China und die Seltenen Erden

Beim Import industriell unverzichtbarer Seltener Erden aus China zeichnet sich Entspannung ab. Beijing hatte Exportkontrollen eingeführt und damit vor allem auf US-Rüstungskonzerne gezielt, die immense Mengen Seltener Erden verschlingen.

BERLIN/BEIJING/WASHINGTON (Eigener Bericht) – Bei der Einfuhr industriell nicht verzichtbarer Seltener Erden aus China zeichnen sich nach wochenlanger Furcht vor einem Exportstopp erste Ansätze einer Entspannung ab. Beijing hatte, um sich gegen die exzessiven US-Zölle zur Wehr zu setzen, am 4. April Exportkontrollen auf sieben Metalle der Seltenen Erden eingeführt. Davon ist auch die deutsche Industrie betroffen. Weil unklar war, wann und ob wieder Exportgenehmigungen erteilt würden, nahm die Unruhe in deutschen Konzernen zu; Anfang Mai hieß es, es sei allenfalls noch „eine Frage von Wochen“, bis es zu ersten Produktionsstillständen komme. Am Dienstag wurde nun bekannt, dass neue Lieferungen der betroffenen Seltenen Erden gebilligt wurden. Mit der Einführung der Exportkontrollen zielt Beijing besonders auf die US-Rüstungsindustrie, die große Volumina an Seltenen Erden benötigt. Die aktuelle Vereinbarung zwischen Washington und Beijing zur Senkung der Zölle sieht nun auch die Suspendierung nichttarifärer Maßnahmen Chinas vor; dies könnte die Exportschranken bei Seltenen Erden meinen. Appelle, die Seltenen Erden selbst abzubauen, scheitern bislang an den Kosten der Aufbereitung und an der Umweltbelastung.

Chinas Marktdominanz

China hatte am 4. April, um sich gegen die beispiellosen US-Zölle auf seine Exporte zur Wehr zu setzen, nicht bloß Zölle in gleicher Höhe auf Importe aus den Vereinigten Staaten verhängt, sondern auch Exportkontrollen auf sieben Metalle der Seltenen Erden eingeführt. Es handelt sich dabei um wenig bekannte Rohstoffe – Samarium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Lutetium, Scandium, Yttrium. Diese sind aber für die Fertigung vieler High-Tech-Produkte unverzichtbar, von Elektromotoren über Solarzellen bis zu Halbleitern; auch die Rüstungsindustrie kommt nicht ohne sie aus. Laut Angaben des Washingtoner Center for Strategic & International Studies (CSIS) werden für den Bau eines Kampfjets vom Typ F-35 mehr als 400 Kilogramm Seltene Erden benötigt, für den Bau eines Zerstörers der Arleigh Burke-Klasse gut 2.350 Kilogramm, für den Bau eines U-Boots der Virginia-Klasse sogar fast 4.200 Kilogramm.[1] Dabei wird der Weltmarkt für Seltene Erden von China dominiert. Bei der Förderung hält das Land einen globalen Anteil von 60 Prozent, bei der Aufbereitung von 87 Prozent und bei der Verarbeitung zu Magnetprodukten von 94 Prozent.[2] Bei den sogenannten schweren Seltenen Erden, zu denen Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Lutetium und Yttrium zählen, hält die Volksrepublik sogar einen Weltmarktanteil von fast 100 Prozent.

