Die Riviera des Genozids
US-Medienbericht belegt Diskussionen in der Trump-Administration über „Riviera des Nahen Ostens“ auf den Trümmern des Gazastreifens. Israel arbeitet auf Zwangsvertreibung der Bevölkerung hin. Berlin kooperiert weiterhin.
BERLIN/TEL AVIV/WASHINGTON (Eigener Bericht) – Die Trump-Administration diskutiert Pläne zur Transformation des zerstörten Gazastreifens in ein US-„Treuhandgebiet“ und zum Umbau von Teilen des Gebiets in eine „Riviera des Nahen Ostens“. Dies berichtet die Washington Post. Demnach zirkuliert ein Papier, das die Pläne detailliert skizziert, in der US-Regierung. Ihm zufolge soll ein Gaza Reconstitution, Economic Acceleration and Transformation Trust (GREAT Trust) eingerichtet werden, der Investitionen von bis zu 100 Milliarden US-Dollar für den Bau von Luxusresorts, KI-Rechenzentren und sogenannten Smart Cities anlocken soll. Die Autoren des Papiers sagen riesige Profite voraus; allerdings muss die Bevölkerung des Gazastreifens zumindest mehrheitlich vertrieben werden. Darauf zielt das Vorgehen der israelischen Regierung im Gazastreifen. Am vergangenen Mittwoch fand im Weißen Haus ein Treffen statt, auf dem die Zukunft des Gebietes besprochen wurde. Berlin weigert sich trotz des offenkundig drohenden genozidalen Vertreibungsverbrechens, Konsequenzen zu ziehen. In der vergangenen Woche verhinderte sie erneut entschiedene Maßnahmen der EU gegen die extrem rechte Regierung Israels, die sie weiter aktiv unterstützt.
Gaza als US-Treuhandgebiet
Um zumindest den Anschein einer Einhaltung des internationalen Rechts zu wahren, sehen die US-amerikanisch-israelischen Pläne für den Gazastreifen vor, in einem ersten Schritt solle Israels Regierung formal die administrativen Vollmachten für das Gebiet an den GREAT Trust übertragen. Zwar ist der Gazastreifen Teil des inzwischen von drei Vierteln aller UN-Mitglieder anerkannten Staates Palästina. Doch könne Israel auf der Grundlage eines Prinzips im internationalen Recht („uti possidetis juris“) die Verfügungsgewalt über das Territorium beanspruchen, heißt es.[1] Letztere Behauptung ist 2024 vom Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag klar widerlegt worden. Der Plan sieht weiter vor, dass der Gazastreifen im Anschluss an seine Übertragung an den Trust – faktisch eine Zurichtung zu einem US-„Treuhandgebiet“ im Stil der Kolonialzeit – im Inneren unter die Kontrolle von Söldnern aus dem Westen gestellt wird. Langfristig könne, so heißt es zwecks Gesichtswahrung weiter, „ein reformiertes und entradikalisiertes palästinensisches Gemeinwesen“ die Nachfolge antreten. Von einem Staat Palästina ist dabei nicht die Rede. Der GREAT Trust solle zunächst den Schutt abtragen lassen, der nach der kompletten Zerstörung des Gazastreifens übrig ist, und Blindgänger, Minen und Ähnliches beseitigen. Im nächsten Schritt solle er Geld von Investoren einwerben und den Neuaufbau des Gebiets anleiten.
Angeblich freiwillig
Dem Bestreben, irgendwie den Anschein der Rechtmäßígkeit zu wahren, ist auch geschuldet, dass es in den Planungsunterlagen heißt, Einwohner des Gazastreifens sollten die Möglichkeit erhalten, in einem der zu errichtenden Wohngebäude des Gebiets eine dauerhafte Unterkunft zu bekommen. Alternativ solle jeder Palästinenser, der den Gazastreifen freiwillig verlasse, 5.000 US-Dollar und Geld für Nahrung (für ein Jahr) und für Miete andernorts (für vier Jahre) beziehen. Das sei deutlich billiger als die Kosten für Unterbringung und Verpflegung in den abgeriegelten Lagern, die Israel in Teilen des Gazastreifens einrichten werde, heißt es; der GREAT Trust spare pro freiwillig ausgereistem Palästinenser 23.000 US-Dollar ein.[2] Israels Ex-Premierminister Ehud Olmert, der einst selbst der Likud-Partei des gegenwärtigen Premierministers Benjamin Netanjahu angehörte und den Gaza-Krieg lange befürwortet hat, hat die geplanten geschlossenen Lager vor kurzem ausdrücklich „Konzentrationslager“ genannt.[3]
Zu Tode gehungert
In Wirklichkeit zielt das israelische Vorgehen weder auf die Aufnahme von Palästinensern in den geplanten neuen Städten des Gazastreifens noch auf ihre freiwillige Ausreise ab, sondern auf ihre Vertreibung. So dauern die Bombardements medizinischer Einrichtungen, die das Überleben im Gazastreifen zusätzlich erschweren, an. Zudem grassiert weiterhin die Hungersnot, die von der israelischen Regierung per Blockade mutwillig herbeigeführt wurde: eine von Menschen gemachte Katastrophe, in der die Bevölkerung „systematisch zu Tode gehungert“ werde, hielten in der vergangenen Woche Experten im UN-Sicherheitsrat fest.[4] Demnach leiden mittlerweile mindestens 132.000 Kinder im Alter von unter fünf Jahren an akuter Unterernährung; über 43.000 von ihnen sind sogar vom Tod bedroht. Die Katastrophe ist politisch gewollt. So erklärte Israels Finanzminister Bezalel Smotrich kürzlich, „in ein paar Monaten“ werde man „den Sieg bekanntgeben können“: „Gaza wird vollständig zerstört sein.“[5] Die Bevölkerung wiederum werde „vollkommen verzweifeln“; sie werde begreifen, „dass es keine Hoffnung in Gaza mehr gibt“, und die überlebenden Bewohner des Gebiets würden „sich einen anderen Ort suchen, um dort ein neues Leben zu beginnen“. Ihre gewaltsame Vertreibung wäre damit erreicht.
