Die neuen Partner in Ankara (I)
ANKARA/KAYSERI/BERLIN (Eigener Bericht) - Berlin soll seine Weigerung, die Türkei in die EU aufzunehmen, fallenlassen. Dies verlangt der türkische Staatspräsident anlässlich des Besuches seines deutschen Amtskollegen. Die Bundesregierung müsse das Beharren auf einer "privilegierten Partnerschaft" mit Ankara preisgeben und in Brüssel für die türkische EU-Mitgliedschaft plädieren. Deutschland, das sich bislang gegen den EU-Beitritt der Türkei sperrt, um den Abfluss von Mitteln aus dem Brüsseler Etat und die Machtteilhabe Ankaras zu verhindern, gehört zu den bedeutendsten Profiteuren der Beitrittsgespräche: Die Anpassung der Türkei an Wirtschaftsstandards der EU nutzt vor allem deutschen Unternehmen, die wichtigster Investor und größter Handelspartner des Landes sind. Im Hintergrund des aktuellen Streits um den EU-Beitritt stehen zudem langfristig wirksame Umwälzungen in der türkischen Gesellschaft, die in Ankara neue Kräfte an die Regierung gebracht haben. Diese stützen sich in ihrem Kampf gegen das traditionelle kemalistische Establishment auch auf die EU - und finden damit Anklang in Berlin. Dies führt in der deutschen Medienlandschaft zu verwirrenden Volten: Die von der Bundesregierung umworbenen neuen türkischen Eliten wurzeln im vom Westen ansonsten bekämpften politischen Islam.