Gründungsakt für Europa: Pančevo

Der deutsche Adler flog im Frühjahr 1941 über die Alpen und setzte seine Krallen in Pančevo an. Jugoslawien wurde überfallen. In Pančevo, damals ein kleines Handelsstädtchen nicht weit von Belgrad, blühten schon die Rosen, als die "Division Großdeutschland" in Pančevo einen "Sondereinsatz" absolvierte: Erst wurden im katholischen Friedhof 18 jugoslawische Zivilisten erhängt, dann an der Friedhofsmauer 14 weitere erschossen: Vergeltung für den Widerstand gegen die deutschen Besatzer.

Zu den Morden an unbeteiligten jugoslawischen Zivilisten leisteten Henker der deutschsprachigen Minderheit praktische Beihilfe. Das schwere deutsche Kriegsverbrechen wurde in Deutschland nie gesühnt. Die Mörder erhielten Pensionen...

Im Frühjahr 1999, vor genau zwanzig Jahren, flog der deutsche Adler erneut über die Alpen. Jugoslawien wurde ein zweites Mal überfallen (auch die Ortschaft Pančevo) – nicht von der "Division Großdeutschland", sondern von der Luftwaffe der Bundesrepublik Deutschland im Verein mit der Nato. Die schweren Bombardements auf Pančevo setzten giftige Chemikalien in solcher Menge frei, daß die Bevölkerung zeitweise evakuiert werden musste. Die Langzeitfolgen dauern bis heute an.

Bomben jeder Art, darunter Streumunition und Raketen, die nicht vollständig abgeworfen werden konnten, entlud die westliche Luftwaffe auf ihrem Rückflug in der Adria, dort, wo deutsche Urlauber in den Ferien das Sonnenbaden geniessen, vor den Küsten von Pula, Lošinj oder Susak.

Noch während des Bombenhagels auf Jugoslawien ließ der deutsche Bundeskanzler eine Regierungserklärung verbreiten: "Unser Engagement auf dem Balkan" gehöre zu einer "neuen deutschen Verantwortung", hieß es, und sei ein "Gründungsakt" für "Europa".

Nimmt man diese Aussage ernst und betrachtet sie wortgerecht, so trifft sie zu.

Dieser "Gründungsakt" war ein Krieg gegen das Völkerrecht, ein ordinärer Überfall auf einen souveränen Staat, ein Angriff auf die Grundsätze der Vereinten Nationen.

Nach dem Rechtsbegriff deutscher Rechtsprechung handelte es sich bei diesem "Gründungsakt" um ein Bandenverbrechen. Unzählige Zivilisten starben. Die Bandenverbrechen wurden nie gesühnt, sowenig wie die früheren deutschen Verbrechen in Pančevo...

Der "Gründungsakt" für Europa, nimmt man diese Aussage ernst, kündigte an, daß ein Europa der Expansion, der Gewalt, ein Europa der Armut und des Todes an seinen südlichen Peripherien im Entstehen war, ja daß es ein Europa imperialer "Weltpolitik" unter maßgeblicher deutscher Führung werden würde.

1999, vor zwanzig Jahren, blitzte am historischen Horizont, über dem nächtlichen Belgrad, nicht weit von Pančevo, die Perspektive künftiger Kriege um diese imperiale "Weltpolitik" auf – in der Nacht des 7.Mai, als der "Gründungsakt" für Europa die chinesische Botschaft in Belgrad traf.

Westliche Luft-Boden-Raketen schlugen in das diplomatisch geschützte Gebäude der VR China ein, töteten drei chinesische Zivilisten und verletzten Dutzende andere. Das angebliche Versehen war ein wohlbedachte Provokation, recherchierten der britische Observer und die dänische Zeitung Politiken.

In einem Proteststurm gingen zehntausende Chinesen gegen die Botschaften der Angreifer in der Volksrepublik China vor. Das deutsche Generalkonsulat in Guangzhou wurde in der richtigen Erkenntnis attackiert, dass der deutsche Staat als organisatorischer Beihelfer der Raketenangriffe voll verantwortlich war...

In dem Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, im "Gründungsakt" für Europa, wendete sich das paneuropäische Wohlstands- und Friedensversprechen in sein Gegenteil: in deregulierte Gewaltkonkurrenz mit milliardenschweren Rüstungsgewinnen. Dem fallen die sozialen Grundrechte in Europa zum Opfer – das Recht auf Reichtumsteilhabe, das Recht auf Wohnung, auf Arbeit und ein würdigesLeben.

Dieses Europa, angeführt von Berlin, orientiert sich auf Krieg – auf Russland und China.

 

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