Probe aufs Exempel

BERLIN/WASHINGTON/TEHERAN (Eigener Bericht) - Die jüngsten Personalrochaden in der Trump-Administration setzen die Iranpolitik Deutschlands und der EU weiter unter Druck. Berlin und Brüssel wollen das Atomabkommen mit Teheran aufrechterhalten; von ihm hängt maßgeblich ihre Mittelostpolitik ab, die darauf abzielt, eine Art instabiles Gleichgewicht zwischen Iran und Saudi-Arabien herzustellen: auch, um mit allen Staaten der Region maximal Geschäfte machen zu können. US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, das Abkommen aufzukündigen, wenn sich eine Verschärfung der Bedingungen für Iran nicht durchsetzen lässt; die iranische Regierung ist zu solchen Änderungen nicht bereit. Der designierte US-Außenminister Mike Pompeo sowie der designierte Nationale Sicherheitsberater John Bolton fordern sogar einen Umsturz in Teheran; Bolton hat mehrfach Israel zu militärischen Angriffen auf iranische Anlagen aufgefordert, bislang ohne Erfolg. Berlin zieht nun in Betracht, neue Sanktionen gegen Iran zu verhängen, um Trump zufriedenzustellen und das für Deutschland vorteilhafte Atomabkommen zu retten.

Streit ums Atomabkommen

Im Streit um die westliche Iranpolitik geraten Berlin und Brüssel zunehmend unter Druck. US-Präsident Donald Trump beharrt auf seiner Forderung nach Änderungen am Atomabkommen mit Teheran. Insbesondere verlangt er die Ausweitung des Zugangs für Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu iranischen Anlagen und eine Verlängerung der Einschränkungen für das iranische Atomprogramm. Darüber hinaus soll der Einsatz ballistischer Raketen bestraft werden. Die iranische Regierung ist zu Änderungen an dem Abkommen, die zu ihren Ungunsten ausfallen würden, nicht bereit. Tatsächlich kann Iran darauf verweisen, alle Auflagen zuverlässig eingehalten zu haben; dies bestätigt die IAEA. Umgekehrt verhindern vor allem US-Sanktionen nach wie vor ungehinderte Geschäfte zwischen Iran und dem Westen, die Teheran im Gegenzug gegen die Beschränkung seines Atomprogramms in Aussicht gestellt worden sind. Trump hat der EU eine Frist bis zum 12. Mai gesetzt, um sich mit ihr über Änderungen an dem Abkommen zu einigen. Gelingt dies nicht, will er einseitig aus dem Vertrag aussteigen.

Umsturz oder Überfall

Die jüngsten Personalrochaden in der US-Administration legen nahe, dass Präsident Trump - womöglich unabhängig von der Debatte um Änderungen am Atomabkommen - neue Aggressionen gegen Iran in Betracht zieht. Außenminister Rex Tillerson, der sich in der Iranpolitik um eine Abstimmung mit der EU bemühte, wird am 31. März zurücktreten; Trump hat seine Bemühung um eine Rettung des Atomabkommens als einen der Hauptgründe für seine Entlassung benannt. CIA-Chef Mike Pompeo, der ihm im Amt nachfolgen wird, hat bereits 2016 öffentlich gefordert, einen Umsturz in Teheran anzustreben, und schon in seiner bisherigen Funktion den Druck auf die iranische Regierung erhöht.[1] John Bolton, der am 9. April Generalleutnant H. R. McMaster im Amt des Nationalen Sicherheitsberaters ablösen soll, fordert seit Jahren einen Überfall auf Iran; im März 2015 etwa erklärte er, man solle die iranischen Atomanlagen bombardieren: Es genüge, eine Reihe von Schlüsseleinrichtungen zu zerstören, um Teherans Atomprogramm "um drei bis fünf Jahre zurückzuwerfen".[2] Zuletzt hat auch Trump selbst seinen Kurs gegen Iran verschärft und in einer Botschaft zum iranischen Neujahrsfest angekündigt, sich künftig dafür einzusetzen, dass eine "verantwortliche" Regierung in dem Land an die Macht komme. Dabei handelt es sich um eine kaum noch verhohlene Umsturzdrohung gegenüber Teheran.[3]

Instabiles Gleichgewicht

Berlin und Brüssel befinden sich in einer schwierigen Lage. Im Kern setzen sie im Mittleren Osten auf den Versuch, ein - nach Lage der Dinge instabiles - Gleichgewicht zwischen Saudi-Arabien und Iran herzustellen, die in der Region um die Hegemonie kämpfen.[4] Eine solche Politik ermöglicht nicht nur ein steuerndes Eingreifen von außen; sie öffnet auch den Zugriff auf sämtliche Märkte der Region. Tatsächlich erhofft sich die deutsche Wirtschaft prinzipiell viel von neuen Geschäften in Iran, die sie tätigen will, ohne ihre in Saudi-Arabien und in den anderen arabischen Golfstaaten erzielten Profite zu gefährden. Allerdings kommen Handel und Investitionen bislang noch nicht wie gewünscht voran, insbesondere, weil westliche Banken sich weiter von der Finanzierung von Iran-Aktivitäten fernhalten - aus Furcht, von bis heute bestehenden US-Sanktionen jenseits der Boykottmaßnahmen aus dem Atomstreit getroffen zu werden. Tatsächlich haben die deutschen Iran-Exporte von 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2016 lediglich auf knapp drei Milliarden Euro im Jahr 2017 zugenommen, erheblich weniger, als deutsche Wirtschaftsfunktionäre gehofft hatten (german-foreign-policy.com berichtete [5]).

