Machtprojektionen in der Asien-Pazifik-Region
Bundeswehr schickt Soldaten zu Großmanöver nach Australien. Australien ist für die USA ein bedeutender Militärstützpunkt für einen etwaigen Krieg gegen China. EU plant Rüstungs- und Militärabkommen mit dem Land.
CANBERRA/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Bundeswehr schickt rund 200 Soldaten des Deutschen Heeres zu einem Großmanöver nach Australien. Die Einheiten, darunter Fallschirmjäger, sind bereits Ende vergangener Woche aufgebrochen; sie nehmen an Talisman Sabre teil, einer regelmäßig abgehaltenen Kriegsübung, die mit mehr als 30.000 Soldaten aus 19 Staaten in diesem Jahr größere Dimensionen hat als je zuvor. Ausgerichtet wird das Manöver von den Vereinigten Staaten und Australien, das in US-Szenarien für einen etwaigen Krieg gegen China hohe Bedeutung als rückwärtiger Truppenstandort in relativer Nähe zur Volksrepublik hat. Für die Bundeswehr ist die Teilnahme an Kriegsübungen in Australien seit der ersten Asien-Pazifik-Fahrt einer deutschen Fregatte im Jahr 2021 Routine geworden. Im australischen Polit-Establishment herrscht gegenwärtig eine gewisse Unruhe, weil die Trump-Administration den AUKUS-Pakt einer Überprüfung unterzieht. Als denkbar gilt, dass sie Teile der rüstungs- und militärpolitisch bedeutenden Vereinbarung nicht einhält. Canberra ist nun mit der EU über eine Rüstungskooperation im Gespräch. Unterdessen führt China erstmals Marinemanöver in relativer Nähe zu Australiens Küste durch.
Kriegsübungen in Australien
Die Beteiligung an Kriegsübungen in Australien gehört für die Bundeswehr seit einigen Jahren zur Routine. Den Anfang machte im Jahr 2021 die Fregatte Bayern, als sie damals zu einer mehrmonatigen Asien-Pazifik-Reise aufbrach und dabei auch in Australien Station einlegte. 2022 folgte dann die erste Beteiligung der Luftwaffe an Großmanövern dort, etwa an Pitch Black.[1] 2023 wurden Einheiten des Deutschen Heeres nach Australien verlegt, wo sie an dem Großmanöver Talisman Sabre teilnahmen. 2024 steigerte die Bundeswehr ihren Übungsradius erneut und schickte zwei Kriegsschiffe – die Fregatte Baden-Württemberg und den Einsatzgruppenversorger Frankfurt am Main – sowie ein Geschwader der Luftwaffe erstmals auf eine komplette Weltumrundung, die auch Zwischenstopps in Australien und eine erneute Beteiligung an der Kriegsübung Pitch Black umfasste.[2] In diesem Jahr ist bereits ein Transportflugzeug A400M der Bundeswehr in Australien gewesen. Die Maschine traf dort ebenfalls im Rahmen einer Weltumrundung ein, die sie zuvor nach Abu Dhabi, auf die Malediven und nach Singapur sowie anschließend nach Fidschi, nach Hawaii und in die USA führte.[3] In Australien nahm die 14-köpfige Crew mit der Maschine an der Avalon Airshow teil, einer bedeutenden internationalen Luftfahrtausstellung in Südostaustralien.
Wüste und Dschungel
Zur diesjährigen Beteiligung an dem Großmanöver Talisman Sabre sind Ende vergangener Woche Soldaten des Deutschen Heeres aufgebrochen. Das diesjährige Manöver, das wie üblich von den Streitkräften Australiens und der Vereinigten Staaten gemeinsam geplant wird, wird laut Angaben des australischen Verteidigungsministeriums das bisher größte der Serie sein.[4] Involviert sind vom 13. Juli bis zum 4. August mehr als 30.000 Soldaten aus 19 Staaten. Erstmals wird ein Teil des Manövers in Papua-Neuguinea stattfinden. Das Land hatte im Mai 2023 ein Abkommen mit den USA geschlossen, das den US-Streitkräften freien Zugang zu sechs Militärstützpunkten – darunter Häfen wie auch Flughäfen – gestattet. Die Marinebasis Lombrum, im Norden Papua-Neuguineas auf Manus Island gelegen, wird derzeit von den US-Streitkräften ausgebaut.[5] Talisman Sabre wird unter anderem amphibische und maritime Operationen, Luftkampf und Manöver zu Land umfassen. Großbritannien, das militärisch besonders eng mit Australien und den USA kooperiert, entsendet nicht zuletzt eine Flugzeugträgerkampfgruppe (Carrier Strike Group 25) um die HMS Prince of Wales.[6] Die Bundeswehr schickt 200 Soldaten, darunter 160 Fallschirmjäger der Saarlandbrigade.[7] Diese kündigen eine Übung in der Wüste und eine im Dschungel an.
Rüstungskooperation
Die bereits zweite deutsche Beteiligung an Talisman Sabre erfolgt zu einer Zeit, zu der die EU ihre Rüstungs- und Militärkooperation mit Australien ausbaut. Am 18. Mai hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Australiens Premierminister Anthony Albanese offiziell ein sogenanntes Sicherheits- und Verteidigungsabkommen vorgeschlagen. Am 17. Juni, am Rande des G7-Gipfels, gaben von der Leyen und Albanese den Startschuss für die Aufnahme von Verhandlungen. Angestrebt wird eine engere Kooperation vor allem auf den Feldern der Rüstungsindustrie und der Cyberabwehr.[8] Vergleichbare Abkommen hatte die EU bereits zuvor mit mehreren anderen Ländern geschlossen – im November 2024 mit Japan und mit Südkorea, im Mai 2025 mit Großbritannien, im Juni 2025 mit Kanada. Dabei geht es vor allem darum, andere Staaten in die EU-Rüstungskooperation einzubinden, die energisch intensiviert werden und größere Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten ermöglichen soll. Deutsche Rüstungskonzerne sind schon jetzt teils im großen Stil in Australien tätig; ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) bemüht sich zur Zeit um einen Auftrag zum Bau von Fregatten.[9] Australien will seinen Militärhaushalt aufstocken, strebt aber nur eine Erhöhung von heute 2,0 auf 2,4 Prozent im Haushaltsjahr 2033/34 an, nicht etwa 5 Prozent wie die NATO.
