Chinas neue Exportkontrollen
Berlin und Brüssel fürchten wegen Beijings neuer Exportkontrollen auf Seltene Erden ernste Probleme ihre Industrie. Laut einer Analyse hängen in Deutschland an Seltenen Erden direkt oder indirekt vier Millionen Arbeitsplätze.
BERLIN/BRÜSSEL/BEIJING (Eigener Bericht) – Chinas neue Exportkontrollen auf Seltene Erden rufen in Deutschland und der EU die ernste Befürchtung hervor, bedeutende Segmente ihrer Industrie könnten in eine dramatische Krise stürzen. Beijing hat, in Reaktion auf neue ökonomische Repressalien Washingtons, am vergangenen Donnerstag angekündigt, es werde in Zukunft nicht nur für den Export Seltener Erden selbst, sondern auch für denjenigen von Waren, an denen der Anteil Seltener Erden bei mehr als 0,1 Prozent liegt, eine offizielle Genehmigung verpflichtend machen. Derartige Exportkontrollen haben bislang vor allem die Vereinigten Staaten verhängt; die Volksrepublik zieht nun gleich. Die deutsche Wirtschaft kämpft schon jetzt mit den Folgen der Exportkontrollen, die Beijing bereits im Frühjahr eingeführt hat. Chinas neue Maßnahmen könnten die Probleme weiter verschärfen und, falls die Vereinigten Staaten ihre Drohung wahr machen und den Konflikt mit Gegenmaßnahmen eskalieren, zu ernstem Mangel an Seltenen Erden führen. An diesen hängen in Deutschland laut einer Analyse des Beratungsunternehmens McKinsey direkt oder indirekt rund vier Millionen Arbeitsplätze mit einer Wertschöpfung von 220 Milliarden Euro.
Regeln à la USA
Die neuen Exportkontrollen, die China am vergangenen Donnerstag verhängt hat, sind zunächst eine Reaktion darauf, dass die Vereinigten Staaten nach der jüngsten bilateralen Verhandlungsrunde im Zollkonflikt weiter neue einseitige Restriktionen gegen chinesische Unternehmen eingeführt haben. Chinas Kontrollen spiegeln dabei oft bloß Schritte, die die USA ihrerseits zuvor oktroyiert haben. So wird in Zukunft nicht nur die Ausfuhr Seltener Erden kontrolliert, sondern auch die Ausfuhr von Produkten, die einen Anteil von über 0,1 Prozent an Seltenen Erden aufweisen. Dies gilt nach aktuellem Kenntnisstand auch für Waren, die im Ausland unter Nutzung chinesischer Seltener Erden hergestellt wurden.[1] Betroffen ist insbesondere die westliche Rüstungsindustrie, die nach chinesischen Angaben überhaupt nicht mehr beliefert wird. Zudem zielen die neuen Regeln auf die westliche Halbleiterindustrie, darunter insbesondere die KI-Chip-Produktion. Auch der Export von Technologien zu Förderung, Aufbereitung und Recycling Seltener Erden muss jetzt explizit erlaubt werden. Indem Beijing ganz besonders die Rüstungs- sowie die KI-Branche aus den USA ins Visier nimmt, zielt es auf ebenjene Sektoren, die Washington in China schädigen will.
Neue Hürden
Schon die im Frühjahr in China initiierten Exportkontrollen hatten nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland sowie in der EU ernste Schwierigkeiten ausgelöst. So mussten einige europäische Unternehmen aus Mangel an Seltenen Erden zeitweise ihre Produktion einstellen. Zwar lehnt Beijing offenkundig kaum Anträge auf Exportgenehmigungen ab. Doch lassen sich die chinesischen Behörden mit der Bearbeitung der eingereichten Anträge, soweit ersichtlich, viel Zeit. Eine Mitte September veröffentlichte – nicht repräsentative – Umfrage der Europäischen Handelskammer in China unter ihren Mitgliedsfirmen ergab, es sei zwar nur einer von 141 Lieferanträgen abgelehnt worden. Allerdings seien auch lediglich 19 schon formal genehmigt worden. Die Bewilligung – oder Ablehnung – von 121 Anträgen stehe noch aus.[2] Im Hinblick auf Chinas neue Exportkontrollen heißt es jetzt aus der EU-Botschaft in Beijing, man sei noch dabei, sie im Detail zu analysieren. Klar sei allerdings, dass sie nicht bloß die Beschaffung von Seltenen Erden und die Ausfuhr von Produkten, die Seltene Erden enthalten, weiter erschwerten. Sie stellten darüber hinaus mit der Kontrolle jeglicher Ausfuhr chinesischer Technologien den derzeitigen Bestrebungen in Europa, selbst in die Aufbereitung der unverzichtbaren Rohstoffe einzusteigen, Hürden in den Weg.[3]
