„Resilience Factories“
Führende deutsche Rüstungs-Startups gründen „strategische Partnerschaft“ zum Ausbau der KI-basierten Kriegsführung. Sie verzichten weitestgehend auf US-Bauteile und -Finanziers; ihre Waffen sind im Ukraine-Krieg praxisgetestet.
BERLIN (Eigener Bericht) – Zwei der führenden deutschen Rüstungs-Startups gründen eine „strategische Partnerschaft“ zur Weiterentwicklung KI-basierter Kriegsführung und setzen dabei auf möglichst weitreichende Unabhängigkeit von den USA. Die geplante Entwicklung eines „KI-basierten Aufklärungs- und Wirkverbundes“, mit dessen Hilfe „Streitkräfte in Gefechtssituationen“ künftig „schneller, präziser, effizienter und auf größere Distanz handeln können“, sei bewusst „europäisch ausgelegt“, heißt es bei Helsing und Arx Robotics. Helsing ist mit einem Wert von zwölf Milliarden Euro das teuerste deutsche Startup überhaupt; auch Arx Robotics gilt als Hoffnungsträger der Startup-Szene. Diese zielt – anders als etablierte Rüstungskonzerne wie Rheinmetall, die oft eng transatlantisch eingebunden sind – darauf ab, eine von den Vereinigten Staaten unabhängige europäische, zuweilen sogar rein deutsche Produktion aufzubauen. Das geschieht in enger Kooperation mit der Rüstungsindustrie in der Ukraine sowie mit den ukrainischen Streitkräften, die die neu entwickelten Waffen im Krieg nutzen. Deutsche Startups stellen damit erfolgreich in der Praxis getestetes Kriegsgerät her.
„Lokale und souveräne Fertigung“
Helsing, seit einigen Monaten mit einem Wert von rund zwölf Milliarden Euro das teuerste deutsche Startup überhaupt, ist vor allem für seine Drohnen bekannt. Das Unternehmen stellt Kamikazedrohnen für die Ukraine her und ist unter anderem als Ausrüster für einen NATO-„Drohnenwall“ an der NATO-Ostflanke im Gespräch. Helsing kann als bestens vernetzt gelten; sein Mitgründer Gundbert Scherf war, von seinem damaligen Arbeitgeber McKinsey ins Verteidigungsministerium entsandt, dort von 2014 bis 2016 als Beauftragter Strategische Steuerung Rüstung tätig.[1] Die Helsing-Drohnen vom Typ HX-2 werden autonom gelenkt und sind in der Lage, ein Ziel in bis zu 100 Kilometern Entfernung ohne jede Steuerung von außen zu erreichen, wodurch sie unabhängiger gegenüber Störmanövern werden. Helsing entwickelt zudem Künstliche Intelligenz (KI) etwa für Panzer, Kampfjets und U-Boote und wird gemeinsam mit der schwedischen Saab Eurofighter für elektronische Kampfführung ausrüsten.[2] Das Unternehmen weitet gegenwärtig seine Aktivitäten in Großbritannien aus, wo es beispielsweise autonome Unterwassergleiter zur maritimen Überwachung herstellt.[3] Helsing hat sich dabei auf sogenannte Resilience Factories spezialisiert – „hocheffiziente Produktionsanlagen, die Nationalstaaten eine lokale und souveräne Fertigung ermöglichen“, teilt das Unternehmen mit.[4]
„Für Europa in Europa“
Arx Robotics, ebenfalls 2021 gegründet, teilt mit Helsing das Streben nach eigenständiger, vor allem von außereuropäischen Bauteilen möglichst unabhängiger Produktion. Man achte darauf, „ausschließlich europäische Investoren“ zu gewinnen, heißt es bei dem Startup; zudem sei man bemüht, dass „die Lieferkette ... europäisch“ sei.[5] Arx Robotics stellt etwa Minipanzer („Gereon“) mit einem Gewicht von kaum 400 Kilogramm her, die vor allem im „Todeskorridor“ entlang der Front zwischen zwei Streitkräften eingesetzt werden sollen – dort, wo der Aufenthalt von Soldaten aufgrund immer intensiverer Drohneneinsätze kaum noch möglich sei, wird berichtet. Das Startup beliefert mehrere europäische Streitkräfte und ist inzwischen unter anderem auch in Großbritannien tätig. Hauptschwerpunkt von Arx Robotics ist bei alledem die Entwicklung von Software. Bekanntestes Produkt des Unternehmens ist das Betriebssystem Mithra, das die Vernetzung von Waffensystemen aller Art mit Sensoren und KI-Modellen ermöglicht und so deren autonome Steuerung möglich macht.[6] Firmenmitgründer Mac Wietfeld gibt an, man wolle helfen, „das industriell-militärische Rückgrat Europas und damit die Verteidigungsfähigkeit zu stärken“; er erklärt: „Wir schaffen Fähigkeiten für Europa in Europa“.[7]
