Auf Rechtskurs à la Trump

Trumps extremer Rechtskurs führt zu Nachahmungseffekten in der EU: Mehrere Staaten und die AfD wollen „die Antifa“ als „terroristisch“ einstufen. Die AfD ist aktuell stärkste Partei und könnte Teil einer Regierungskoalition werden.

WASHINGTON/BERLIN (Eigener Bericht) – Der dramatische politische Rechtskurs der Vereinigten Staaten unter Präsident Donald Trump führt zu ersten Nachahmungseffekten bei zwei Staaten und diversen Parteien in der EU. Nachdem Trump am Donnerstag erklärt hatte, er wolle antifaschistische Organisationen („die Antifa“) als „terroristische Vereinigungen“ einstufen, forderte das Parlament der Niederlande die Regierung des Landes auf, dies ebenfalls zu tun. Am Freitag kündigte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán an, sich dem US-Präsidenten anschließen zu wollen. Identische Forderungen äußern unter anderem auch der Präsident der belgischen Regierungspartei Mouvement réformateur (MR) sowie die AfD. Die AfD ist mittlerweile in zwei Umfragen zu Deutschlands stärkster Partei noch vor CDU und CSU aufgestiegen. In den Unionsparteien heißt es intern, sollte sich die SPD in der Bundesregierung weiterhin dem gewünschten extremen Sozialkahlschlag verweigern, seien auch andere Regierungskoalitionen denkbar – eine Anspielung auf eine Koalition mit der AfD. Diese könnte demnach nötig werden, um die drastischen Berliner Aufrüstungspläne zu realisieren. Die Trump-Administration zeigt unterdessen Faschisierungstendenzen.

Autoritäre Formierung

In den USA treibt die Trump-Administration den Aufbau autoritärer Strukturen, die gesellschaftliche Formierung und auf mittlere bis lange Sicht die Faschisierung des Landes mit aller Macht voran. Eines der jüngsten Beispiele ist der Versuch, jegliche Kritik an dem am 10. September ermordeten Charlie Kirk zu unterbinden, einem extrem rechten Agitator, der schwarze Frauen „intellektuell minderwertig“ nannte und Schwangerschaftsabbrüche explizit als „schlimmer als den Holocaust“ einstufte. Trump verdankt Kirks Propaganda zahlreiche Stimmen junger Wähler. Er hat nun einen liberalen TV-Moderator, der sich unbotmäßig über den Mord an Kirk äußerte, feuern lassen und damit ein Exempel statuiert, das weitere Liberale aus der Medienöffentlichkeit drängen soll.[1] Trump überzieht eine zunehmende Zahl an Medien – darunter einflussreiche wie das Wall Street Journal oder die New York Times – aufgrund kritischer Berichterstattung mit milliardenschweren Prozessen und will die Publikation aller nicht von der Regierung abgesegneten Recherchen über das Pentagon verbieten.[2] Kritische Artikel über die US-Streitkräfte werden damit unmöglich. Prominente Gegner des Präsidenten gehen seit geraumer Zeit davon aus, Trump werde keinerlei freien Wahlen mehr zulassen. Er sei daher mit demokratischen Mitteln nicht mehr aus seinem Amt zu entfernen.[3]

Antifaschismus als „Terror“

In der vergangenen Woche haben erstmals zwei EU-Staaten einen von Trumps Vorstößen explizit aufgenommen und mitgeteilt, ihn in ihre eigene Gesetzgebung integrieren zu wollen. Dabei handelt es sich um den Plan, antifaschistische Organisationen – die Rede ist von „der Antifa“ als Bewegung – als terroristisch einzustufen. Er sei „erfreut“ über das von Trump am Donnerstag angekündigte Vorhaben, erklärte am Freitag Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán: „In Ungarn ist für uns ebenfalls die Zeit gekommen, Organisationen wie die Antifa als terroristische Vereinigungen einzustufen“ – und zwar „nach amerikanischem Vorbild“.[4] In Ungarns Hauptstadt Budapest demonstrieren antifaschistische Organisationen etwa gegen einen alljährlich abgehaltenen Gedenkmarsch von Faschisten zur Erinnerung an eine Schlacht der Wehrmacht und der Waffen-SS gegen die Streitkräfte der Sowjetunion.[5] Bereits am Donnerstag hatte das Parlament der Niederlande auf Antrag des Rechtsaußen-Politikers Geert Wilders (Partij voor de Vrijheid, PVV) die Regierung aufgefordert, „die Antifa“ gleichfalls als Terrororganisation zu klassifizieren.[6] Dies geschah unter anderem mit den Stimmen der Regierungspartei VVD (Volkspartij voor Vrijheid en Democratie), der nicht zuletzt NATO-Generalsekretär Mark Rutte entstammt.

