Unter deutscher Dominanz
Der Aufstieg der extremen Rechten in Rumänien wird stark vom Kleinbürgertum getragen, das sich durch das Vordringen auswärtiger Unternehmen bedroht sieht – darunter deutsche Firmen, die eine dominante Stellung in dem Land innehaben.
BUKAREST/BERLIN (Eigener Bericht) – Der Aufstieg der rumänischen extremen Rechten geht nicht zuletzt auf die starke Stellung und auf das stetige Vordringen auswärtiger Konzerne in Rumänien zurück, darunter vor allem deutsche Unternehmen. Dies belegt der Politikwissenschaftler Vladimir Borțun, der am St John’s College der Universität Oxford lehrt, im Gespräch mit german-foreign-policy.com. Borțun zufolge stehen hinter der extrem rechten Partei AUR (Alianța pentru Unirea Românilor, Allianz für die Vereinigung der Rumänen) vor allem Teile des rumänischen Kleinbürgertums, die sich durch den Einfluss auswärtiger Unternehmen und deren kontinuierliche Ausbreitung im Land bedroht sehen. Die AUR kommt zur Zeit in Umfragen auf 40 Prozent. Ihre Verankerung im Kleinbürgertum weist Parallelen zu Deutschland auf, wo sich gegenwärtig Verbände kleinerer und mittlerer Unternehmen für die AfD öffnen. In Rumänien sind deutsche Unternehmen die mit Abstand größten auswärtigen Investoren; Deutschland ist auch der mit Abstand größte Handelspartner des Landes. Aktuell dringt die deutsche Rüstungsindustrie nach Rumänien vor; vor allem Rheinmetall baut dort neue Fabriken zur Munitions- und Schießpulverproduktion.
Mit Abstand Nummer eins
Deutsche Unternehmen haben in Rumänien – wie in den meisten anderen Ländern Ost- und Südosteuropas – eine dominierende Stellung inne, für die sie die Grundlagen schon im ersten Jahrzehnt nach dem Sturz des Sozialismus in Osteuropa geschaffen haben. Mit Stand vom 31. Dezember 2023 kamen 14,5 Prozent sämtlicher Auslandsinvestitionen in Rumänien aus der Bundesrepublik; in absoluten Zahlen: 17,1 Milliarden Euro.[1] Es folgten Direktinvestitionen aus Österreich im Umfang von 11,7 Prozent aller Auslandsinvestitionen. Frankreich lag mit einem Volumen von 11,0 Prozent auf Platz drei, die Vereinigten Staaten mit rund 7,0 Prozent auf Platz vier. Beim Außenhandel lag Deutschland mit noch größerem Abstand vorn. Es nahm im Jahr 2024 20,5 Prozent aller rumänischen Exporte ab – vor Italien mit 9,5 Prozent und Frankreich mit 6,3 Prozent –, während es zugleich 18,7 Prozent der rumänischen Importe stellte, vor Italien mit 8,3 Prozent und Ungarn mit 6,6 Prozent.[2] Rumänien sei „für deutsche Unternehmen inzwischen eines der attraktivsten Investitionsziele“, wird der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Michael Harms, zitiert; es sei einer Umfrage zufolge bereits der zweitbeliebteste Standort deutscher Unternehmer in Osteuropa, nach Polen.[3]
Vormarsch der Rüstungsindustrie
Entsprechend ist mit weiteren deutschen Investitionen in Rumänien zu rechnen – vor allem aufgrund der Tatsache, dass dort selbst für gut ausgebildete Fachkräfte nur niedrige Löhne zu zahlen sind. Es kommt hinzu, dass Rumänien als günstiger Standort für die Beteiligung am profitablen Wiederaufbau der Ukraine gilt. So hat der Baustoffhersteller Knauf aus Iphofen in Bayern seine Produktion in Rumänien ausgebaut und dazu Fördermittel der EU erhalten.[4] Er wird nach einem Ende des Krieges seine Aktivitäten in der Ukraine ausweiten können. Auf Aufträge hoffen deutsche Unternehmen auch beim Ausbau der militärischen Infrastruktur in Rumänien selbst, so etwa beim Ausbau des Luftwaffenstützpunkts Mihail Kogălniceanu bei Constanța für 2,5 Milliarden Euro. Die Air Base soll der größte NATO-Standort in Europa werden.[5] Hinzu kommen Rüstungsgeschäfte. Am 18. Juli unterzeichneten Bundeskanzler Friedrich Merz und Rumäniens Präsident Nicușor Dan in Berlin einen deutsch-rumänischen Aktionsplan, der die Rüstungskooperation stärken soll.[6] Rheinmetall etwa will in Rumänien mit seinem Ableger Rheinmetall Automecanica Schützenpanzer vom Typ Lynx bauen, mit Rheinmetall Munitions Romania Mittelkalibermunition fertigen sowie in einem Joint Venture mit Pirochim Victoria Schießpulver herstellen.[7]
