Logistikkonzerne für den Krieg
Bundeswehr bezieht Logistikkonzerne wie Deutsche Bahn und Lufthansa zunehmend in ihre Kriegsplanungen ein: zum Transport an die Front, zur Ausbildung von Soldaten, zur Wartung und zur Reparatur von Kriegsgerät.
BERLIN (Eigener Bericht) – Die Kriegsplanungen der Bundeswehr sehen eine erweiterte Nutzung ziviler Logistikkonzerne wie der Deutschen Bahn oder der Lufthansa für den Transport von Nachschub an die Front, für die Soldatenausbildung und für die Wartung von Kriegsgerät vor. Dies berichtet das Handelsblatt. Demnach sind etwa für den Fall eines Kriegs mit Russland Flüge für NATO-Soldaten mit Lufthansa-Maschinen an die Ostfront im Gespräch. Die Lufthansa, die sich schon seit den 1960er Jahren an der Ausbildung von Transportpiloten der Bundeswehr beteiligt, könne dies künftig auch für Kampfjetpiloten tun, heißt es. Zudem will die Konzernsparte Lufthansa Technik Defense in Zukunft Kampfjets, Hubschrauber und Seefernaufklärer der Bundeswehr warten und reparieren; sie würde damit zum Rüstungskonzern. Die Deutsche Bahn wiederum hat sich verpflichtet, auf Abruf etwa Flachwagen für den Transport von Panzern bereitzustellen. Laut Berichten ist sie mit der Bundeswehr zudem über einen Umbau von ICE-Waggons zu Bettenwagen in Verhandlung – zum Verwundetentransport. Deutsche Bahn, Lufthansa und weitere Firmen geraten damit in den Sog des Umbaus der deutschen Wirtschaft zur Kriegsindustrie.
Zivil-militärische Transporte
Die Bundeswehr greift im Transport nicht nur von Personal, sondern auch von Kriegsgerät schon seit je auf formal zivile Logistikunternehmen zurück. „Außerhalb von Krisengebieten“ sei dies „fast ausschließlich“ der Fall, bestätigte das Operative Führungskommando dem Handelsblatt. Sogar in Krisengebieten wickelten Privatunternehmen noch „einen erheblichen Anteil“ des deutschen Militärtransports ab.[1] In zahlreichen Fällen hat die Bundeswehr dazu Transportrahmenverträge geschlossen, so etwa mit der Deutschen Bahn (DB) und mit deren langjähriger Tochterfirma Schenker, die aktuell von dem dänischen Logistikkonzern DSV übernommen wird [2], mit DHL, Hermes und Kühne & Nagel [3]. Zu ihren wichtigsten Auftragnehmern im Straßentransport zählt etwa die DB Cargo-Tochter Transa aus Offenbach. „Im See- und Lufttransport für überbreites und überschweres Material“ ist die Bundeswehr laut dem Operativen Führungskommando „sogar zu 100 Prozent“ von Zivilfirmen abhängig. Für den Lufttransport nutzt sie etwa die Großraumflugzeuge der ukrainischen Antonow Airlines, die vom Flughafen Halle/Leipzig aus starten.[4] Für den strategischen Seetransport hat sie einen Kooperationsvertrag mit der dänischen Reederei DFDS Seaways geschlossen, die bei Bedarf binnen 15 bis 30 Tagen drei RoRo-Schiffe (Roll-on/roll-off) bereitstellen muss.[5]
Bettenwagen für Verwundete
Die zentrale Rolle im Landtransport von Kriegsgerät kommt nach wie vor der Deutschen Bahn (DB) zu, die 24,9 Prozent an der BwFuhrparkService GmbH hält, einem Dienstleister der Bundeswehr. Die Bahn, die schon heute beispielsweise schweres Kriegsgerät für die in Litauen stationierten Einheiten der Truppe transportiert, koordiniert mit ihrer Tochterfirma DB Cargo laut Auskunft eines Bundeswehroffiziers „die Planung und Durchführung der Transporte“ auf der Schiene „zu 100 Prozent“.