Unter Berlusconis Kontrolle
Italienische Konzerne schwächen mit zwei Übernahmen – einer vollendeten, einer partiellen – den Standort Deutschland. Berlusconi-Medienkonzern MFE erwirbt ProSiebenSat.1, will mit „paneuropäischer“ Mediengruppe US-Konzerne herausfordern.
ROM/BERLIN (Eigener Bericht) – Mit zwei Übernahmen auf dem Banken- und auf dem Mediensektor bringen italienische Unternehmen zwei einflussreiche deutsche Konzerne unter ihre Kontrolle und schwächen den Standort Bundesrepublik. Die italienische Großbank Unicredit hat ihre Anteile an der zweitgrößten deutschen Bank, der Commerzbank, auf gut 26 Prozent aufgestockt und könnte das Kreditinstitut perspektivisch komplett übernehmen. Die Bundesregierung sperrt sich noch dagegen; käme die Commerzbank ganz in italienischen Besitz, wäre das ein herber Schlag für den Finanzplatz Deutschland. Zusammenschlüsse auf dem Bankensektor gelten allerdings als Voraussetzung dafür, dass sich die EU-Branche gegen die US-Konkurrenz behaupten kann. Schon vollzogen ist die Übernahme von ProSiebenSat.1; die Mehrheit am zweitgrößten deutschen Privat-TV-Konzern hat der Berlusconi-Konzern Media For Europe (MFE, Ex-Mediaset) erworben. Konzernchef Pier Silvio Berlusconi, Sohn des italienischen Ex-Ministerpräsidenten, schließt eine politische Karriere nach dem Vorbild seines Vaters nicht aus – und lobt Italiens ultrarechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Seine Mediengruppe positioniert er als „paneuropäischen“ Rivalen zu US-Konzernen.
Unicredit vs. Commerzbank
Die italienische Großbank Unicredit hatte im September vergangenen Jahres zunächst etwa neun Prozent der Anteile an der Commerzbank übernommen – rund die Hälfte davon auf dem Aktienmarkt, die andere Hälfte aus Verkäufen der Bundesregierung. Diese war im Jahr 2009 in der globalen Finanzkrise zur Rettung des Kreditinstituts mit 25 Prozent der Anteile bei ihm eingestiegen und begann nun, sie langsam wieder abzustoßen. Die Unicredit hat ihre Anteile an der Commerzbank im Lauf des vergangenen Jahres dann weiter aufgestockt und im August 26 Prozent erreicht; sie will ihre Zukäufe fortsetzen und bis Jahresende 29,9 Prozent kontrollieren. Auch eine Übernahme hält sich Unicredit-Chef Andrea Orcel explizit offen; sie wäre möglich, wenn die italienische Bank ihre Anteile auf 30 Prozent steigerte und genug Aktionäre dem dann fälligen Übernahmeangebot zusprächen.[1] Aktuell plant Orcel dies aber nach eigener Aussage noch nicht. Grund ist zum einen, dass der Commerzbank-Kurs stark gestiegen ist und die Kosten für eine Übernahme damit heute sehr hoch wären. Zum anderen gibt Orcel an, vor einem etwaigen Übernahmeangebot mit der Bundesregierung darüber sprechen zu wollen.[2] Diese lehnt die Übernahme ab. Das haben inzwischen Bundeskanzler Friedrich Merz und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil explizit bestätigt.[3]
„Europa stärken“