Neue Sanktionen

Dennoch halten die Bundesregierung und die EU bisher an ihrer Mitteloststrategie und damit auch am Atomabkommen fest - und setzen alles daran, die Trump-Administration vom angedrohten Ausstieg aus der Vereinbarung abzuhalten. Letzteres soll durch Zugeständnisse in der Außenpolitik erreicht werden. So zieht es Berlin in Betracht, neue Sanktionen gegen Iran außerhalb des Atomstreits zu verhängen; sie sollen mit der Herstellung und dem Export ballistischer Raketen durch Teheran begründet werden. Der Vorstoß ist mit Paris und London abgestimmt und kürzlich erstmals von den EU-Außenministern diskutiert worden. Vollkommen unklar ist, wie die iranische Regierung auf seine Umsetzung reagieren würde. Hinzu kommt, dass selbst bei neuen EU-Sanktionen eine Zustimmung der Trump-Administration zur Aufrechterhaltung des Atomabkommens nicht als sicher gelten kann. "Die Europäer lehnen sich womöglich weit aus dem Fenster, und dann wendet sich der Präsident trotzdem ab", warnt eine Expertin des Washingtoner Center for Strategic and International Studies (CSIS): Die EU könne zwar versuchen, Trump entgegenzukommen, "aber sie wissen nicht, wie er sich am Ende entscheidet".[6]

Aufforderung zum Angriff

Die Iranpolitik ist auch Gegenstand der gestrigen Gespräche von Außenminister Heiko Maas in Israel gewesen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu unterstützt im Wesentlichen Trumps Plan, aus dem Atomabkommen auszusteigen, sollte sich eine signifikante Verschärfung nicht durchsetzen lassen. Allerdings ist seine Position in Israel nicht unumstritten; am Wochenende haben sich vier ehemalige Generalstabschefs, zwei davon auch ehemalige Verteidigungsminister, klar gegen einen Bruch des Abkommens gestellt. Wie Ex-Verteidigungsminister (2002 bis 2006) Schaul Mofaz berichtet, hat Trumps künftiger nationaler Sicherheitsberater John Bolton während seiner Amtszeit als UN-Botschafter der Vereinigten Staaten (2005 bis 2006) versucht, ihn zu einem israelischen Angriff auf die iranischen Atomanlagen zu veranlassen.[7] Israel wies das Ansinnen damals zurück. Bolton hat seinen Vorstoß mehrmals wiederholt; unter anderem schlug er im März 2015 in einem Zeitungsartikel vor, die israelische Luftwaffe solle Teherans Anreicherungsanlagen und Reaktoren bombardieren - ähnlich wie die irakischen Atomanlagen im Jahr 1981 und die syrischen im Jahr 2007.[8] Auch dies stieß auf taube Ohren.

Ein neuer Kommunikationskanal

Außenminister Maas hat gestern bekräftigt, Brüssel werde am Atomabkommen mit Teheran auch dann festhalten, wenn Washington es breche. Bereits am 11. Januar haben die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Irans sowie die EU-Außenbeauftragte einen "Strukturierten Dialog" gestartet, der "einen neuen Kommunikationskanal zu besonders kritischen Themen" schaffen und eine Eskalation der Spannungen verhindern soll.[9] Er ist geeignet, Berlin und der EU neuen Einfluss in Teheran zu sichern. Der Streit mit Washington um das Atomabkommen gilt auch als erste Probe aufs Exempel für die mehrfach wiederholten deutschen Ankündigungen, auf Augenhöhe mit den Vereinigten Staaten Weltpolitik treiben zu wollen.[10] Dies erklärt die Intensität, mit der die Bundesregierung sich um die Rettung des Vertrags bemüht.

 

[1] Robin Wright: With Mike Pompeo at the State Department, Are the Über-Hawks Winning? newyorker.com 13.03.2018.

[2] John R. Bolton: To Stop Iran's Bomb, Bomb Iran. nytimes.com 26.03.2015.

[3] Statement by President Donald J. Trump on Nowruz. ir.usembassy.gov 19.03.2018.

[4] S. dazu Die Anti-Trump-Allianz.

[5] S. dazu Eine neue Ära in Mittelost (III) und Wettlauf ums Iran-Geschäft.

[6] US-Diplomaten stehen vor Herkulesaufgabe im Iran-Streit. wiwo.de 25.03.2018.

[7] Ahead of Trump Decision, Four Israeli Military Chiefs Oppose Nixing Iran Nuclear Deal. haaretz.com 26.03.2018.

[8] John R. Bolton: To Stop Iran's Bomb, Bomb Iran. nytimes.com 26.03.2015.

[9] Krisen vermeiden: Strukturierter Dialog mit Iran. teheran.diplo.de 22.02.2018.

[10] S. dazu Gabriels Kampfansage und Der Wille zum Krieg.


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