Die Krise als Chance

MINSK/BERLIN (Eigener Bericht) - Die EU setzt ihre Sanktionen gegen Belarus für zunächst vier Monate aus. Dies haben die EU-Außenminister am gestrigen Montag auf Drängen Berlins beschlossen. Hintergrund sind gravierende Schwierigkeiten wirtschaftlicher wie außenpolitischer Art, mit denen Minsk als Folge des Ukraine-Konflikts zu kämpfen hat. Weil Russland ökonomisch in der Krise steckt, ist der Absatz belarussischer Waren dort massiv eingebrochen; das macht die Suche nach alternativen Märkten unumgänglich. Zudem fürchtet Präsident Aljaksandr Lukaschenka, Belarus könne durch das übermächtige Moskau seiner Eigenständigkeit beraubt werden, und steigert sein Bemühen um eine aktive Außenpolitik. Für beides ist eine Intensivierung der Beziehungen zum Westen unumgänglich. Im Berliner Polit-Establishment werden die Entwicklungen in Minsk sorgfältig beobachtet; es gebe mittlerweile durchaus "Erfolgschancen", "strukturelle Veränderungen" in Belarus durchsetzen zu können, urteilten Fachleute kurz vor der Präsidentenwahl am Sonntag. In der Hoffnung, Minsk von Moskau lösen und intensiver in die westliche Hegemonialsphäre einbinden zu können, hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier für die Aussetzung der Sanktionen plädiert. Für die Berliner Polit-PR ein wenig unangenehm ist, dass die neue Literatur-Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch - ganz auf Linie der bisherigen EU-Politik - ausgerechnet jetzt vor der Lockerung der Sanktionen warnt.

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