Hintergrund ist die Schwächung der deutschen Bankenbranche, die bei einer Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit zu erwarten wäre. Die Unicredit hatte bereits im Jahr 2005 die HypoVereinsbank (HVB) und damit die damals zweitgrößte deutsche Geschäftsbank übernommen.[4] Mit der Commerzbank käme sie in Besitz der heute zweitgrößten deutschen Bank nach der Deutschen Bank. Ihr Ziel ist es, im Rahmen der erwarteten Konzentration der Bankenbranche in Europa eine führende Stellung einzunehmen. Diese Konzentration sei erforderlich, um sich gegen die Konkurrenz aus den Vereinigten Staaten zu behaupten, erklärt Orcel; derzeit seien US-Großbanken den europäischen überlegen und sogar „die einzigen, die aktuell in Europa Marktanteile gewinnen“.[5] Dies bestätigt auch Christoph Schalast, ein an der Frankfurt School of Finance and Management lehrender Übernahmespezialist. „Wir brauchen größere europäische Banken, die mit den amerikanischen Instituten auf Augenhöhe agieren können“, urteilt Schalast; Fusionen seien „notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu sichern“.[6] Zwar würde, sollte die Unicredit die Commerzbank übernehmen, „der Finanzplatz Deutschland ... geschwächt“; zugleich jedoch „würde ein Zusammenschluss den Finanzplatz Europa stärken“: „Für Europa wäre es ein Gewinn.“
MFE vs. ProSiebenSat.1
Schon realisiert hat in der vergangenen Woche der italienische Medienkonzern MFE (Media For Europe, einst: Mediaset) die Übernahme des zweitgrößten deutschen Privat-TV-Konzerns ProSiebenSat.1. Zuvor hatte die tschechisch-niederländische Holding PPF angekündigt, die Übernahme von ProSiebenSat.1 ihrerseits nicht mehr anzustreben und ihren Anteil von 15,7 Prozent an dem deutschen Medienunternehmen an die MFE zu verkaufen, die bereits rund 43 Prozent an ihm hielt.[7] Seit Donnerstag vergangener Woche ist der Deal endgültig unter Dach und Fach. MFE, einst gegründet von Italiens Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi und heute geführt von dessen ältestem Sohn Pier Silvio Berlusconi, ist der größte private Rundfunkkonzern Italiens; ihm gehören unter anderem die Fernsehsender Canale 5, Italia 1 und Rete 4 sowie diverse Radiosender, darunter der Nachrichtensender Tgcom24. Insgesamt kommt MFE in Italien auf einen Marktanteil von gut 37 Prozent.[8] Der Konzern ist bereits seit Jahren auch in Spanien aktiv, wo er unter anderem den Sender Telecinco kontrolliert und auf einen Marktanteil von 24,5 Prozent kommt – etwas weniger als die im Besitz von RTL und Planeta befindliche Atresmedia (25,9 Prozent), aber deutlich mehr als die öffentlich-rechtliche RTVE (14,3 Prozent).[9]
Meloni nahe
Die Übernahme ist politisch brisant, weil Pier Silvio Berlusconi in Italien über erheblichen politischen Einfluss verfügt und eine politische Karriere nach dem Vorbild seines Vaters nicht ausschließt. Über die einst von diesem gegründete Partei Forza Italia (FI) heißt es, in ihr gehe „ohne die stille Zustimmung (und das Geld) von Pier Silvio und seiner älteren Schwester Marina“, die zur Zeit „im Medienimperium der Berlusconis das Verlagsgeschäft unter dem Dach des Hauses Mondadori“ führe, „nichts“.[10] Einerseits habe Pier Silvio Berlusconi kürzlich erklärt, „derzeit“ wolle er sich nicht in die Politik begeben, könne aber nichts über die Zukunft sagen: „Mein Vater war 58, als er in die Politik ging. Ich bin jetzt 56.“ Andererseits habe er sich verhalten bis kritisch über FI-Chef Antonio Tajani geäußert, der zur Zeit als Außenminister fungiert, während er Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gelobt habe – sie führe das Land „mit Kompetenz und Entschlossenheit“, und ihre Regierung sei „eine der besten in Europa“. Dies habe, heißt es, „wie das perfekte Bewerbungsprofil für einen Ministerposten mit Portfolio für Wirtschaft oder Finanzen in einem zweiten Kabinett Meloni“ nach den für Herbst 2027 geplanten nächsten Parlamentswahlen in Italien geklungen.[11]