Penible Exportkontrollen

Mit den Exportkontrollen zielt Beijing insbesondere auf die US-Rüstungsindustrie, die es nicht mehr zu beliefern droht – eine Kopie von Praktiken, derer sich die Vereinigten Staaten schon seit Jahren befleißigen: Sie verhängen immer wieder neue Sanktionen gegen chinesische Unternehmen, denen sie – zutreffend oder unzutreffend – vorwerfen, für Chinas Streitkräfte zu arbeiten. Frühere chinesische Exportkontrollen haben sich im Hinblick auf Lieferungen in die USA freilich noch als unwirksam erwiesen. So hat die Volksrepublik im Juli 2023 Exportkontrollen auf Gallium und Germanium eingeführt [3], im Gesamtjahr 2024 keine Lieferungen in die Vereinigten Staaten mehr genehmigt und im Dezember 2024 ein offizielles Verbot von Lieferungen in die USA verhängt. Mangel tritt dort jedoch nicht auf – ein Umstand, den Experten auf Reexporte anderer westlicher Empfänger zurückführen. Wie das Washingtoner Henry L. Stimson Center in einer Analyse feststellt, ist etwa der Export von Germanium in die USA von 2023 auf 2024 um 5.900 Kilogramm auf Null gefallen. Zugleich stieg der Export von Germanium nach Belgien, das den Rohstoff wohl in die USA weiterverkauft, um 6.150 Kilogramm.[4] Beijing verlangt nun von Käufern der erwähnten Seltenen Erden detaillierte Angaben über den Endverbleib – bis hin zu technischen Zeichnungen und Angaben über Verkaufsregionen.[5]

„Eine Frage von Wochen“

Während im Westen zunächst Unmut über die nun erforderlichen peniblen Angaben in den Exportanträgen laut wurde, machten sich bald beträchtliche Sorgen breit, nicht zuletzt in der deutschen Wirtschaft. Ursache waren nicht bloß die Verzögerungen durch die chinesischen Exportkontrollen, sondern vor allem auch die Frage, wie restriktiv Beijing bei seinen Genehmigungen vorgehen werde. Anfang Mai hieß es schon, es drohten „Produktionsstopps in vielen Industrien, weil die Seltenen Erden nicht überall ersetzt werden können“. Bis die Lagerbestände vollständig aufgebraucht seien, sei es nur noch „eine Frage von Wochen“.[6] Über Mercedes hieß es, der Konzern habe schon eine Taskforce gegründet, die sich um die Beschaffung der Seltenen Erden bemühen solle. „Kurzfristig“ sei „die Produktion nicht gefährdet“, teilte ein Sprecher mit; allerdings gebe es „Hunderte Lieferanten“, die „für ihre Komponenten Seltene Erden“ bräuchten. Bislang habe man „keinen Überblick, welche Zulieferer besonders betroffen sind“. Eine ähnliche Lage meldeten etwa Kfz-Zulieferer wie ZF, aber auch Maschinenbauer wie der Laserspezialist Trumpf.

Eine gewisse Entspannung

Aktuell zeichnet sich eine vorsichtige Entspannung ab. Am Dienstag wurde bekannt, dass inzwischen mindestens vier Exportgenehmigungen vorliegen. Die erste habe ein Zulieferer von Volkswagen bereits Ende April erhalten, hieß es; Volkswagen habe sich dafür bei den chinesischen Behörden stark gemacht und vermutlich von seinen guten Beziehungen in der Volksrepublik profitiert.[7] Allerdings sei unklar, ob auch bereits Exportanträge abgelehnt worden seien; zudem seien einer Quelle zufolge bisher nur Anträge aus Europa und aus Vietnam genehmigt worden. Immerhin seien die Genehmigungen vor der Einigung mit der Trump-Administration im Streit um die exzessiven US-Zölle erteilt worden. Dies deute darauf hin, urteilen Beobachter, dass der Zollkonflikt nicht zu einer kompletten Einstellung sämtlicher Exporte der sieben erwähnten Seltenen Erden führen werde. In der Einigung zwischen Washington und Beijing auf die weitgehende Aufhebung der bilateralen Zölle hat sich die Volksrepublik am Montag nun zudem verplichtet, „alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen“, um die seit dem 2. April verhängten „nichttarifären Gegenmaßnahmen zu suspendieren oder aufzuheben“.[8] Insider gehen fest davon aus, dies beziehe sich auch auf den De-facto-Exportstopp in die USA bei den Seltenen Erden. Allerdings gilt die Einigung zunächst nur für 90 Tage. Zudem ist unklar, ob sie auch für US-Rüstungsfirmen gilt.