Auf dem Weg nach rechts
Die beherrschende Position auswärtiger Unternehmen in Rumänien, zu denen die in dem Land dominanten deutschen Firmen zählen, hat Folgen. Wie der Politikwissenschaftler Vladimir Borțun, der am St John’s College der Universität Oxford lehrt, im Gespräch mit german-foreign-policy.com erläutert, sehen sich Teile des rumänischen Kleinbürgertums von den immer weiter vordringenden Firmen vor allem aus anderen EU-Staaten stark bedrängt. Sie haben eine tragende Rolle in der extrem rechten Partei AUR (Alianța pentru Unirea Românilor, Allianz für die Vereinigung der Rumänen), deren Präsident George Simion in der Präsidentenwahl im Mai 2025 auf 46,4 Prozent kam. Die AUR selbst liegt in Umfragen zur Zeit mit fast 40 Prozent auf Platz eins – mit großem Abstand vor der sozialdemokratischen PSD, die mit 20 Prozent Platz zwei hält.[8] Die AUR findet starke Zustimmung auch in der rumänischen Diaspora in der Bundesrepublik, deren Angehörige zum weit überwiegenden Teil von schlecht bezahlten Jobs unter oft miserablen Arbeits- und Wohnbedingungen leben müssen. In der Diaspora in Deutschland kam Simion in der Präsidentenwahl auf 67 Prozent (german-foreign-policy.com berichtete [9]).
Im Kleinbürgertum verankert
Die Verankerung der AUR im rumänischen Kleinbürgertum weist auf eine parallele Entwicklung in der Bundesrepublik hin. Hier zeigt sich aktuell, dass sich vor allem Teile des deutschen Mittelstands – kleinerer und mittlerer Unternehmen – für die AfD zu öffnen beginnen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht der Verband Die Familienunternehmer, dem zwar auch einige Großkonzerne angehören, der aber ganz überwiegend kleinere und mittlere Unternehmen vertritt (german-foreign-policy.com berichtete [10]). Er hat sich inzwischen öffentlich dazu bekannt, sich nicht mehr gegen die AfD abzugrenzen.[11] Ähnlich hält es der Verband der Unternehmerinnen, der sich für „mehr weibliches Unternehmertum, mehr Frauen in Führungspositionen und bessere Bedingungen für Frauen in der Wirtschaft“ einsetzt.[12] Offen gegenüber Kontakten zur AfD geben sich mittlerweile auch einige kleine Verbände, der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks etwa oder auch die Organisation Familienbetriebe Land und Forst (FaBLF).[13] Ihre Zahl wächst.
Bitte lesen Sie unser Interview mit Vladimir Borțun.
[1] Foreign direct investment (FDI) in Romania. lloydsbanktrade.com November 2025.
[2] Wirtschaftsdaten kompakt – Rumänien. gtai.de.
[3] Wirtschaftsdialog in Berlin: Rumäniens Präsident trifft deutsche Unternehmen. Pressemitteilung des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft. Berlin, 17.07.2025.
[4] Dominik Vorhölter: Kostendruck treibt Unternehmen nach Osteuropa. gtai.de 25.06.2025.
[5] Michał Woźniak, Martin Gaber: Länder der NATO-Ostflanke und Ukraine investieren massiv in die Verteidigung. gtai.de 05.09.2025.
[6] Rumänien und Deutschland sind enge Partner. bundesregierung.de 18.07.2025.
[7] Jonas Brandstetter: Rheinmetall baut Produktion in Rumänien aus. behoerden-spiegel.de 31.07.2025. Wichtiger Fortschritt bei strategischem Engpass: Rheinmetall und Rumänien produzieren gemeinsam Treibladungspulver. rheinmetall.com 02.11.2025.
[8] Romania – National parliament voting intention. politico.eu.
[9] S. dazu Rumäniens „Bekenntnis zu Europa“.
[10] S. dazu „Kein Platz für Brandmauern“ (II).
[11] Daniel Delhaes, Anja Müller, Dietmar Neuerer, Heike Anger: Familienunternehmer-Verband gibt „Brandmauer“ auf und löst Debatte aus. handelsblatt.com 24.11.2025.
[12] Kathrin Werner: Auch Verband der Unternehmerinnen knüpft Kontakt zur AfD. spiegel.de 25.11.2025.
[13] Daniel Peters, Franz Solms-Laubach, Burkhard Uhlenbroich, Michael Deutschmann, Katharina Volk: Verbände-Beben! Auch Bäcker und Bauern gegen AfD-Brandmauer. bild.de 26.11.2025.