AUKUS und America First
Australien nimmt die Verhandlungen mit der EU über eine Rüstungs- und Militärkooperation auf, während ernste Zweifel am Fortbestand von AUKUS aufkommen, einem Abkommen über Rüstungs- und Militärkooperation zwischen Australien, den USA sowie Großbritannien. Die drei Staaten hatten das Abkommen im September 2021 geschlossen; es sieht nicht zuletzt den gemeinsamen Bau von Atom-U-Booten für Australiens Marine vor. Zugunsten von AUKUS hatte Canberra einen 56 Milliarden Euro schweren Vertrag mit Frankreich über eine Lieferung dieselgetriebener U-Boote gekündigt, was in Paris heftigen Unmut auslöste.[10] Bis die Atom-U-Boote fertiggestellt sind, soll Australien laut dem ursprünglichem Plan U-Boote der Victoria-Klasse aus den Vereinigten Staaten erhalten. Am 11. Juni bestätigte nun aber das Pentagon, es habe eine Überprüfung des AUKUS-Abkommens eingeleitet, die feststellen solle, ob es „mit der America First-Agenda des Präsidenten“ vereinbar sei.[11] Die Ankündigung hat in Canberra erhebliche Besorgnis ausgelöst. Seit längerem ist bekannt, dass die USA beim Bau ihrer eigenen U-Boote nicht im Zeitplan liegen und die U-Boote der Victoria-Klasse, die sie Australien zugesagt hatten, womöglich selbst benötigen. Dann stünde Canberra, weil seine aktuelle Flotte altert, in absehbarer Zeit ohne ausreichende Zahl an U-Booten da.
Chinesische Manöver
Unterdessen weitet China seine Manöver in relativer Nähe zu Australien aus. Bislang handelte es sich bei Kriegsübungen in den Gewässern des Indischen sowie des Pazifischen Ozeans, die international Aufmerksamkeit erregten, zumeist um Manöver von NATO-Staaten und ihren regionalen Verbündeten, die etwa im Südchinesischen Meer stattfanden und oft auf energischen Protest aus Beijing stießen. Nun aber dehnt auch die Volksrepublik ihren Manöverradius aus. Wie das Australian Strategic Policy Institute (ASPI) berichtet, schickt Beiing seit 2017 regelmäßig Aufklärungsschiffe in Seegebiete nahe Australiens Norden. Laut dem ASPI geschieht das, um das Manövergeschehen im Rahmen von Talisman Sabre auszuspionieren.[12] Im Oktober 2024 entsandte China zwei Kriegsschiffe nach Port Vila ins östlich von Australien gelegene Vanuatu; dies habe Chinas Fähigkeit zur „Machtprojektion jenseits seiner traditionellen Einflussgebiete“ demonstrieren sollen, urteilt das ASPI. Im Februar folgte ein chinesisches Marinemanöver in der Tasmansee zwischen Südostaustralien und Neuseeland; daran nahmen eine Fregatte, ein Zerstörer und ein Versorgungsschiff teil. Anschließend umrundete die Flotille Australien.[13] Die Tatsache, dass erstmals nicht westliche Kriegsschiffe vor der chinesischen Küste, sondern chinesische Kriegsschiffe vor der Küste eines westlichen Staates Manöver abhalten, hat in westlichen Fachkreisen erhebliche Reaktionen ausgelöst.
[1] S. dazu Die zweite Front der Bundeswehr.
[2] S. dazu Die Vereinigte Front gegen China (II).
[3] Kevin Geiken: Abu Dhabi – Australien – Washington – Wunstorf: Ein Flug um die Welt. bundeswehr.de 19.06.2025.
[4] Talisman Sabre. defence.gov.au.
[5] Peter Parson: Naval base modernization highlights growing Australia-PNG-U.S. defense cooperation. ipdefenseforum.com 24.04.2025. S. auch „Reaktionäre Forderungen per Telefon”.
[6] Jonathan Moynihan: Carrier Strike Group 25 sails towards Australia for the largest-ever Exercise Talisman Sabre. forcesnews.com 01.07.2025.
[7] Saar-Soldaten fliegen nach Australien. sr.de 02.07.2025.
[8] Europe and Australia commit to security and defence partnership. consilium.europa.eu 17.06.2025.
[9] Euan Graham, Justin Bassi: Germany’s chance in frigate deal rises – potentially at cost to Australia-Japan relationship. aspistrategist.org.au 07.06.2025. S. auch Die Vereinigte Front gegen China (II).
[10] S. dazu Der AUKUS-Pakt und die Fregatte Bayern.
[11] Noah Robertson: Pentagon to review AUKUS submarine deal with Australia and Britain. defensenews.com 11.06.2025.
[12] Joe Keary: China’s Navy sends a steady drumbeat of ships around Australia. aspistrategist.org.au 10.03.2025.
[13] Zi Yang: Making Sense of China’s Latest Naval Exercises in the Asia-Pacific. thediplomat.com 01.03.2025.

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