Rezension: Monstrous Anger of the Guns

Rhona Michie, Andrew Feinstein und Paul Rogers beleuchten den globalen Waffenhandel, seine Folgen für die betroffenen Gesellschaften, für das Klima und für die Diplomatie sowie Möglichkeiten der Gegenwehr.

Es war einer der krassesten Fälle von Korruption in der Geschichte des internationalen Waffenhandels, möglicherweise sogar das Geschäft mit der höchsten Bestechungssumme überhaupt: der Al Yamamah-Deal, den Großbritannien und Saudi-Arabien im Jahr 1985 schlossen. Riad zahlte 43 Milliarden Pfund für 96 Kampfjets des Modells Panavia Tornado, zahlreiche weitere Militärflugzeuge, diverse Raketen, Granaten und mehr. Zugleich sagte Saudi-Arabien zu, erhebliche Mengen Erdöl an Großbritannien zu liefern. Dass London den Deal schließen konnte, war nicht selbstverständlich; die Konkurrenz aus Frankreich war stark. Den Ausschlag gab letztlich, dass Schmiergelder in Rekordhöhe von sechs Milliarden Pfund flossen. Teile davon gingen an den Tornado-Lieferanten BAE Systems und an Mark Thatcher, den Sohn der damaligen britischen Premierministerin. Ein Sohn des damaligen saudischen Verteidigungsministers erhielt einen zivilen BAE-Jet und eine Milliarde Pfund. Ein Teil des Geldes landete auf Umwegen, so berichten es Rhona Michie, Andrew Feinstein und Paul Rogers in ihrem Sammelband „Monstrous Anger of the Guns“, bei zweien der Attentäter vom 11. September 2001.

Der militärisch-industrielle Komplex, der in Fällen wie diesen am Werk ist, gewinnt aktuell mit der beispiellosen Aufrüstung in Europa einmal mehr an Bedeutung. Legitimiert wird sein Wirken unter anderem damit – darauf weisen Michie, Feinstein und Rogers hin –, dass er der Bevölkerung der westlichen Länder vermeintliche Sicherheit verspricht: Wer sich und seine Verbündeten solide rüste, könne sich verteidigen, so lautet der penetrant wiederholte Refrain. Sicherheit? Die Herausgeber von „Monstrous Anger of the Guns“ blicken auf das vergangene Vierteljahrhundert zurück. Der Afganistan-Krieg? Er brachte nach zwei Jahrzehnten Krieg, in denen ja angeblich auch „Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verteidigt“ wurde, die Taliban an die Macht zurück. Der Irak-Krieg? Er ruinierte das Land und mündete letztlich in den Aufstieg des IS, der bis heute den Irak sowie eine Reihe weiterer Länder terrorisiert. Der Krieg in Libyen? Auch er zerrüttete den Staat, den der Westen zu „befreien“ versprochen hatte; von Sicherheit kann die überwiegende Mehrheit der Libyer nur träumen. Heute ist die Ukraine dran, die im Krieg gehalten wird, obwohl ein Verhandlungsfrieden schon im April 2022 möglich war. Ihre Perspektiven sind gleichfalls desolat, und – nein: auch der Westen ist auch diesmal nicht sicherer geworden.

„Monstrous Anger of the Guns” bietet, wie die Herausgeber schreiben, einen Einblick „in die Schattenwelt des Waffenhandels“, die so oft vor der Öffentlichkeit verborgen wird. Das Buch beleuchtet nicht nur den Waffenhandel selbst, sondern auch seine Auswirkungen auf die Diplomatie, auf die Weltordnung, auf die Klimakrise – gravierende Folgen, die Politiker und Leitmedien im Westen nur allzu gern verschweigen. Es thematisiert, wie Rüstungsexporteure Gesellschaften schädigen, deren Konflikte sie mit Waffen beliefern; speziell betroffen sind allzu häufig Frauen und Kinder. Der Sammelband zeigt zudem, wie Palästina als Testgebiet für israelische Waffenhersteller dient, die ihre Produkte anschließend als „kampferprobt“ mit Aufpreis verkaufen können. Und er weist auf den Zusammenhang zwischen Waffenhandel und Kolonialismus bzw. Neokolonialismus hin: In Lateinamerika etwa wurden Armeen aufgebaut und ausgerüstet, um spezifischen Interessen Europas und Nordamerikas zu dienen – nämlich zur Sicherung der Ausbeutung mineralischer und agrarischer Rohstoffe und der dazu erforderlichen Aufrechterhaltung einer wie auch immer gearteten Ordnung.

Und schließlich widmet sich „Monstrous Anger of the Guns“ einer entscheidenden Frage: nämlich derjenigen, wie dem Treiben der Waffenhändler Einhalt geboten, wie der Handel mit massenhaft todbringendem Gerät gestoppt werden kann. Exemplarisch beleuchtet werden Kampagnen der Friedensbewegung; studentische Kampagnen, die darauf abzielen, die Nutzung von Hochschulen zu Zwecken der Aufrüstung zu stoppen; Versuche, auf dem Rechtsweg gegen Waffenhandel vorzugehen; und praktische Aktionen von Gewerkschaftern, die sich weigern, den Transport von Rüstungsgütern an Kriegsschauplätze durchzuführen. Exemplarisch beschrieben wird der entschiedene Widerstand in der Bevölkerung von Hawaii gegen die Nutzung ihrer Inseln durch das US-Militär, das Hawaii als Testgelände und als logistische Zwischenstation auf dem Weg nach Asien nutzt. An den RIMPAC-Manövern, die die Vereinigten Staaten alle zwei Jahre auf und bei Hawaii durchführen, nimmt inzwischen regelmäßig auch die Bundeswehr teil. Michie, Feinstein und Rogers schließen den Band mit dem Hinweis, dass der globale Waffenhandel ein Weltsystem aufrechterhält, in dem in den vier Jahren von Januar 2020 bis Januar 2024 die fünf reichsten Männer der Welt – Frauen sind nicht unter den Top 5 – ihren Besitz auf 869 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln konnten, während die ärmsten 60 Prozent, rund fünf Milliarden Menschen, ärmer wurden. Der Kampf gegen den Waffenhandel ist damit auch ein Beitrag zum Kampf für eine gerechtere Welt.

 

Rhona Michie, Andrew Feinstein, Paul Rogers (Hg.): Monstrous Anger of the Guns. How the Global Arms Trade is Ruining the World and What We Can Do About It. Pluto Press. London, 2024. 284 Seiten. Paperback: 12,99 Pfund. E-book: 7,99 Pfund.


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