„Die EU ins Boot hineinziehen“
Schwer wiegt aus deutscher Sicht außerdem, dass die USA ihren Druck auf die EU deutlich erhöhen. Zwar hoffe man, in Verhandlungen mit China Ausnahmen von den Exportkontrollen für Unternehmen aus der EU erreichen zu können, heißt es in Brüssel; Beijing ziele mit den Maßnahmen ja schließlich vor allem auf Washington, das es zur Rücknahme seiner Zölle und weiterer Repressalien, vor allem Sanktionen, bewegen wolle. Allerdings fordert die Trump-Administration, wie es heißt, die EU solle an Vergeltungsschritten gegen Beijing teilnehmen. Präsident Trump hat unter anderem angekündigt, Exportkontrollen gegen China verhängen zu wollen; Berichten zufolge geht es dabei um sogenannte kritische Software, die nicht mehr ohne eine explizite Genehmigung nach China geliefert werden soll. „Die USA wollen uns ins Boot hineinziehen“, berichtet der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD): „Da wird Schritt für Schritt Druck aufgebaut“.[4] In Brüssel heißt es, man wolle sich nicht an etwaigen US-Maßnahmen gegen Beijing beteiligen, um nicht ebenso schmerzlichen chinesischen Reaktionen ausgesetzt zu sein. Dass die Trump-Administration sich damit zufriedengibt, darf man allerdings bezweifeln.
Vier Millionen Menschen
Die Folgen eines eskalierenden Rohstoffkonflikts zwischen dem Westen und China hat in einer aktuellen Analyse die Unternehmensberatung McKinsey berechnet. Demnach arbeiten in der Bundesrepublik rund eine Million Menschen in Branchen, die ohne Seltene Erden nicht auskommen.[5] Ihr Beitrag zur Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik belaufe sich auf 150 Milliarden Euro. Falle dieser Betrag aufgrund unzureichender Versorgung mit Seltenen Erden aus, dann wären davon rund drei Millionen weitere Menschen betroffen, die zu einem guten Teil von Angestellten der erwähnten, auf die Seltenen Erden angewiesenen Branchen ihr Geld erhielten, heißt es weiter. Diese drei Millionen erarbeiteten eine Wirtschaftsleistung von gut 220 Milliarden Euro. Insgesamt „wären damit allein in Deutschland“ gut „vier Millionen Arbeitsplätze und rund 370 Milliarden an Wertschöpfung bedroht“, also „etwa neun Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts“, hält die McKinsey-Analyse fest.
In weiter Ferne
Deutschland und die EU dringen deshalb darauf, den Konflikt mit China nicht weiter zu eskalieren, sondern stattdessen selbst im großen Stil in die Förderung, die Aufbereitung und die Verarbeitung Seltener Erden einzusteigen. Dies könne im Rahmen der G7 geschehen, heißt es. Bereits im Juli hatten die EU und das G7-Mitglied Japan angekündigt, in Zukunft bei Seltenen Erden intensiver kooperieren zu wollen.[6] Eine mögliche G7-Initiative zur Sicherung des Zugriffs auf Seltene Erden soll am Freitag in Washington besprochen werden, wenn Repräsentanten der G7 dort am Rande der diesjährigen Jahrestagung von IWF und Weltbank zusammenkommen. Im Gespräch sei, „einen Mindestpreis für kritische Rohstoffe und daraus gefertigte Magneten“ festzusetzen, heißt es; das solle „Investitionen in eigene Minen und Raffinerien ... ermöglichen“.[7] Zur Zeit machen die niedrigen Preise für Seltene Erden aus China die Entwicklung von Alternativen unrentabel; Unabhängigkeit von der Volksrepublik ist damit schwer zu erreichen. Die neuen Exportkontrollen rücken die Unabhängigkeit Deutschlands und der EU in noch weitere Ferne.
[1] Sven Astheimer, Gustav Theile: Der nächste Schock aus China für die Industrie. Frankfurter Allgemeine Zeitung 10.10.2025.
[2] Chinas Exportkontrollen bringen EU-Firmen in Bedrängnis. spiegel.de 19.09.2025.
[3], [4] Jakob Hanke Vela: EU fürchtet Zusammenbruch globaler Lieferketten wegen Zollstreit. handelsblatt.com 12.10.2025.
[5] Klaus Stratmann, Julian Olk: In Deutschland hängen eine Million Jobs von seltenen Erden ab. handelsblatt.com 13.10.2025.
[6] S. dazu Die neue Allianzstrategie.
[7] Jakob Hanke Vela: EU fürchtet Zusammenbruch globaler Lieferketten wegen Zollstreit. handelsblatt.com 12.10.2025.