„Faschistische Vorgehensweisen“

Forderungen, antifaschistische Organisationen zu verbieten oder zumindest ihre Aktivitäten zu behindern, werden auch in anderen EU-Staaten laut. In Österreich etwa verlangt der „Sicherheitssprecher“ der FPÖ, Gernot Darmann, unter Verweis auf Trumps Vorstoß: „Dieser linke Sumpf“ – „die Antifa“ – „muss trockengelegt werden.“[7] In Belgien will der Präsident der Regierungspartei Mouvement réformateur (MR), Georges-Louis Bouchez, „die Antifa-Struktur“ nach Trump’schem Vorbild behördlich „auflösen“ lassen. Seine Partei werde „auf den Ebenen der Regierung und des Parlaments“ darauf hinarbeiten, erklärt Bouchez, der „der Antifa“ explizit vorwirft, „eine Struktur mit faschistischen Vorgehensweisen“ zu sein.[8] In Deutschland plädieren Politiker der AfD für eine Klassifizierung der antifaschistischen Bewegung als „terroristisch“. AfD-Abgeordnete im Europaparlament hatten dies bereits vor Jahren im Rahmen ihrer parlamentarischen Aktivitäten nahegelegt. Jetzt erklärt etwa der AfD-Bundestagsabgeordnete Alexander Wolf in den sozialen Medien: „Donald Trump möchte gegen die Antifa vorgehen. ... Sehr gut!“ Wolfs Fraktionskollege Dario Seifert äußert ebenfalls in den sozialen Medien, Trumps Vorhaben solle „auch in Deutschland und Europa Vorbild sein“: „Antifa als Terrorgruppe einstufen!“

Stärkste Partei

Die AfD erhebt diese Forderung zu einer Zeit, zu der sie in Umfragen Rekordwerte erzielt und zudem zunehmend Gegenstand von Koalitionsüberlegungen ist. Erstmals zog sie in einer am 17. September publizierten YouGov-Umfrage an den Unionsparteien vorbei und lag mit 27 Prozent (CDU/CSU: 26 Prozent) auf Platz eins. Eine am 20. September publizierte INSA-Umfrage sah die AfD (26 Prozent) ebenfalls vor CDU und CSU (25 Prozent).[9] Die SPD folgte jeweils weit abgeschlagen mit 15 Prozent. Im Bundesland Sachsen-Anhalt kommt die AfD in Umfragen zur Zeit auf 39 Prozent; ihr Spitzenkandidat Ulrich Siegmund strebt nach der Landtagswahl im September kommenden Jahres eine Alleinregierung an.[10] In drei Großstädten im bevölkerungsreichen westdeutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen – in Duisburg, Gelsenkirchen und Hagen – haben AfD-Kandidaten in der Kommunalwahl vor gut einer Woche den Einzug in die Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters an diesem Sonntag erreicht.

