Im Kommandoton
Neuer US-Botschafter bei der EU will EU-Normen an die Interessen der Trump-Regierung und der US-Wirtschaft anpassen. Gelänge ihm dies, bräche er zugleich der extremen Rechten in sozialen Medien die Bahn.
WASHINGTON/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Der neue US-Botschafter bei der EU dringt auf die Anpassung von EU-Normen an die Vorstellungen der Trump-Administration und ihre Ausrichtung auf die Interessen der US-Wirtschaft. Andrew Puzder, ein Ex-Manager von US-Fast-Food-Ketten, hat sein Amt am 11. September angetreten. Er verlangt, Brüssel müsse „regulatorische Barrieren” beseitigen, die dem Geschäft insbesondere von US-Unternehmen im Wege stünden. So müssten etwa Normen für soziale Medien abgeschafft und „die freie Meinungsäußerung“ wiederhergestellt werden. Mit Letzterem ist die Entfernung von Regeln gemeint, die extrem rechte Hetze einschränken sollen. Ihre Aufhebung käme nicht zuletzt extrem rechten Organisationen zugute, mit denen etwa die US-amerikanische Heritage Foundation kooperiert, für die Puzder noch bis vor kurzem aktiv war. Auch andernorts tätige US-Botschafter mischen sich in die Politik ihrer Gastländer ein, so beispielsweise der zum Trump-Clan gehörende US-Botschafter in Frankreich. Dieser hat kürzlich im Kommandoton verlangt, Frankreich müsse auf die geplante Anerkennung des Staates Palästina verzichten. Ähnliche Erfahrungen liegen auch in Deutschland vor.
EU-Normen abschaffen
Andrew Puzder ist ein ehemaliger Manager von zwei US-Fast-Food-Ketten, der sich einst für die Automatisierung von Fabriken ausgesprochen hat, weil Maschinen „immer höflich“ seien, keinen Urlaub nähmen und nie zu spät kämen (german-foreign-policy.com berichtete [1]). Er hat anlässlich seines Amtsantritts in der vergangenen Woche in einem Interview mitgeteilt, was seine ersten Arbeitsschwerpunkte als US-Botschafter bei der EU sein werden. Demnach wird Puzder sich dafür einsetzen, EU-Gesetze und -Normen zu verändern oder sie sogar ganz abzuschaffen, wenn sie nicht im Interesse von US-Unternehmen liegen. Dies gilt zum einen für die Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD), die allen in der EU tätigen Unternehmen Sorgfaltspflichten bei der Auswahl ihrer Lieferanten im Hinblick auf Menschenrechte und Umweltnormen auferlegt. Puzder lässt keinen Zweifel daran, dass er die Richtlinie abgeschafft sehen will. Dies gilt auch für die Beachtung von ESG-Faktoren (Environmental, Social & Governance – Umwelt, Soziales & Grundsätze der Unternehmensführung), etwa bei Investitionen. Bereits im Februar hatte US-Handelsminister Howard Lutnick erklärt, er sei jederzeit bereit, „Handelswerkzeuge“ einzusetzen, sollten derartige EU-Normen US-Unternehmen im Wege stehen.[2]
Freie Meinungsäußerung
Puzder fordert zudem, die USA und die EU müssten sich „gemeinsam“ Russland und China widersetzen. Was China betrifft, bezieht sich dies auf den harten Konfrontationskurs nicht nur in ökonomischer, sondern auch in politischer und militärischer Hinsicht, den die Trump-Administration eingeschlagen hat. Was Russland angeht, verlangt Puzder, die EU solle sich in Zukunft nicht mehr mit russischem, sondern mit US-amerikanischem Flüssiggas versorgen. Nicht zuletzt spricht sich der neue US-Botschafter gegen die Regulierung von Onlinemärkten und -diensten aus, wie sie insbesondere der Digital Markets Act (DMA) und der Digital Services Act (DSA) vorsehen. Erst vor kurzem hatte die EU dem US-Konzern Google wegen eines Verstoßes gegen einschlägige EU-Regularien eine Strafzahlung von 2,95 Milliarden Euro auferlegt.[3] Puzder lehnt dies in aller Schärfe ab und behauptet, derlei Strafen richteten sich offen „gegen große US-Unternehmen“; das sei „nicht akzeptabel“.[4] Darüber hinaus behauptet er, die EU schränke mit ihrer Onlineregulierung „die freie Meinungsäußerung“ ein. Zwar erklärt er gönnerhaft, „freie Meinungsäußerung“ müsse in der EU nicht exakt dasselbe sein wie in den USA. Dennoch beschränkten Normen, die etwa offene rassistische oder sexistische Diskriminierung untersagen, die Redefreiheit auf unzulässige Art.
