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KABUL/BERLIN/WASHINGTON (Eigener Bericht) - Wachsende Spannungen in Nordafghanistan begleiten die deutsch-amerikanischen Verhandlungen über die Besatzungsstrategie am Hindukusch. Während Bundeskanzlerin Merkel am gestrigen Dienstag mit US-Präsident Obama über die dortige Lage konferierte, begann einer der berüchtigtsten Warlords des Landes, sich in Nordafghanistan in Stellung zu bringen. Abdul Rashid Dostum, zur Zeit ein Verbündeter Hamid Karzais, ist erst kürzlich aus dem Exil zurückgekehrt; er rivalisiert mit dem Gouverneur von Mazar-e-Sharif, wo die Bundeswehr einen großen Stützpunkt unterhält. Eine Eskalation ist nicht auszuschließen. Verschärft wird die Lage durch Überlegungen in Washington, den Pakt mit Hamid Karzai zurückzustufen und direkt mit einzelnen Warlords zu kooperieren - ein Plan, der den vollständigen Zerfall Afghanistans in Kauf nimmt. In Berlin werden Eingeständnisse des Scheiterns laut. So erklärt die Heinrich-Böll-Stiftung (Bündnis 90/Die Grünen), die bisher die Besatzungspolitik umstandslos mitgetragen hat, der Westen habe "mit den Warlords der Nordallianz eine korrupte und undemokratische neue Führung im Land installiert". Medienberichte verweisen mit Missmut darauf, dass parallel zum sich abzeichnenden Rückzug des Westens China seine Position in Afghanistan stärkt.