„Andere Mehrheiten möglich“

Zugleich schwillt die Debatte über eine Einbeziehung der AfD in eine Regierungskoalition – womöglich sogar auf Bundesebene – an. So berichtet die konservative, den Unionsparteien nahe stehende Frankfurter Allgemeine Zeitung, es gebe Politiker in CDU und CSU – und zwar „auch führende“ –, „die hinter vorgehaltener Hand die Auffassung äußern“, auf Dauer könne man die AfD „zumindest“ bei organisatorischen Fragen, so etwa bei „der Vergabe von Posten als Ausschussvorsitzende, nicht unberücksichtigt lassen“.[11] Vor zwei Wochen erklärte Carina Hermann, Beisitzerin im CDU-Bundesvorstand, in einer Vorstandssitzung, sollte die SPD den gewünschten Sozialkahlschlag nicht mittragen, dann seien im Bundestag „auch andere Mehrheiten“ möglich.[12] Daraufhin äußerte Karl-Josef Laumann, NRW-Sozialminister und stellvertretender Bundesvorsitzender, nicht kühl den üblichen Satz, eine Mehrheit unter Rückgriff auf eine Partei der extremen Rechten sei in den Unionsparteien undenkbar. Laumann warnte stattdessen, dieses Szenario offensichtlich nicht ausschließend: „Viele würden austreten und ich auch“.[13]

Gewalt

Der Rechtskurs in Europa ist dabei nicht nur das Ergebnis von Nachahmungseffekten; die Trump-Administration sowie ihr politisches Umfeld treiben ihn aktiv voran (german-foreign-policy.com berichtete [14]). Dies schließt mittlerweile sogar Interventionen nicht aus, die als Aufruf zu Gewalt verstanden werden können. So befeuerte Ex-Trump-Adlatus Elon Musk den Aufmarsch von bis zu 150.000 Rechtsextremisten am 13. September in London mit einer Videoansprache, in der er nicht nur eine Parlamentsauflösung und einen Regierungswechsel im Vereinigten Königreich forderte, sondern auch behauptete, mit zunehmender Immigration komme „Gewalt auf euch zu“.[15] Musk fuhr fort: „Ob ihr zu Gewalt greift oder nicht, die Gewalt kommt zu euch. Ihr schlagt zurück oder ihr sterbt, das ist die Wahrheit.“ Zu den 150.000 Demonstranten zählten auch solche, die für ihre Gewaltbereitschaft bekannt sind.

 

[1] Natalie Andrews, Aaron Zitner: In Kimmel Suspension, Trump Campaign Against Critics Escalates. wsj.com 18.09.2025.

[2] Ken Bensinger: Pentagon Expands Its Restrictions on Reporter Access. nytimes.com 20.09.2025.

[3] Melanie Mason, Dustin Gardiner: Gavin Newsom: ‘I don‘t think Donald Trump wants another election’. politico.com 27.08.2025.

[4] Gábor Tanács, Gavin Blackburn: PM Viktor Orbán follows Trump and says Hungary will designate antifa a terrorist organisation. euronews.com 19.09.2025.

[5] S. dazu Die Spitze eines braunen Eisberges.

[6] Carlos Robles: Dutch parliament adopts motion to classify antifa as a terrorist organization. bnonews.com 18.09.2025.

[7] FPÖ – Darmann: „Realitätsverweigerung der Justizministerin ist Schutz für Linksextremismus!“ ots.at 21.09.2025.

[8] Caroline Vandenabeele: Georges-Louis Bouchez menace de “dissoudre les Antifa” : pourquoi ce n’est pas si simple. rtbf.be 19.09.2025.

[9] Sprung auf Rekordwert – AfD zieht in YouGov-Umfrage erstmals an der Union vorbei. welt.de 17.09.2025.

[10] AfD strebt Alleinregierung an. deutschlandfunk.de 07.09.2025.

[11] Eckart Lohse: Adenauer-Stiftung warnt CDU vor Zusammenarbeit mit AfD. Frankfurter Allgemeine Zeitung 19.09.2025.

[12], [13] Florian Kain: CDU-Minister droht mit Parteiaustritt. bild.de 10.09.2025.

[14] S. dazu Die transatlantische extreme Rechte (III) und „Vom Trump-Tornado lernen“.

[15] Haroon Siddique: What did Elon Musk say at far-right UK rally and did his remarks break the law? theguardian.com 15.09.2025.


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