[6] Logistiker monieren dabei, das deutsche Schienensystem sei in einem so desolaten Zustand, dass im Kriegsfall ein ausreichender Transport nicht gesichert sei. Auch im Hinblick darauf sollen große Teile des Infrastruktur-„Sondervermögens“ von 500 Milliarden Euro für eine Überholung des Bahnnetzes genutzt werden. Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD sieht schwerpunktmäßig einen Ausbau von Schienenwegen in Richtung Osten – nach Polen sowie in die Tschechische Republik – vor. DB Cargo hat sich im Jahr 2023 vertraglich fest verpflichtet, kurzfristig bis zu 343 Flachwagen für den Transport etwa von Panzern bereitzustellen.[7] Bei Bedarf ist außerdem ein Umbau von Containerwaggons in Flachwagen geplant. Berichten zufolge verhandelt die Bundeswehr mit der DB auch über den Umbau von ICE-Waggons in Bettenwagen – zum Verwundetentransport.[8]
Mit der Lufthansa an die Ostfront
Weitreichende Pläne verfolgt die Bundeswehr für den Ausbau ihrer Kooperation mit der Lufthansa. Dabei geht es beileibe nicht nur, aber auch um Transportvorhaben. Beobachter weisen darauf hin, dass die Lufthansa etwa an der Evakuierung Tausender Menschen im August 2021 aus Afghanistan beteiligt war: Während Transportflugzeuge der Bundeswehr die zu evakuierenden Personen aus Kabul ins usbekische Taschkent brachten, übernahm die Lufthansa den Weitertransport von dort in die Bundesrepublik. Von insgesamt 17 Lufthansa-Charterflügen wird berichtet, für die die deutsche Fluggesellschaft rund fünf Millionen Euro kassiert haben soll.[9] Im Kriegsfall würden die Maschinen der Lufthansa allerdings nicht nur für Evakuierungen benötigt. Im Gespräch sind auch Flüge, mit denen die – offiziell nach wie vor zivile – Airline nach einem Ausbruch von Kämpfen an einer neuen Ostfront Tausende, wenn nicht sogar Zehntausende Soldaten aus Deutschland und womöglich auch aus weiteren NATO-Staaten dorthin bringen würde. Unklar ist unter anderem, ob genügend Piloten und andere Crew-Mitglieder zur Verfügung stünden; theoretisch dürfen sie nicht zu einem Einsatz im Krieg verpflichtet werden. Es gebe „einige Piloten mit einer Luftwaffen-Vergangenheit, die sich vielleicht melden“, wird ein Insider zitiert.[10] Allerdings ist unklar, ob das ausreicht.
Pilotenausbildung
Darüber hinaus ist mittlerweile eine verstärkte Ausbildung von Soldaten durch die Lufthansa im Gespräch. Diese ist im Grundsatz nicht neu. Schon seit 1963 bestand eine Kooperation der Bundeswehr mit der Lufthansa-Verkehrsfliegerschule in Bremen [11], an der auch Piloten militärischer Transportflugzeuge ausgebildet wurden. Die Lufthansa Aviation Training bildet Transportpiloten der deutschen Streitkräfte auch im US-amerikanischen Phoenix und darüber hinaus in ihren Simulatoren unweit dem Flughafen München aus.[12] Schon 2012 hat die Fluggesellschaft darüber hinaus mit der Ausbildung von Bundeswehr-Drohnenpiloten begonnen; diese müssen zunächst eine reguläre Pilotenausbildung absolvieren, um allgemein Kenntnisse in der Luftfahrt zu erwerben.[13] Zur Zeit wird diskutiert, ob die Lufthansa nun auch in die Grundausbildung von Kampfjetpiloten der Luftwaffe einsteigt. Konzernchef Carsten Spohr hatte im März mitgeteilt, man habe dazu „in den letzten Monaten sehr interessante, positive Gespräche“ geführt. Käme es dazu, dann würden Kampfjetpiloten ihre Grundausbildung bei der Lufthansa erhalten, konstatiert das Handelsblatt; lediglich „die Zertifizierung ... für das jeweilige Kampfflugzeug sowie die militärische Fliegerausbildung“ würden dann noch von der Luftwaffe realisiert.[14] Diese würde damit beträchtlich entlastet.
