Wehrdienst im Drohnenkrieg

Die Bundeswehr hat ihre Grundausbildung mit Blick auf die russische Kriegsführung in der Ukraine angepasst. Der Kampf mit und gegen Kleinstdrohnen sowie der sogenannte Heimatschutz stehen im Zentrum des Neuen Wehrdienstes.

BERLIN (Eigener Bericht) – Im neuen Ausbildungsprogramm der Bundeswehr werden Rekruten bereits in ihrer Grundausbildung mit Angriffen von Drohnen ähnlich denjenigen im Ukraine-Krieg konfrontiert. Die deutsche Armee gibt an, bei den inhaltlichen Änderungen der Grundausbildung, die zum 1. Juli in Kraft gesetzt wurden, vor allem auch die Lehren aus der russischen Kriegsführung in der Ukraine gezogen zu haben. Insbesondere Kleinstdrohnen haben sich dort als effiziente und kostengünstige Waffen etabliert. Mit dem neuen Ausbildungsprogramm will Berlin in den kommenden Jahren eine sechsstellige Zahl an neuen Reservisten ausbilden. Die Bundeswehr plant für den Fall eines direkten Krieges mit Moskau, einen Großteil der deutschen Berufssoldaten an die Ostfront zu verlegen. Auf deutschem Territorium sollen im Kriegsfall hauptsächlich Reservisten eingesetzt werden – im sogenannten Heimatschutz. Um die notwendige Zahl an Rekruten zur Verfügung zu haben, soll auf einen „Neuen Wehrdienst“ umgestellt und bis Ende August ein Gesetz verabschiedet werden, das die Wehrerfassung ermöglicht. Es soll bereits Passagen enthalten, die eine kurzfristige Reaktivierung der Wehrpflicht ermöglichen.

Ausbildungsmodell Ukraine-Krieg

Die Bundeswehr hat die Inhalte ihrer dreimonatigen militärischen Grundausbildung und der auf sie folgenden sogenannten Vollausbildung angepasst – „auch mit Blick auf den Neuen Wehrdienst“, wie sie mitteilt. Demnach müsse sich „jeder Soldat“ künftig „schon frühzeitig“ mit der Drohnenkriegsführung „auseinandersetzen“.[1] „Die Steuerung und die Abwehr von Drohnen“ ist laut dem Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, seit dem 1. Juli „einer der Schwerpunkte“ der Ausbildung. Namentlich fließen mit dem neuen Ausbildungsprogramm die Erkenntnisse über die russische Kriegsführung in der Ukraine, zum Beispiel über „die Nutzung von Drohnen und weiterer innovativer Technologien“, in die militärische Ausbildung der jungen Rekruten ein. „Neben den Fähigkeiten zum Kampf“ sei auch „die Vermittlung von medizinischen Grundlagen zur Versorgung von Verwundeten“ essenziell; auch das zeige der Ukraine-Krieg.

Neue Kriegsführung

Wenn im Kontext des Ukraine-Krieges von Drohnen die Rede ist, dann sind vor allem die sogenannten Kleinstdrohnen gemeint, die vergleichbar mit den handelsüblichen zivilen Drohnen sind. Größere Drohnentypen mit einem Gewicht von über 150 Kilogramm sind anfällig für die Abwehr durch Luftverteidigungssysteme und im Ukraine-Krieg deshalb weniger präsent. Kleinstdrohnen dagegen sind mit den üblichen militärischen Aufklärungsmitteln „sehr, sehr schwer“ aufzufinden, wie die Bundeswehr erläutert.[2] Militärexperten gehen davon aus, dass es im Ukraine-Krieg „zumindest einzelne Frontabschnitte“ gibt, an denen Soldaten einer „permanenten Gefahr des Drohneneinsatzes“ ausgesetzt sind.[3] Kleinstdrohnen werden in der Ukraine unter anderem dazu verwendet, Echtzeitaufklärung zu betreiben, Zieldaten für andere Waffensysteme zu generieren, im Stellungskampf Granaten gezielt in Unterstände zu werfen oder selbst als sogenannte Kamikaze-Drohnen als Munition eingesetzt zu werden.[4] Sie sind schnell und bereits für wenige hundert Euro erhältlich, können gleichzeitig aber genutzt werden, um „Panzer im Wert von mehreren Millionen Dollar außer Gefecht zu setzen“, konstatieren Fachleute.[5] Unter Militärexperten gelten sie daher als eine „kostengünstige und effiziente Möglichkeit zur Bekämpfung von weichen und halbharten Zielen“ – oder konkret: „vom Infanteristen bis zum Kampfpanzer“.[6]