Trumps dumping ground
Auf der Suche nach Ländern, in die die rund zwei Millionen Bewohner des Gazastreifens deportiert werden könnten, haben Israel und die Vereinigten Staaten zuletzt insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent vorgefühlt. Trump erklärte im August, er befasse sich aktuell mit der Option, das von Somalia abgespaltene Territorium Somaliland als eigenen Staat anzuerkennen. Im Gegenzug sei die Regierung von Somaliland bereit, Deportierte aus Gaza auf somaliländischem Territorium anzusiedeln.[6] Israel wiederum hat im August mitgeteilt, es werde medizinische und andere Hilfsgüter in den Südsudan schicken.[7] Südsudan ist eines der Länder, die als mögliche Deportationsziele für Palästinenser aus dem Gazastreifen gelten. Es ist zugleich einer der Staaten auf dem afrikanischen Kontinent, in die die Trump-Administration missliebige Migranten verschleppt hat; von einem „dumping ground“ für nicht willkommene Einwanderer ist die Rede. Anfang 2018 hatte Trump die Länder Afrikas „shithole countries“ genannt.[8]
„Eine kühne Vision“
Die Pläne, über die jetzt die Washington Post ausführlich berichtet hat, sind nicht neu. Trump hatte bereits kurz nach seiner Amtsübernahme geäußert, man könne „schöne Dinge“ in Gaza tun; zugleich hatte er erkennen lassen, er wünsche eine Entfernung der Palästinenser aus dem Gebiet.[9] Während eines Treffens mit Netanjahu im Februar brachte Trump den Begriff „Riviera des Nahen Ostens“ ins Gespräch; Netanjahu lobte das als eine „kühne Vision“. Bald wurden unter Mitarbeit eines Teams der Boston Consulting Group (BCG) detaillierte Pläne entwickelt, über die im Juli erstmals die Financial Times berichtete.[9] Sie sehen auf den Trümmern des Gazastreifens den Bau von sechs bis acht High-Tech-Städten („Smart Cities“) vor, zudem den Bau von KI-Rechenzentren, Fabriken für die Produktion von Elektroautos durch US-Konzerne, aber auch Luxusresorts – Trumps „Riviera des Nahen Ostens“. Darüber hinaus heißt es, die Pläne sollten die verloren gegangene US-Dominanz im Nahen und Mittleren Osten neu zementieren.
Beinharte Unterstützung
All das ist auch in Berlin bekannt – ohne dass die Bundesregierung deshalb Konsequenzen für ihre Politik gegenüber Israel oder gar die Vereinigten Staaten gezogen hätte. Vielmehr hält sie an ihrer engen Kooperation mit der extrem rechten Regierung des Landes fest, während diese in Zusammenarbeit mit der Trump-Administration ein genozidales Vertreibungsverbrechen im Gazastreifen plant. Die einzige bisher getroffene Maßnahme – ein förmlicher Genehmigungsstopp für Waffen, die in Gaza eingesetzt werden können – wird von Beobachtern als weitgehend folgenlos eingestuft (german-foreign-policy.com berichtete [10]). Ende vergangener Woche blockierte die Bundesregierung zum wiederholten Mal EU-Maßnahmen gegen die extrem rechte israelische Regierung – sie lehnte es ab, Israel vom EU-Forschungsförderprogramm Horizon Europe auszuschließen. Weitere Schritte kommen aus Sicht Berlins schon gar nicht in Betracht.[11]
[1], [2] Karen DeYoung, Cate Brown: Gaza postwar plan envisions ‘voluntary’ relocation of entire population. washingtonpost.com 31.08.2025.
[3] S. dazu Der westliche Exzeptionalismus.
[4] Gaza’s Population Systematically Being Starved to Death, Speakers Warn Security Council, Demanding Immediate Ceasefire, End to Deliberate Famine. press.un.org 27.08.2025.
[5] Jeremy Sharon: Smotrich says Gaza to be ‘totally destroyed,’ population ‘concentrated’ in small area. timesofisrael.com 06.05.2025.
[6] S. dazu Bomben und Deportationspläne.
[7] Karen DeYoung, Cate Brown: Gaza postwar plan envisions ‘voluntary’ relocation of entire population. washingtonpost.com 31.08.2025.
[8] Trump: Why allow immigrants from ‘shithole countries’? apnews.com 11.01.2018.
[9] Tony Blair’s staff took part in ‘Gaza Riviera’ project with BCG. ft.com 06.07.2025.
[10] S. dazu Rüstungskooperation um jeden Preis.
[11] Deutschland blockiert EU-Strafmaßnahmen gegen Israel. dw.com 30.08.2025.