Auf dem Weg zum Rüstungskonzern
Nicht zuletzt ist die Lufthansa um neue Bundeswehr-Aufträge für ihre Technik-Sparte bemüht. Schon seit mehr als 60 Jahren betreut sie die Flugbereitschaft der Bundeswehr und führt dabei insbesondere Wartungs- und Reparaturarbeiten durch.[15] Schon im Jahr 2019 hat die Konzernführung entschieden, stärker ins Militärgeschäft einzusteigen.[16] Zusätzlichen Schub erhielt das Vorhaben durch die Bereitstellung der ersten 100 Milliarden Euro schweren Sonderschulden durch die Bundesregierung. Um von ihnen wie auch von zukünftigen Militärausgaben zu profitieren, gründete Lufthansa Technik eigens einen Ableger „Defense“. Mit diesem verhandelt die Bundeswehr inzwischen über etwaige Aufträge für Wartung und Reparatur des US-Kampfjets F-35 und des US-Transporthubschraubers Boeing Chinook CH-47; beide werden von den deutschen Streitkräften beschafft. Darüber hinaus strebt die Lufthansa den Auftrag für Wartung und Reparatur der Seefernaufklärer P-8 Poseidon an, die die Deutsche Marine erhält. „Das Flugzeug“, so heißt es, „basiert auf dem zivilen Kurz- und Mittelstreckenflugzeug Boeing 737, bei dessen Wartung Lufthansa Technik viel Erfahrung vorweisen kann.“[17] Zudem hat Boeing dem deutschen Konzern bereits Ende 2022 die Wartung und Reparatur der Seefernaufklärer P-8 übertragen, die die Streitkräfte Neuseelands beschaffen.[18] Tatsächlich strebt die Lufthansa den Einstieg ins Militärgeschäft nicht bloß national, sondern international an.
[1] Jens Koenen, Christoph Schlautmann: Nato-Drehscheibe – Bundeswehr ruft Logistikkonzerne zu Hilfe. handelsblatt.com 22.04.2025.
[2] Christoph Schlautmann: Firmenkäufer DSV setzt Schenker-Chef in den Aufsichtsrat. handelsblatt.com 17.04.2025.
[3] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke. Deutscher Bundestag, Drucksache 18/240. Berlin, 27.12.2013.
[4] S. dazu Dual Use.
[5] Strategischer Seetransport verlängert. Europäische Sicherheit & Technik 5/2020.
[6] Jens Koenen, Christoph Schlautmann: Nato-Drehscheibe – Bundeswehr ruft Logistikkonzerne zu Hilfe. handelsblatt.com 22.04.2025.
[7] Jannik Hartmann: Militärische Mobilität. Wie Deutschland seine Verkehrsinfrastruktur für die Zukunft rüstet. DGAP Policy Brief. Berlin, 03.07.2024.
[8] Marcel Görmann: Geheimer Kriegsplan der Bundeswehr: Deutsche Bahn und Lufthansa gegen Putin. derwesten.de 22.04.2025.
[9] Lufthansa berechnete Millionen Euro für Kabul-Flüge. spiegel.de 13.12.2024.
[10] Jens Koenen, Christoph Schlautmann: Nato-Drehscheibe – Bundeswehr ruft Logistikkonzerne zu Hilfe. handelsblatt.com 22.04.2025.
[11] S. dazu Exklusive Ansprechstellen.
[12] Gemeinsam im Cockpit – Zusammenarbeit mit Lufthansa. bundeswehr.de 14.09.2020.
[13] Lufthansa bildet Drohnen-Piloten für die Bundeswehr aus. focus.de 16.11.2013.
[14] Jens Koenen, Christoph Schlautmann: Nato-Drehscheibe – Bundeswehr ruft Logistikkonzerne zu Hilfe. handelsblatt.com 22.04.2025.
[15] Im Dienste derer, die unsere Werte verteidigen. lufthansa-technik-defense.com.
[16] Jens Koenen: Lufthansa setzt auf Rüstung. handelsblatt.com 04.06.2024.
[17] Jens Koenen, Christoph Schlautmann: Nato-Drehscheibe – Bundeswehr ruft Logistikkonzerne zu Hilfe. handelsblatt.com 22.04.2025.
[18] Support for New Zealand’s Boeing P-8A Poseidon fleet. lufthansa-technik.com 11.12.2022.