Rechtswende möglich
Pier Silvio Berlusconi hat erklärt, MFE werde nach der Übernahme von ProSiebenSat.1 nicht in die redaktionelle Tätigkeit eingreifen; die politische Unabhängigkeit des Unternehmens sei gewährleistet.[12] Es gehe lediglich darum, mit gemeinsamen Technologieplattformen die Kosten zu senken sowie gemeinsam die Werbeindustrie anzusprechen, um Synergieeffekte zu erzielen. Allerdings gibt es dafür keine Garantie. Dies zeigt die Entwicklung bei dem spanischen Ableger, Mediaset España. Dort brachte MFE im April 2022 den Unternehmer Borja Prado auf den Präsidentenposten, der dabei einen Sozialdemokraten ablöste und dessen Amtsantritt von Beobachtern als scharfe Rechtswende eingestuft wurde.[13] MFE hat diese Wende zumindest vorläufig rückgängig gemacht und Borja Prado Anfang 2024 durch Cristina Garmendia ersetzt, eine ehemalige Ministerin unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero.[14] Ein erneuter Kurswechsel aber wäre jederzeit möglich; Ähnliches ist auch in Deutschland nicht ausgeschlossen.
„Paneuropäische Mediengruppe“
Berlusconi hat der Bundesregierung sein Anliegen mit der Ankündigung schmackhaft gemacht, er wolle durch die Übernahme von ProSiebenSat.1 „eine paneuropäische Rundfunk- und Mediengruppe“ schaffen, die im Grundsatz „in der Lage“ sei, „sich gegen die globalen Technologiegiganten zu behaupten und mit ihnen im Wettbewerb zu bestehen“. Gemeint sind die US-Tech-Konzerne von Facebook über Amazon bis zu Netflix mit ihrem weltweit dominanten Einfluss.[15] Über ProSiebenSat.1 hätte das deutsche Establishment in dem entstehenden „paneuropäischen“, mit US-Tech-Giganten rivalisierenden Konzern eine starke Stimme, allerdings nicht die Kontrolle. Diese läge bei der italienischen Rechten.
[1] Michael Maisch, Andreas Kröner: Orlopp sorgt sich über wachsenden Einfluss von Unicredit. handelsblatt.com 03.09.2025.
[2] Jakob Blume, Andreas Kröner: Orcel hält sich Commerzbank-Übernahme offen. handelsblatt.com 04.09.2025.
[3] Hanno Mußler, Christian Schubert: Unicredit rückt in der Commerzbank vor. Frankfurter Allgemeine Zeitung 26.08.2025.
[4] UniCredito kauft HypoVereinsbank. manager-magazin.de 12.06.2005.
[5] Jakob Blume, Andreas Kröner: Orcel hält sich Commerzbank-Übernahme offen. handelsblatt.com 04.09.2025.
[6] „Es droht ein echtes Vakuum“. Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.08.2025.
[7] Christian Schubert, Henning Peitsmeier: Der Weg ist frei für das Berlusconi-Fernsehen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 29.08.2025.
[8] Matthias Rüb: Wie tickt Pier Silvio Berlusconi? Frankfurter Allgemeine Zeitung 15.08.2025.
[9] Christian Schubert, Henning Peitsmeier: Der Weg ist frei für das Berlusconi-Fernsehen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 29.08.2025.
[10], [11] Matthias Rüb: Wie tickt Pier Silvio Berlusconi? Frankfurter Allgemeine Zeitung 15.08.2025.
[12] Unabhängig in München. Frankfurter Allgemeine Zeitung 03.09.2025.
[13] Mediaset culmina su derechización. elsiglodeuropa.es 29.05.2023.
[14] Quino Petit: La exministra Cristina Garmendia, nueva presidenta de Mediaset España. elpais.com 22.05.2024.
[15] Unabhängig in München. Frankfurter Allgemeine Zeitung 03.09.2025.

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