„Maximal konfrontativ“

Eskalierende Spannungen überschatten den Besuch des chinesischen Außenministers Wang Yi in Berlin. Bereits am Mittwoch hatte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas vor einem Treffen mit Wang beleidigende Vorwürfe gegen China erhoben.

BERLIN/BRÜSSEL/BEIJING (Eigener Bericht) – Eskalierende Spannungen zwischen der EU und China haben den gestrigen Besuch des chinesischen Außenministers Wang Yi in der Bundesrepublik überschattet. Wang bereist in dieser Woche Europa, um den in drei Wochen stattfindenden EU-China-Gipfel vorzubereiten. Wadephul beschwerte sich über die nach deutscher Auffassung unzureichende Belieferung Europas mit Seltenen Erden und forderte Wang zu gegen Russland gerichteten Maßnahmen auf. Wang wies darauf hin, dass auch die Bundesrepublik bei zivil sowie militärisch nutzbaren Dual Use-Gütern Exportkontrollen durchführt und daher keinen Anlass hat, das chinesische Vorgehen zu kritisieren. Hatte sich im Frühjahr unter dem Eindruck der Trump’schen Zolloffensive eine gewisse Annäherung zwischen der EU und China abgezeichnet, so scheint diese recht kurze Phase nun vorbei zu sein. Schon im Juni hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf dem G7-Gipfel öffentlich beleidigende Vorwürfe gegen Beijing erhoben. Am Mittwoch tat es ihr die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas nach. Von der Leyen schlug auf dem G7-Gipfel einen Schulterschluss der EU mit den Vereinigten Staaten vor – gegen China.

Vorsichtige Annäherung

Im Frühjahr hatte die EU es eine Zeitlang in Betracht gezogen, ihre Beziehungen zu China etwas zu verbessern. Ursache waren die US-Zölle und andere Maßnahmen der Trump-Administration, die die Zukunft des wichtigen transatlantischen Geschäfts doch recht unklar erscheinen ließen. Die EU war deshalb darum bemüht, nicht auch noch ihr Chinageschäft in Gefahr zu bringen. Am 8. April – nur wenige Tage nach der Verhängung der sogenannten reziproken Zölle durch die Trump-Administration – telefonierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Chinas Ministerpräsident Li Qiang und „betonte“ dabei, in Antwort auf „die weitreichenden Störungen, die durch die US-Zölle verursacht“ worden seien, müssten „Europa und China“ ein „starkes, reformiertes Handelssystem unterstützen“.[1] Die vorsichtige Annäherung zwischen beiden Seiten umfasste die Einigung auf ein Gipfeltreffen, das für den 24./25. Juli in Beijing und Hefei geplant ist. Beijing signalisierte zudem seine Bereitschaft zur Annäherung, indem es Ende April seine 2021 verhängten Sanktionen gegen einige Abgeordnete im Europaparlament aufhob – es hatte sich damals um eine Reaktion auf EU-Sanktionen gehandelt – und die Entscheidung über Gegenzölle auf einige europäische Waren vertagte, um einer möglichen Verbesserung der Beziehungen keine Steine in den Weg zu legen.

Schroffer Kurswechsel

Einen schroffen Kurswechsel vollzog Kommissionspräsidentin von der Leyen auf dem G7-Gipfel Mitte Juni im kanadischen Kananaskis. Dort behauptete sie, „das größte kollektive Problem“ im Welthandelssystem, das sie im April noch in den Trump’schen Zöllen gesehen hatte, liege in Chinas 2001 erfolgtem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) begründet. Sie warf Beijing eine „absichtliche Verzerrung“ der Märkte, außerdem „Dominanzgehabe“ und „Erpressung“ vor [2] – und erklärte zudem, es nutze seine beherrschende Stellung etwa bei der Aufbereitung seltener Erden als „Waffe“. Damit, dass China „ein ernstes Problem“ darstelle, habe „Donald recht“, äußerte von der Leyen mit Blick auf den nicht weit weg von ihr sitzenden US-Präsidenten Trump und bot ihm eine enge Kooperation gegen China an: Wenn man sich auf „Zölle zwischen Partnern“ konzentriere, lenke das „von der wirklichen Herausforderung“, die „uns alle bedroht“, ab.[3] Auf die aggressive Kampfansage reagierte Beijing mit einer Stellungnahme des Außenministeriums, in der ein Sprecher „starke Unzufriedenheit über“ und „feste Opposition zu diesen grundlosen und vorurteilsbehafteten Bemerkungen“ ausdrückte, die zudem einmal mehr „doppelte Standards“ offenbarten.[4] China sei dennoch zu einer Intensivierung der Kommunikation mit der EU bereit.

