Außer Kontrolle

BERLIN/BAGDAD (Eigener Bericht) - Bei einer heutigen Krisensitzung im Bundeskanzleramt will die Regierungsspitze auf den sofortigen Abbruch der parlamentarischen Erörterungen über die deutsche Kriegsbeteiligung im Irak hinwirken und ein Ende der öffentlichen Wahrnehmung geheimer Operationen gegen Grundrechte der Verfassung erreichen. Zu dem Krisentreffen hat die Bundeskanzlerin eingeladen. Beteiligt sind der Chef des Bundeskanzleramts (auch zuständig für die Geheimdienste) und der Bundesinnenminister. Der Intervention folgen sämtliche Fraktionsvorsitzende des deutschen Parteienspektrums. Bereits im Vorfeld des ungewöhnlichen Treffens haben Regierungsmitglieder erklärt, weitere öffentliche Diskussionen über die deutsche Zusammenarbeit mit Deportations- und Folterabteilungen von Drittstaaten müssten wegen der monatelangen Beunruhigung unbedingt verhindert werden. Neue Enthüllungen über ungesetzliche Tätigkeiten des Bundesnachrichtendienstes (BND) und der übrigen Sicherheitsapparate seien für die Staatsraison abträglich. Wie diese Redaktion erfährt, hat der BND unmittelbar vor den US-Luftangriffen versucht, sich über eventuelle Bombenziele im Irak deutsches Bildmaterial zu beschaffen, und dabei Inlandsaufklärung betrieben. Ziel war das Abschöpfen von TV-Journalisten, die aus dem Irak zurückkehrten und zivile Filmberichte gedreht hatten. Unter Verletzung des Status der Berichterstatter verfolgte der BND die Reporter bis in die Schneideräume einer deutschen Fernsehanstalt und bot dort geheimdienstliche Zusammenarbeit an. Dem BND ist die Inlandsaufklärung ebenso untersagt wie die Indienststellung deutscher Journalisten. Die Willkürmaßnahmen der Exekutive haben zu einem Bruch des innerdeutschen Verfassungskonsenses geführt und markieren den Übergang in ein neues Stadium der Kriegsbereitschaft.

ex.klusiv

Login