Freie Bahn für Hetze
Mit der Forderung, die Regulierung etwa von Social Media-Plattformen aus den USA zu schwächen oder ganz abzuschaffen, setzt Puzder sich nicht nur für US-Konzerne ein, sondern zugleich für die Interessen einer Organisation, für die er zuletzt als Distinguished Visiting Fellow for Business and Economic Freedom gearbeitet hat – die Heritage Foundation.[5] Die Stiftung, die mit ihrem Project 2025 eine Art Regierungsprogramm für die Trump-Regierung verfasst hat, kooperiert eng mit dem ultrarechten Parteienbündnis Patriots for Europe (PfE), dem zum Beispiel der französische Rassemblement National (RN), der belgische Vlaams Belang und die italienische Lega angehören.[6] Besonders enge Beziehungen unterhält sie zu Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, dessen Partei Fidesz den PfE angehört. Von der Abschaffung von Regeln gegen rechte Hetze würden die PfE-Mitgliedsparteien profitieren – uns mit ihnen auch ihr Kooperationspartner Heritage Foundation.
Inakzeptabel
Die offene Einmischung von US-Botschaftern in innere Angelegenheiten ihres Gastlandes sorgt bereits andernorts für ernste Konflikte. Das gilt etwa für Frankreich, wo die Vereinigten Staaten von einem Angehörigen des Trump-Clans vertreten werden – von Charles Kushner, einem wegen Steuerhinterziehung verurteilten Immobilienunternehmer, dessen Sohn Jared Schwiegersohn des US-Präsidenten ist. Kushner hatte im August, nachdem Präsident Emmanuel Macron für den 19. September die Anerkennung des Staates Palästina in Aussicht gestellt hatte, einen an Macron gerichteten Brief an die Medien weitergereicht. Darin stellte er die bevorstehende Anerkennung Palästinas als eine „Initiative“ dar, die das „antisemitische Feuer“ schüre, und forderte Macron im Kommandoton auf: „Geben Sie Initiativen auf, die der Legitimierung der Hamas und ihrer Verbündeten dienen.“[7] Kushners Vorstoß – seine erste öffentliche Initiative als US-Botschafter in Frankreich kurz nach seiner Amtsübernahme – löste in Paris heftig Ärger aus. Außenminister Jean-Noël Barrot nannte ihn „inakzeptabel“; er wies darauf hin, dass das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen aus dem Jahr 1961 zur Nichteinmischung in innere Angelegenheiten des Gastlandes verpflichtet. Kushner weigerte sich anschließend sogar noch, seiner Einbestellung in das französische Außenministerium Folge zu leisten.
Extreme Ansichten
Die offene Einmischung eines US-Botschafters in innere Angelegenheiten des Gastlandes ist in Deutschland bereits aus der Amtszeit von Richard Grenell (8. Mai 2018 bis 1. Juni 2020) bekannt. Grenell hatte schon Anfang Juni 2018 in einem Interview mit der extrem rechten US-Onlineplattform Breitbart erklärt, er wolle „unbedingt andere Konservative in ganz Europa stärken“.[8] Mit „Konservativen“ waren allerlei ultrarechte Kräfte auch jenseits des etablierten Parteienspektrums gemeint. Grenell fiel später dadurch auf, dass er Drohbriefe an deusche Unternehmen versandte, um sie zur Befolgung seiner politischen Forderungen zu nötigen.[9] Der Mann, der gegenwärtig den bemerkenswerten Titel „Sondergesandter für Sondermissionen“ trägt, forderte erst vor einigen Tagen, dem ZDF-Korrespondenten Elmar Theveßen solle das Visum entzogen werden. Theveßen hatte von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht und über den erst vor kurzem ermordeten ultrarechten Aktivisten Charlie Kirk zutreffend gesagt, er habe „rassistische“ und „minderheitsfeindliche Äußerungen“ getätigt und „zu den Rechtsradikalen in den USA“ gehört. Über Trumps stellvertretenden Stabschef Stephen Miller urteilte Theveßen, er habe „sehr extreme Ansichten“. Grenell behauptete daraufhin, Theveßen rufe zu Gewalt gegen politische Gegner auf; er müsse abgeschoben werden.[10]
[1] S. dazu „Vom Trump-Tornado lernen“.
[2] Jeff Green: America’s New EU Ambassador Vows to Fight Red Tape for US Companies. bloomberg.com 11.09.2025.
[3] EU Hits Google with EUR 2.95 billion Fine for Abuse of Dominance in Display Advertising Market. ceelegalmatters.com 12.09.2025.
[4] Jeff Green: America’s New EU Ambassador Vows to Fight Red Tape for US Companies. bloomberg.com 11.09.2025.
[5], [6] S. dazu „Vom Trump-Tornado lernen“.
[7] Michaela Wiegel: Brief mit Konsequenzen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 26.08.2025.
[8] S. dazu Ein Oligarch für die AfD.
[9] S. dazu Die Souveränität der Macht.
[10] German broadcaster rejects ex-US envoy’s call to expel journalist. yahoo.com 15.09.2025.