Wang Yi in Europa

Ähnlich aggressiv äußerte sich am Mittwoch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas vor einem Treffen mit Chinas Außenminister Wang Yi. Wang bereist diese Woche Europa, um den EU-China-Gipfel vorzubereiten. Am Mittwoch sprach er erst mit EU-Ratspräsident António Costa, dann mit Kallas. Am gestrigen Donnerstag reiste er weiter nach Berlin, von wo aus er nach Paris fliegt, um Verhandlungen mit Außenminister Jean-Noël Barrot zu führen. Korrespondenten nannten die Vorwürfe gegen China, die Kallas öffentlich äußerte, eine „Litanei“, die „für diplomatische Verhältnisse maximal konfrontativ“ gewesen sei.[5] Die EU-Außenbeauftragte behauptete etwa, chinesische Unternehmen seien „Moskaus Lebensader, um seinen Krieg gegen die Ukraine aufrechtzuerhalten“. Zudem führe Beijing „Cyberangriffe durch“, mische sich „in unsere Demokratien ein“ und betreibe „unfairen Handel“. Schließlich beschuldigte Kallas China, „einen Krieg in Europa zu ermöglichen“; das stehe im „Widerspruch“ zu Bemühungen, „gleichzeitig engere Beziehungen zu Europa anzustreben“. Wieso Kallas trotz allem noch anfügte, die Volksrepublik sei „nicht unser Gegner“, blieb unklar.[6] Von etwaigen konstruktiven Ergebnissen des Gesprächs ist entsprechend dem Tonfall der EU-Chefdiplomatin nichts bekannt.

Seltene Erden

Das galt auch für den Konflikt um Seltene Erden, der derzeit die Beziehungen zwischen China und dem Westen überschattet. Beijing hat – in einer Reaktion auf die stets aufs Neue gesteigerten Zölle und Sanktionen vor allem der USA, aber auch der EU – Anfang April Exportkontrollen auf einige Metalle der Seltenen Erden eingeführt, auf deren Aufbereitung die Volksrepublik nahezu ein Monopol hat. Die Metalle sind für die Herstellung zahlreicher High-Tech-Produkte unverzichtbar, darunter etwa Halbleiter sowie allerlei zivile Produkte, aber auch Munition und Waffen. Beijing kontrolliert die Exporte penibel und verlangt unter anderem detaillierte Angaben über den Endverbleib auch von Bauteilen, die unter Nutzung Seltener Erden hergestellt werden. Längst nimmt der Mangel an den Elementen auch in Europa zu. Die Trump-Administration hat mittlerweile eine Vereinbarung mit China getroffen, in der sie sich, im Gegenzug gegen eine schnellere Lieferung Seltener Erden, zur Aufhebung bestimmter Restriktionen auf Exporte in die Volksrepublik verpflichtet.[7] Zu ähnlichen Gegenleistungen ist die EU noch nicht bereit. Der Konflikt um die Belieferung europäischer Unternehmen mit Seltenen Erden hält daher an. Experten gehen davon aus, es werde Jahre dauern, bis der Westen über eigene Aufbereitungskapazitäten verfüge.[8]

Exportkontrollen

Der Konflikt um die Seltenen Erden war ein Thema auch bei Wangs Besuch in Berlin am gestrigen Donnerstag und bei seinem Gespräch mit Außenminister Johann Wadephul. Wang bekräftigte, Exportkontrollen seien bei Dual Use-Gütern wie den Seltenen Erden, die für zivile wie auch für militärische Zwecke verwendet werden könnten, international üblich.[9] Tatsächlich führt auch die Bundesrepublik Exportkontrollen durch. Dem chinesischen Außenminister zufolge ist mittlerweile ein Fast-Track-Verfahren eingeführt worden, das die Bearbeitung von Exportanträgen schneller abwickelt.[10] Auch ansonsten schien das Treffen von Wang und Wadephul von Konflikten überschattet gewesen zu sein; jedenfalls berichtete Wadephul, er habe seinen chinesischen Amtskollegen gedrängt, Russland zur Beendigung seiner Kriegsführung in der Ukraine zu bewegen, und auf der Beibehaltung des Status quo in Taiwan bestanden. Über Maßnahmen der Vereinigten Staaten und der EU, die geeignet sind, eine Veränderung des Status quo in Taiwan zu forcieren (german-foreign-policy.com berichtete [11]), sagte Wadephul nichts. Die Spannungen bleiben nicht ohne Folgen. Bereits nach Wangs Treffen mit der EU-Außenbeauftragten Kallas am Mittwoch war berichtet worden, es sei gut möglich, dass Beijing den EU-China-Gipfel abkürze.[12]

 

[1] Read-out of the phone call between European Commission President von der Leyen and Chinese Premier Li Qiang. eeas.europa.eu 08.04.2025.

[2] Giorgio Leali, Koen Verhelst: ‘Donald is right’ and China is the problem, EU chief says. politico.eu 17.06.2025.

[3], [4] Jorge Liboreiro: China hits back at Ursula von der Leyen’s ‘baseless, biased’ speech at G7 summit. euronews.com 18.06.2025.

[5], [6] Für diplomatische Verhältnisse maximal konfrontativ. Frankfurter Allgemeine Zeitung 03.07.2025.

[7] Brian Spegele: China Confirms Breakthrough on Rare-Earths Exports to U.S. wsj.com 27.06.2025.

[8] S. dazu China und die Seltenen Erden sowie China und die Seltenen Erden (II).

[9] China’s Wang says rare earth exports won’t be a problem with Europe. aa.com.tr 03.07.2025.

[10] Dana Heide: China stellt Erleichterungen zum Export von seltenen Erden in Aussicht. handelsblatt.com 03.07.2025.

[11] S. dazu Drahtzieher gegen China.

[12] Finbarr Bermingham: China tells EU it cannot afford Russian loss in Ukraine war, sources say. scmp.com 04.07.2025.


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