„Europäisch ausgelegt“
Helsing und Arx Robotics haben in der vergangenen Woche eine „strategische Partnerschaft“ bekanntgegeben. Dabei streben sie die „Entwicklung eines KI-basierten Aufklärungs- und Wirkverbundes für die europäische Verteidigung“ an.[8] Konkret solle vor allem „der bislang stark fragmentierte und analoge Landbereich ... digitalisiert, vernetzt und mit künstlicher Intelligenz ausgestattet werden“. Damit sollten „Streitkräfte in Gefechtssituationen“ künftig „schneller, präziser, effizienter und auf größere Distanz handeln können als heute“. „Die Partnerschaft“, heißt es weiter, sei explizit „europäisch ausgelegt“: Außer der Kooperation in der Ukraine umfasse sie „unter anderem gemeinsame Vorhaben in Großbritannien und Deutschland“. Letztlich gehe es darum, „europäischen und ukrainischen Streitkräften einen Technologievorteil zu verschaffen“, wird Wietfeld zitiert.[9]
Im Praxistest
Sowohl Helsing als auch Arx Robotics ist dabei gemein, dass sie nicht nur die ukrainischen Streitkräfte beliefern, sondern auch in der Ukraine selbst produzieren – in enger Abstimmung mit den kämpfenden Einheiten an der Front. So heißt es über den Minipanzer Gereon, ein erstes Modell sei „in der Ukraine im Praxistest erst mal gescheitert“. Inzwischen entwickle man Waffensysteme prioritär für den Ukraine-Krieg und passe sie dann „so an, dass sie europäischen Beschaffungs- und Sicherheitsrichtlinien entsprechen“.[10] Dabei binde man „Personen mit direkter Fronterfahrung“ ein und beschäftige Personen, die „Geräte vor Ort an der Front warten und im Austausch mit den Streitkräften stehen“. Zudem kooperiere man mit der ukrainischen Rüstungsindustrie; der Gereon etwa sei in intensiver Zusammenarbeit mit zwei ukrainischen Rüstungsfirmen entwickelt worden. Dabei gälten die Kooperationspartner aus der Ukraine als effizient und schnell. „Entwickelt man nur in Europa“, äußert Arx-Mitgründer Wietfeld, „dauert das Jahrzehnte, und man hat am Ende womöglich ein System, das nicht für das Schlachtfeld geeignet ist“.[11] Ähnliche Berichte sind auch von anderen Startups zu hören, die Drohnen oder andere High-Tech-Waffen für die ukrainischen Streitkräfte produzieren.
Konkurrenzvorteile
Helsing und Arx Robotics stehen exemplarisch für die neuen deutschen Rüstungs-Startups, die insgesamt „auf innereuropäische oder deutsche Wertschöpfungsketten“ ohne US-Bauteile setzen, wie Franz Enders, Autor einer aktuellen Studie zum Thema, konstatiert. „Das klappt zwar noch nicht bei der Finanzierung, da sind sie noch auf Kapital aus den USA angewiesen“, erläutert Enders: „Aber in ihren Strategiepapieren betonen die Start-ups immer wieder, dass sie eine Finanzierung und Produktion in Europa anstreben.“[12] Zudem testen sie ihre Produkte in der Ukraine unter Kriegsbedingungen – ein echter Vorteil gegenüber der Konkurrenz.
[1] S. dazu Die Rüstungsregierung im Amt.
[2] S. dazu Krieg als Schlacht zwischen Industrien.
[3] Craig Langford: Helsing to build drone submarine factory in Plymouth. ukdefencejournal.org.uk 08.07.2025.
[4] Helsing produziert weitere 6.000 Kampfdrohnen für die Ukraine. helsing.ai 13.02.2025.
[5] Nadine Schimroszik: Arx Robotics will Europas Verteidigungsfähigkeit stärken. handelsblatt.com 28.04.2025.
[6] Sven Astheimer, Maximilian Sachse: Mini-Panzer für die Ukraine. Frankfurter Allgemeine Zeitung 25.08.2025.
[7] Nadine Schimroszik: Arx Robotics will Europas Verteidigungsfähigkeit stärken. handelsblatt.com 28.04.2025.
[8], [9] Helsing und Arx Robotics schließen strategische Partnerschaft. wehrtechnik.info 11.09.2025.
[10], [11] Sven Astheimer, Maximilian Sachse: Mini-Panzer für die Ukraine. Frankfurter Allgemeine Zeitung 25.08.2025.
[12] Daniel Leisegang, Martin Schwarzbeck: „Man kann hier von einem neuen militärisch-industriellen Komplex sprechen“. netzpolitik.org 30.07.2025.
