfte mit Iran fortzusetzen, so zeigen mehrere in den vergangenen Tagen in den USA publizierte Berichte, dass dies trotz der ohnehin bestehenden US-Sanktionen auch praktisch möglich ist: Demnach ermöglicht ein komplexes Bartersystem die Abwicklung milliardenschwerer chinesisch-iranischer Handels- und Dienstleistungsgeschäfte, ohne dass die USA dies verhindern könnten.[11]

Das Ende der westlichen Dominanz

Iran sucht seinen Handel auch mit anderen Staaten zu sichern. So hielt sich der iranische Verteidigungsminister Aziz Nasirzadeh in der vergangenen Woche mehrere Tage in Ankara auf, um dort über eine Vertiefung der bilateralen Militär- und Rüstungsbeziehungen zu verhandeln.[12] Details wurden nicht bekannt. Gelingt es Iran, seinen internationalen Handel trotz der – laut westlicher Auffassung wieder in Kraft gesetzten – Sanktionen zu stabilisieren, dann wäre dies ein weiterer Schritt auf dem Weg, die bisherige Dominanz der westlichen Mächte aufzulösen.

 

[1] S. dazu Zurück zu den Iran-Sanktionen.

[2] Stephan Löwenstein: Europas stumpfes Schwert. Frankfurter Allgemeine Zeitung 04.10.2025.

[3], [4] Iran recalls envoys to UK, France and Germany after China-backed UN resolution fails. scmp.com 27.09.2025.

[5] Stephan Löwenstein: Europas stumpfes Schwert. Frankfurter Allgemeine Zeitung 04.10.2025.

[6] S. dazu Vor dem Scheitern.

[7], [8] Elis Gjevori: Iran says nuclear cooperation with IAEA ‘no longer relevant’. aljazeera.com 05.10.2025.

[9] How far will China, Russia go in shielding Iran from UN sanctions? al-monitor.com 30.09.2025.

[10] Russia does not recognize return of UN sanctions on Iran. reuters.com 01.10.2025.

[11] Laurence Norman, James T. Areddy: How China Secretly Pays Iran for Oil and Avoids U.S. Sanctions. wsj.com 05.10.2025. Chinese Cars for Iranian Copper: How Sanctions Revived Barter Trade. bloomberg.com 06.10.2025.

[12] Ezgi Akin: Iran defense chief visits Turkey to boost military ties: What to know. al-monitor.com 01.10.2025.


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