Gemeinsam gegen Beijing
BERLIN/WASHINGTON/BEIJING (Eigener Bericht) - Deutschland und die EU erhalten im Streit um US-Strafzölle einen Aufschub. Wie US-Präsident Donald Trump am gestrigen Donnerstag erklärte, werden die Strafzölle auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium, die an diesem Freitag in Kraft getreten sind, für Unternehmen aus der EU vorläufig ausgesetzt. Erzielen Washington und Brüssel eine Einigung über die künftige Gestaltung ihres bilateralen Handels, dann bleiben die berüchtigten Maßnahmen für die EU außer Kraft. Gleichzeitig hat der US-Präsident umfassende Wirtschaftsmaßnahmen gegen die Volksrepublik China in Aussicht gestellt. Demnach sollen hohe Strafzölle verhängt und chinesische Investitionen in den Vereinigten Staaten erschwert werden. Auch die EU weitet ihre Strafzölle auf chinesische Produkte deutlich aus. Damit zeichnet sich eine ökonomische Frontstellung ab - EU und Nordamerika gegen China -, die der spürbar eskalierenden politischen Spannung zwischen dem Westen und China entspricht. Die bislang eher entspannende Wirkung der boomenden Wirtschaftskooperation wird geschwächt.
Aufschub für die EU
US-Präsident Donald Trump hat am gestrigen Donnerstag die Strafzölle auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium in Höhe von 25 bzw. zehn Prozent, die am heutigen Freitag in Kraft getreten sind, für eine Reihe von Staaten zunächst ausgesetzt, darunter auch für die Bundesrepublik. Demnach können Unternehmen aus der EU ihre Ausfuhren in die USA weiterhin nach den bisherigen Bedingungen abwickeln. Die US-Administration wird in den kommenden Wochen Gespräche mit der EU über die Gestaltung des bilateralen Handels führen. Erzielen Washington und Brüssel ein einvernehmliches Ergebnis, dann werden die Strafzölle gestrichen; andernfalls treten sie in Kraft. Eine ähnliche Ausnahme hatte Trump zuvor Kanada und Mexiko gewährt; in diesem Fall wird das Resultat der Verhandlungen über eine Reform des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA darüber entscheiden, ob beide Staaten auf Dauer von den Strafzöllen freigestellt bleiben. Auch Argentinien, Brasilien, Australien und Südkorea müssen vorläufig keine Sonderabgaben auf Stahl- und Aluminiumlieferungen in die USA zahlen. Die Ausnahmen führen dazu, dass mehr als die Hälfte der US-Stahlimporte zumindest vorläufig von Strafzöllen befreit werden; betroffen sind nun noch drei US-Verbündete - Japan, Taiwan und die Türkei - sowie Russland und China.[1]
Der Hauptprofiteur
Hauptprofiteur der Ausnahmeregelung für die EU ist Deutschland: Die Bundesrepublik ist das einzige Land der Union, das - mit zuletzt insgesamt vier Prozent der US-Stahlimporte - zu den Top 10 der US-Stahllieferanten gehört. Darüber hinaus dürften die zahlreichen Ausnahmen auch für andere Länder dafür sorgen, dass die Stahl- und Aluminiumpreise in den USA weniger als befürchtet steigen: ein deutlicher Vorteil für stahl- und aluminiumverarbeitende deutsche Konzerne mit Produktionsstandorten in den Vereinigten Staaten, darunter Autoproduzenten wie BMW und diverse Kfz-Zulieferer. Das deutsche Interesse erklärt, dass Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sich in dieser Woche in die Verhandlungen eingeschaltet und Gespräche mit seinem US-Amtskollegen Wilbur Ross geführt hat, eine Tatsache, die weithin für Aufmerksamkeit sorgte, weil die Handelspolitik in der EU vergemeinschaftet ist und eigentlich allein von Handelskommissarin Cecilia Malmström gestaltet wird. Während deutsche Unternehmen günstig davonkommen, hat die Trump-Administration in dieser Woche zusätzliche Strafzölle auf die Einfuhr von Stahlseilen beschlossen, die von den allgemeinen Strafzöllen auf Stahl- sowie Aluminiumimporte unabhängig sind und insbesondere Firmen aus Großbriannien, Spanien und Italien betreffen. Die Zölle auf die Einfuhr britischer Stahlseile belaufen sich auf bis zu 148 Prozent.[2]
Strafzölle gegen China
Während Trump der EU mit der Ausnahmeregelung eine Verhandlungsfrist gewährt, hat er gestern harte Maßnahmen gegen China angekündigt. Demnach sollen künftig Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf die Einfuhr von Produkten erhoben werden, bei denen sich eine laut Trump "unfaire Industriepolitik" zu Chinas Gunsten auswirkt. Gemeint seien insbesondere chinesische "Praktiken zur Aneignung geistigen Eigentums, etwa von Patenten", und angeblich unfaire Subventionen für chinesische Unternehmen, heißt es.[3] Washington will in den nächsten Tagen 1.300 chinesische Exportgüter identifizieren, auf die Strafzölle erhoben werden sollen. Nach einer Überprüfung der Liste durch die US-Industrie werden die Zölle dann tatsächlich verhängt. Sie sollen sich laut Aussage des US-Präsidenten auf bis zu 60 Milliarden US-Dollar jährlich belaufen. Ergänzend will Washington die Übernahme US-amerikanischer Firmen durch chinesische Unternehmen deutlich erschweren. Einen Plan dazu müsse das Finanzministerium bis in zwei Monaten vorlegen, hieß es gestern.