Reserve für den Heimatschutz

„Kernauftrag“ der neuen Grundausbildung ist nach Angaben der Bundeswehr zudem die Qualifizierung der Rekruten für den Heimatschutz. Schon jetzt plant Berlin den Einsatz von Reservisten ein, um seine ehrgeizigen Zusagen an die NATO bei Bedarf erfüllen zu können.[7] Das neue Ausbildungsprogramm ist dazu angelegt, die dafür notwendige Reserve aufzubauen. In den ersten Monaten des Neuen Wehrdienstes – in der normalerweise dreimonatigen Grundausbildung – sollen die Militärausbilder ihre Rekruten befähigen, „Wach- und Sicherungsaufgaben“ zu übernehmen. Danach könnten die jungen Menschen „Panzerluft schnuppern, Eurofighter senkrecht in den Himmel steigen oder die Korvette durch die Wellen brechen sehen“, erklärt Verteidigungsminister Boris Pistorius.[8] „Spätestens“ nach sechs Monaten sollen dann alle Wehrdienstleistenden die „Qualifikation Soldatin oder Soldat im Heimatschutz erreicht“ haben.[9] Damit sind sie nach ihrem Wehrdienst als Reservisten im Heimatschutz einsetzbar. „Wir wollen“, erläuterte Pistorius unlängst, die Rekruten nach dem Wehrdienst „ja dann später auch als Reservisten wieder holen“; deshalb sei es erforderlich, dass sie dann „etwas können, was wir ... tatsächlich auch brauchen“.[10] Dazu zähle neben Wachdiensten auch, sich „im Gefecht, bei Tag und Nacht“, stets „richtig“ bewegen zu können – und zwar eben auch unter Beschuss durch Angriffsdrohnen.[11]

Bedeutung der Reserve

Der Aufbau einer 200.000 Männer und Frauen umfassenden Reserve gehört zu den zentralen Vorhaben des Bundesverteidigungsministeriums, um Deutschland bis 2029 „kriegstüchtig“ zu machen. Die Zahl übertrifft die aktuelle Zahl aller aktiv verpflichteten Bundeswehrsoldaten, die bei etwas mehr als 180.000 liegt. Die NATO-Pläne für einen Krieg gegen Russland sehen eine Beteiligung von 460.000 deutschen Soldaten vor, von denen Berlin fast die Hälfte mit Reservisten abdecken will. 50 Prozent der künftigen Reserve will Pistorius dabei mit Personen füllen, die bereits Reservisten sind – also solche, die von der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht betroffen waren, oder auch ehemalige Zeit- beziehungsweise Berufssoldaten und alle, die einen Freiwilligen Wehrdienst abgeschlossen haben. Den Rest, also rund 100.000, soll der Neue Wehrdienst bringen.

Neuer Wehrdienst

Die Umsetzung des Neuen Wehrdienstes zählt laut Verteidigungsministerium zu den „fünf wichtigsten Vorhaben“ für das erste Regierungsjahr.[12] Pistorius hatte bereits im vergangenen Jahr ein Gesetz zur Einführung des Neuen Wehrdienstes angekündigt [13], mit dem vorzeitigen Ende der Ampel-Regierung jedoch „Zeit verloren“.[14] Das Gesetz soll jetzt in einem zweiten Anlauf Ende August verabschiedet werden. Darin gehe es „im ersten Schritt“ um die „Erfassung aller junger Männer“ [15] und aller, die bereits Reservisten sind. Außerdem enthält der Gesetzesentwurf Regelungen, die es der Regierung ermöglichen sollen, den Neuen Wehrdienst mit einer einfachen Zustimmung des Parlaments ohne zeitaufwendiges Gesetzgebungsverfahren bei Bedarf relativ kurzfristig in eine Wehrpflicht umzuwandeln. Zur Zeit ist die Bundeswehr nach eigenen Angaben zu einer Reaktivierung der Wehrpflicht aufgrund fehlender Infrastruktur noch nicht bereit. In zwei bis drei Jahren, schätzt der Verteidigungsminister, werden die notwendigen Kapazitäten aufgebaut sein, um die geplante Reserve ausbilden zu können.[16] Sollten dann die „Plätze die wir geschaffen haben in den Kasernen“, sich nicht mit Freiwilligen füllen, dann sei der Zeitpunkt gekommen, erklärt Pistorius, um die im Gesetzentwurf enthaltenen Mechanismen „in Gang zu setzen“ und die Wehrpflicht zu reaktivieren – „und zwar schnell“.[17]

 

[1] Anpassung der Grundausbildung. bundeswehr.de 17.07.2025.

[2] Nachgefragt: Drohnen als Teil der Kriegsführung. Youtube-Kanal der Bundeswehr vom 12.12.2024.

[3] Der Kampf mit und gegen Kleinstdrohnen. soldat-und-technik.de 18.04.2023.

[4], [5] Johann Ivanov: Schlachtfeld der Zukunft. ipg-journal.de 20.01.2025

[6] Der Kampf mit und gegen Kleinstdrohnen. soldat-und-technik.de 18.04.2023.

[7] S. dazu Auf Krieg einstellen (IV)und Ein halbes Jahr Aufmarschmanöver.

[8] Pressestatement von Verteidigungsminister Boris Pistorius bei seinem Truppenbesuch in Germersheim, 17.07.2025.

[9] Anpassung der Grundausbildung. bundeswehr.de 17.07.2025.

[10] Wann sind wir kriegstüchtig, Herr Pistorius? daserste.de 22.06.2025.

[11] Pressestatement von Verteidigungsminister Boris Pistorius bei seinem Truppenbesuch in Germersheim, 17.07.2025.

[12] Protokoll der 13. Sitzung des Deutschen Bundestages in der 21. Wahlperiode Berlin, Mittwoch, den 25. Juni 2025

[13] S. dazu Die neue Wehrerfassung.

[14] Wann sind wir kriegstüchtig, Herr Pistorius? daserste.de 22.06.2025.

[15] S. dazu Die neue Wehrerfassung.

[16] S. dazu Bauen für die Bundeswehr und Kriegstüchtige Kasernen.

[17] Wann sind wir kriegstüchtig, Herr Pistorius? daserste.de 22.06.2025.


Se connecter