Kernfaktor Aufbereitung

Chinas Exportkontrollen haben im Westen allgemein und auch speziell in Deutschland einmal mehr Forderungen befeuert, sich von Rohstofflieferungen aus der Volksrepublik unabhängig zu machen – dies, um nicht in die Bredouille zu geraten, sollten die USA oder auch der Westen insgesamt ihre Attacken gegen China noch weiter zuspitzen und dadurch erneut eine scharfe Abwehrreaktion in Beijing auslösen. Immer wieder wird in diesem Kontext über neue Funde großer Lagerstätten berichtet – in Norwegen etwa, in Grönland [9], in der Ukraine. Dabei liegt der Kern der Abhängigkeit nicht in mangelnden Vorräten an Seltenen Erden; diese sind, wie es regelmäßig aus der Rohstoffbranche heißt, keineswegs selten. Allerdings ist der Prozess ihrer Aufbereitung und ihrer Weiterverarbeitung arbeitsaufwendig, verschlingt riesige Mengen nicht zuletzt an Energie und bringt erhebliche Umweltbelastungen mit sich. Das ist der Grund, wieso die Staaten Europas und Nordamerikas sich aus ihm zurückgezogen und ihn China überlassen haben, das mittlerweile auch über die ausgefeiltesten Technologien in der Branche verfügt. Sogar das US-Unternehmen MP Materials, das einzige in den USA, das im großen Stil Seltene Erden fördert, sah sich zuletzt gezwungen, 80 Prozent der Fördermenge zur Aufbereitung in die Volksrepublik zu schicken – bevor es dies im April aufgrund des Zollkrieges der Vereinigten Staaten gegen China einstellen musste.[10]

Die Kosten

Wollten die westlichen Staaten bei den Seltenen Erden wirklich unabhängig werden, müssten sie „in die Aufbereitung investieren“, heißt es in einem aktuellen Fachbeitrag in der Financial Times.[11] Das würde allerdings auch für die deutsche Industrie die Kosten in die Höhe treiben und erhebliche Umweltbelastungen im Westen verursachen, weshalb es bislang nur zu geringen Fortschritten etwa in den Vereinigten Staaten kommt. Das Problem durchzieht weitere Teile der Rohstoffbranche, so etwa die Aufbereitung von Lithium, die ebenfalls zu 65 Prozent in China durchgeführt wird. Bestrebungen, Lithium in Europa zu fördern, stoßen regelmäßig auf entschlossene Proteste von Umweltschützern, zuletzt etwa in Portugal oder in Serbien (german-foreign-policy.com berichtete [12]).

 

[1] Gracelin Baskaran, Meredith Schwartz: The Consequences of China’s New Rare Earths Export Restrictions. csis.org 14.04.2025.

[2] Judith Henke: Wie China sich das Monopol bei seltenen Erden sichert. handelsblatt.com 05.01.2024.

[3] S. dazu Chinas erster Gegenschlag und Chinas zweiter Gegenschlag.

[4] Sarah Godek: China’s Germanium and Gallium Export Restrictions: Consequences for the United States. stimson.org 19.03.2025.

[5], [6] Sven Astheimer, Gustav Theile, Benjamin Wagener: Industrie bangt um kritische Rohstoffe. Frankfurter Allgemeine Zeitung 02.05.2025.

[7] Beijing has issued first rare earth magnet export permits, Volkswagen suppliers on the list. marketscreener.com 13.05.2025.

[8] Full text: Joint Statement on China-US Economic and Trade Meeting in Geneva. globaltimes.cn 12.05.2025.

[9] S. dazu Der Kampf um Grönland (I).

[10] Ryan McMorrow, Nian Liu: US rare earth champion faces trade war test after tariffs halt China sales. ft.com 18.04.2025.

[11] Zornitsa Todorova: If the US wants more rare earths, it needs to tackle refining. ft.com 14.05.2025.

[12] S. dazu Wettlauf um Lithium.


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