Vor dem Handelsstreit
Damit zeichnet sich eine ökonomische Frontstellung ab, wie sie Berlin bereits im vergangenen Jahr anstrebte: ein gemeinsames Vorgehen von EU und USA gegen China. Brüssel hat längst Strafzölle in erheblichem Umfang gegen die Volksrepublik verhängt und plant - insbesondere auf deutschen Druck - neue Hürden gegen Übernahmen europäischer Firmen durch chinesische Unternehmen (german-foreign-policy.com berichtete [4]). Als exemplarisch für eine transatlantische Kooperation gegen die chinesische Wirtschaft gilt eine Übereinkunft, auf die sich die EU, die Vereinigten Staaten und Japan im Dezember am Rande der 11. WTO-Ministerkonferenz in Buenos Aires geeinigt haben; sie sieht vor, die Volksrepublik in Handelsfragen künftig verstärkt "unter Druck" zu setzen und im Streit um Technologietransfers offensiver gegen Beijing aufzutreten.[5] Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Volksrepublik sich gegen westliche Wirtschaftsaggressionen zur Wehr setzen wird; im Fall der jetzt angekündigten US-Strafzölle hat die chinesische Regierung schon empfindliche Gegenmaßnahmen in Aussicht gestellt. Die Aktien bedeutender US-amerikanischer Unternehmen aus den mutmaßlich betroffenen Branchen brachen am gestrigen Donnerstag bereits erheblich ein; ein eskalierender Handelsstreit scheint wahrscheinlich.
Eskalierende Konflikte
Dabei verliefe ein eskalierender Wirtschaftskonflikt zwischen den transatlantischen Mächten und China parallel zu zunehmenden Spannungen in der Außenpolitik. Berlin beobachtet seit geraumer Zeit mit wachsendem Unmut den massiv steigenden chinesischen Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent.[6] Das chinesische Megaprojekt der Neuen Seidenstraße ("One Belt, One Road", "Ein Gürtel, eine Straße"), das in Europa und Nordamerika zunächst nicht besonders ernst genommen wurde, sorgt inzwischen in westlichen Hauptstädten für große Sorgen, Beijing könne sich mit dem Vorhaben dominierenden Einfluss in den gewaltigen Territorien zwischen Ostasien und Europa sichern (german-foreign-policy.com berichtete [7]). Offenen Protest hat zuletzt ausgelöst, dass China in Griechenland umfassend investiert - und dass das südosteuropäische Land deshalb nicht mehr bereit ist, im Rahmen der EU antichinesische Stellungnahmen mitzutragen.[8] Stand einer größeren Eskalation der politischen Konflikte bislang noch entgegen, dass deutsche Firmen in wachsendem Maße auf das Chinageschäft angewiesen sind - die Volksrepublik ist der wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik und einer ihrer wichtigsten Investitionsstandorte -, so sind die sich abzeichnenden Wirtschaftskonflikte geeignet, den bislang noch vorhandenen ökonomischen Druck zugunsten einer engeren Kooperation zu erschüttern. Das wiederum könnte die politischen Machtkämpfe eskalieren lassen. german-foreign-policy.com berichtet in der kommenden Woche.
[1] Handelskonflikt mit Amerika vorerst entschärft. Frankfurter Allgemeine Zeitung 23.03.2018.
[2] Amerikaner legen im Zollstreit gegen Europa nach. Frankfurter Allgemeine Zeitung 22.03.2018.
[3] Trump verhängt Milliardenzölle gegen China. Frankfurter Allgemeine Zeitung 23.03.2018.
[4] S. dazu Protektionismus made in Germany.
[5] S. dazu Mit Japan gegen China.
[6] S. dazu Einflusskampf um Afrika.
[7] S. dazu Chinas Jahrhundertprojekt.
[8] S. dazu "Gut für Europa".